Michael Köhlmeier - Abendland

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Abendland: краткое содержание, описание и аннотация

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"Wenn du dich als Achtjähriger, als Dreizehnjähriger, als Sechzehnjähriger denkst, erkennst du dich in ihnen wieder?"
"Ja. Und sehr gerne dazu."
"Gibt es einen Lebensabschnitt, in dem du dir fremd vorkommst?"
"Zwischen fünfundzwanzig und dreißig ein bisschen fremd. Gestern und vorgestern sehr fremd."
"Glaube, Liebe, Hoffnung. Welche Reihenfolge?"
"Liebe, Hoffnung, Glaube. Wenn ich den anderen dabei zusehe."
"Bei dir selber?"
"Keine Ahnung. Ich denke, das gilt nur bis sechzig oder siebzig. Bei den Auserwählten vielleicht etwas länger." Er lacht.
"Was ist das Größte, das du in deinem leben vollbracht hast?"
Keine Antwort darauf.
"Abendland" ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Generationenroman. Mit großer erzählerischer Kraft wird dargestellt, wie die unterschiedlichsten Menschen jenseits der politischen und historischen Wechselfälle aufeinander angewiesen sind und aneinander hängen, warum sie sich gegeneinander auflehnen und wie sie dann doch ihren Frieden schließen. In einem bewegenden Panorama des 20. Jahrhunderts werden die großen historischen Sündenfälle und die kleinen privaten Reaktionen darauf beschrieben. Ein solches Buch hat es in der deutschen Literatur schon lange nicht gegeben.

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Ich hatte inzwischen definitiv mein Studium beendet — Geschichte und Latein — und tat kaum noch so, als ob ich an meiner Dissertation arbeitete. Ich war so nah bei mir selbst wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich lebte gern allein. Nach dem Selbstmord meines Vaters hatte ich den Himmel über meinem Kopf neu zusammensetzen müssen — eine Woche war ich bei meiner Mutter in Vorarlberg gewesen, eine Woche mit ihr zusammen bei Carl in Innsbruck, eine Woche in New York; immer wieder hatte ich den gleichen Satz vor mich hergesagt, wie eine Beschwörungsformel:»Das ist eben unser Leben. «Nach einem halben Jahr war diese Arbeit getan. Der Satz kam mir abgeschmackt vor; ich hatte alle Arznei aus ihm herausgesaugt. Ich war einigermaßen im Frieden und konnte wieder an meinen Vater denken — mit weniger Selbstvorwürfen, weniger Entsetzen, weniger Verwirrung und weniger Zorn. Und ich konnte mir das Foto ansehen, auf dem er seine Gibson in den Armen hielt und auf dessen Rückseite er mir als Geburtstagsgruß geschrieben hatte, ich solle mir einfach vorstellen, ich sei die Gitarre. Und ich konnte mir auch wieder Aufnahmen von ihm anhören — die letzten Aufnahmen, die er, wenige Monate bevor er an sein Ende gekommen war, zusammen mit Toots Tielemanns, der die chromatische Mundharmonika spielte, und einem Bassisten in einem Züricher Studio für eine Schweizer Plattenfirma eingespielt hatte.

Was ich zum Leben brauchte, verdiente ich mir zum einen an der Universität als Tutor bei den Lateinern, zum anderen mit gelegentlichen Lektoratsarbeiten für den Hirschgraben-Schulbuchverlag (Geschichte für die Oberstufe) und mit einer Serie von Viertelstunden-Biographien über große Griechen und Römer, die ich mir aus dem Plutarch zusammenschrieb und jeden Donnerstag zum Hessischen Rundfunk in die Bertramstraße 8 brachte, wo sie von einem Schauspieler gelesen und am Sonntag in der Nacht sowie am Montag vormittag im Bildungsprogramm gesendet wurden. Alles in allem hatte ich damit mein Auskommen.

Dagmar war dreiundzwanzig, ich siebenundzwanzig, als wir uns kennenlernten. Sie wohnte im Westend in der Bockenheimer Landstraße zusammen mit einer Germanistikstudentin (noch heute, wenn ich an sie denke, dreht sich mir der Magen um). Dagmar studierte Psychologie ohne zweites Fach. Sie sagte, sie finde es bescheuert, daß ich Latein studiert hätte. Ich sagte, ich könne das Wort» bescheuert «nicht besonders leiden, sie solle bitte ein anderes wählen. Sie sagte, sie wisse aber kein anderes Wort dafür. Ich schlug» idiotisch«,»krank«,»dumm«,»verrückt«,»beschissen «und» hirnverbrannt «vor. Ich sagte, ich zum Beispiel finde es idiotisch, krank, dumm, verrückt, beschissen und hirnverbrannt, Psychologie ohne zweites Fach zu studieren.»Am Ende kannst du gar nichts, ich kann wenigstens Latein!«— Das war im Dezember. Im November erst hatten wir uns kennengelernt.

Im Café Laumer haben wir uns kennengelernt, zwei Blocks von ihrer Wohnung entfernt. Dagmar saß mitten im süßen Kuchenduft und fröstelte. Sie hatte die Ärmel ihres Pullovers über die Hände gezogen und machte einen krummen Rücken. Ihre Augen waren schattig, das sah weniger verrucht als verweint aus. Ich mochte es, wenn sie ihren krummen Rücken machte, vom ersten Augenblick an mochte ich es. Es wirkte lauernd und zugleich hilflos, kindlich kämpferisch, aber doch angsteinflößend, weil nicht abzuschätzen war, wieviel Bereitschaft zum Äußersten in dieser Körperhaltung ihren Ausdruck fand. Sie trank Tee, wärmte sich die Hände am Glas, las ein Buch und schrieb in ein kleines schwarzes Heft. Das Café war voll, und ich setzte mich an ihren Tisch. Ihre Haare, blond mit goldenen Streifen, fielen über ihren Pullover, sie waren dünn und glatt, und das bewirkte, daß sie noch schmächtiger aussah. Sofort lenkte sie das Gespräch auf Wesentliches. Aber wesentlich war für sie alles. Jedes Thema, jeder Gegenstand, die unscheinbarsten Angelegenheiten bekamen allein durch die Art, wie sie darüber sprach, existentielles Gewicht. Wenn ich in ihr schmales, wegen des leicht vorspringenden Kinns herzförmiges Gesicht sah, befürchtete ich, daß ich in meinem bisherigen Leben fast alles verpaßt hatte; das war mein Unglück, aber mein Glück war, daß mir durch diese Frau die Chance geboten wurde, das Versäumte nachzuholen. Schon in der ersten Stunde präsentierte sie ihre Palette: ein unsteter Blick; immer abwechselnd ein wenig Seelenschmerz, ein wenig Mißtrauen, ein wenig Ablehnung; gleich darauf, als hätte jemand eine Seite in ihrem Herzbuch umgeschlagen, Hingabe und naives Weltvertrauen, was in mir augenblicklich einen Reflex von Ritterlichkeit auslöste, ein so altmodisches Gefühl, daß ich es tatsächlich nur aus Büchern kennen konnte. Dann, ohne mir auch nur eine Sekunde zum Umdenken zu gönnen, schnitt kalte Doktrin mein Wort ab, und sie schien nur noch aus Desillusioniertheit, Konsequenz und Arroganz zu bestehen; sie begann, mich zu agitieren, hielt mir einen Vortrag über die Arbeiterklasse, nämlich die» Arbeiterklasse an sich«, was etwas anderes sei als die» Arbeiterklasse für sich«— dieses der anzustrebende Idealzustand der Bewußtheit der eigenen Ziele und Interessen, jenes das schiere, dumpfe Dasein, bestehend aus Fressen, Saufen, Malochen, Fernsehen, Vögeln und Pennen —; eine Unterscheidung, die, soweit ich es verstand, darauf hinauslief, das An-sich mit gutem Gewissen als Rechtfertigung vorweisen zu können, wenn das Für-sich unterdrückt, geknebelt, geschunden und erschlagen wurde. (Später, wenn sie diesen Propagandaton anschlug, schmetterte ich sie ab, indem ich sagte:»Hör auf mit dem schwäbischen Nihilismus!«Darüber ärgerte sie sich maßlos. Es war eine Anspielung auf ihre Mitbewohnerin, die aus Plochingen stammte und außerdem Mitglied des Zentralkomitees des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands, abgekürzt KBW, war. Dagmar fürchtete sich vor dieser Frau, sie haßte sie; und bewunderte sie, jedenfalls genug, um ab und zu ihren Parteisprech zu kopieren.) Ich weiß, manche hielten Dagmar für wenig ernsthaft, meinten, sie probiere lediglich aus, jongliere mit Charakteren wie eine Schauspielerin, schlüpfe aus Übermut oder purer Darstellungssucht in immer verschiedene Rollen. Ich dachte das anfangs auch. Wer ist sie wirklich, fragte ich mich. Sie setzte Farbtupfer, die ein Bild ergaben, dessen Sujet auf den ersten Blick — auf viele erste Blicke — nicht zu erkennen war und nicht zu erkennen sein sollte. Das reizvolle daran war, daß sie ihre Strategie absichtlich durchschaubar hielt; und das war eine Aufforderung — oder eine Warnung: Verlaß dich auf gar nichts, in Wahrheit bin ich ganz anders! — ; vor allem aber war es eine Bitte: Tu mir nicht weh! Manchmal verstummte sie, und ihr Blick kehrte sich nach innen, und ihr Gesicht zeigte sich so anmutig verschlossen, daß jeder, der um sie war, innehielt, als wäre er Zeuge von etwas Beispiellosem.»Was war mit dir plötzlich?«fragte ich sie einmal.»Nichts«, sagte sie.»Aber was hast du gedacht?«»Gar nichts.«

Als ich nach so vielen Jahren ihre Stimme am Telefon hörte, spürte ich, wie eine heiße Welle in mir aufstieg, und ich wünschte, bei ihr zu sein, wie ich es vor so langer Zeit im Café Laumer gewünscht hatte; und daß uns über unseren Sohn ein gemeinsames Schicksal verband, katapultierte mich in den längst vergessen geglaubten Existentialistenhimmel von l’Amour fou — wo man sich in meinem Alter allerdings nur wenige Augenblicke aufhalten sollte.

Sie wollte mit mir kommen. Und sie kam mit mir. Und kehrte nur noch selten in die Bockenheimer Landstraße zurück, und wenn, nur auf einen Sprung, um sich etwas zum Anziehen oder ein paar Bücher zu holen. Ich, der ich ein notorischer Langschläfer war, gewöhnte mir an, um sieben aufzustehen. Denn das war Dagmars Zeit. Wir frühstückten in meiner Küche. Dort hatte ich noch nie gefrühstückt, der Küchentisch war zugedeckt mit meinen Büchern und meinen Papieren und meiner Schreibmaschine, ich war immer ein paar Straßen weiter zu Eduscho gegangen. Manchmal fuhren wir in ihrem gelben R4 über die Autobahn zum Flughafen und dort über das Kreuz, das das bekannteste Kreuz Deutschlands war, und wieder zurück und weiter in die Richtung, in die das riesige blaue Schild wies, auf dem als letztes Ziel Hamburg angegeben war; schauten auf die Großstadtskyline hinter den Schrebergärten, diesen von Menschenhand erschaffenen Horizont, auf den alle Frankfurter so stolz waren; ich erzählte von Manhattan, wo ich erst vor einem halben Jahr eine Woche lang gewesen war, und wir nahmen uns vor, Geld zu sparen und bei der nächsten Gelegenheit gemeinsam hinüberzufliegen; und wir fuhren und fuhren, bis wir Hunger bekamen, verdrückten bei einer Raststätte ein Sandwich und kehrten in der Dunkelheit wieder heim. An anderen Tagen spazierten wir eng umschlungen am Main entlang, als wäre hier Paris, sie in ihrem schwarzen Mantel aus Ziegennappaleder, der ihre zarte Figur so elegant betonte und für den sie zwei Monate in den Semesterferien bei der Post gearbeitet hatte; wir setzten uns auf einen der betonierten Blumenkästen in der Zeil, drehten Tabak und rauchten und beobachteten die Strebsamen und Besorgten, die Getriebenen und Entschlossenen und dachten, zu denen gehören wir auf alle Fälle nicht mehr, und dachten, seit neuestem gehören wir nur noch uns selbst. Ich erzählte ihr von meinem Vater und seinem traurigen Ende, und sie hörte mir zu und sagte:»Schreib über ihn!«Aber das konnte ich nicht. Ich sagte:»Noch kann ich es nicht.«(Am Telefon nach über zwanzig Jahren fragte sie mich, ob ich inzwischen über meinen Vater geschrieben hätte.»Immer noch nicht«, hatte ich ihr geantwortet.)

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