Michael Köhlmeier - Abendland

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Abendland: краткое содержание, описание и аннотация

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"Wenn du dich als Achtjähriger, als Dreizehnjähriger, als Sechzehnjähriger denkst, erkennst du dich in ihnen wieder?"
"Ja. Und sehr gerne dazu."
"Gibt es einen Lebensabschnitt, in dem du dir fremd vorkommst?"
"Zwischen fünfundzwanzig und dreißig ein bisschen fremd. Gestern und vorgestern sehr fremd."
"Glaube, Liebe, Hoffnung. Welche Reihenfolge?"
"Liebe, Hoffnung, Glaube. Wenn ich den anderen dabei zusehe."
"Bei dir selber?"
"Keine Ahnung. Ich denke, das gilt nur bis sechzig oder siebzig. Bei den Auserwählten vielleicht etwas länger." Er lacht.
"Was ist das Größte, das du in deinem leben vollbracht hast?"
Keine Antwort darauf.
"Abendland" ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Generationenroman. Mit großer erzählerischer Kraft wird dargestellt, wie die unterschiedlichsten Menschen jenseits der politischen und historischen Wechselfälle aufeinander angewiesen sind und aneinander hängen, warum sie sich gegeneinander auflehnen und wie sie dann doch ihren Frieden schließen. In einem bewegenden Panorama des 20. Jahrhunderts werden die großen historischen Sündenfälle und die kleinen privaten Reaktionen darauf beschrieben. Ein solches Buch hat es in der deutschen Literatur schon lange nicht gegeben.

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Valerie hat mir die Geschichte in der Nacht erzählt, als wir in unserem Verschlag lagen, zwischen uns nur eine dünne Bretterwand mit so breiten Spalten, daß wir einen Finger hindurchstecken konnten, um uns gute Nacht zu wünschen. Ich sagte: Warum habt ihr euch nicht mit mir in Verbindung gesetzt? Die Familie hätte nach Lissabon ziehen sollen. Damals wäre das ohne weiteres möglich gewesen. Er hätte alles verloren, sagte Valerie, man hätte uns alles weggenommen. Das wollte er nicht. Aber Mama könnte noch leben, sagte ich. Sie sagte: Die Nazis haben sie nicht umgebracht. Das wart ihr mit euren Bomben.

Am Tag bekam ich Valerie selten zu Gesicht, sie war unterwegs, um zu organisieren. Ich wußte, sie schlich sich in der Nacht heimlich in die Bibliothek, holte ein Paket Kaffee hinter den Regalen hervor und tauschte es am nächsten Tag im Resselpark gegen drei Kilo Brot oder eine Gans oder einen Topf Schmalz. Als ich Anfang Dezember nach meinem Besuch in Nürnberg bei dem Prozeß gegen die großen Nazis wieder nach Wien zurückkehrte, war Großvaters Lager hinter den Büchern ausgeräumt. Aber die beiden Alten hatten keinen Hunger leiden müssen, und gefroren hatten sie auch nicht. Valerie hatte organisiert, Tag und Nacht. Sie war viel draußen gewesen. Zu viel.«

5

Eine Stille entstand. Unterbrochen von Carls Hüsteln. Und von meinem Hüsteln. Ich erinnere mich, daß ich versucht war, eine Frage zu stellen. Valerie war zweimal von russischen Soldaten vergewaltigt worden. Beide Male im November 1945. Gerade während der zehn Tage, als Carl in Nürnberg war. Sie hatte ihn gebeten zu bleiben. Nicht aus Sorge um sich selbst, sondern aus Sorge um die Großeltern. Vor allem um den Großvater, der immer seltsamer wurde. Sie fürchtete, er könnte überschnappen. Valerie hat mit ihrem Bruder nicht über die Vergewaltigung gesprochen. Er erfuhr es erst viel später. Mit Margarida hat sie darüber gesprochen. Und mit meiner Mutter. Aber auch erst nach Jahren. Sie war schwanger gewesen, über eine Seelsorgestelle der katholischen Kirche sei ihr eine Abtreibung vermittelt worden. Zum Horror also noch ein Witz dazu. Eine Zeitlang war Valerie mit meiner Mutter gut befreundet gewesen. Wie die beiden zusammengekommen waren, weiß ich nicht. Meine Mutter hat später so gut wie nie von Valerie gesprochen. Was verwunderlich ist. In der Zeit, als die beiden zusammensteckten, war meine Mutter arbeitslos. Valerie arbeitete bei einer Bank. Sie wollte sich nicht von ihren Großeltern aushalten lassen. Meine Mutter holte sie zusammen mit mir im Kinderwagen nach der Arbeit ab. Die beiden gingen stundenlang spazieren, manchmal bis ans Ende von Simmering und weiter bis zum Albernen Hafen. Irgendwann habe sich mein Vater bei Carl beschwert, Agnes habe vor lauter Valerie keine Zeit mehr für ihn. Von den Vergewaltigungen hat mir aber nicht meine Mutter erzählt, sondern Margarida. Sie meinte, es sei keine Indiskretion, schließlich kannte ich Valerie ja nicht, sie lebte schon seit vielen Jahren in Dänemark.

Carls Stimme auf dem Band:»Jeder Mensch, der in dieser Stadt lebte, war in den ersten Monaten nach dem Krieg anders, als er in seinem bisherigen Leben gewesen war, und nie wieder würde er so sein wie in dieser Zeit der Starre. Widersinnigerweise zeigte sich diese Starre in Geschäftigkeit. Die Menschen bewegten sich wie aufgezogene Mäuse. Es muß etwas getan werden! Es muß etwas getan werden! So lautete der strenge Tagesbefehl des Lebens. Und es gab ja tatsächlich mehr zu tun als je zuvor. Obwohl man nur ein einziges Mal den Blick hätte heben müssen, um zu sehen, wie vergeblich es war, etwas zu tun. Je weniger einem Menschen zu tun übrigbleibt, desto heftiger drängt es ihn zur Tat. Diese These ließ sich tagtäglich auf den Straßen verifizieren. Jeder tat irgend etwas, trug Steine in Gemüsenetzen davon oder schob einen Karren mit Gerümpel von A nach B, und wenn er zweimal hintereinander am Naschmarkt einen guten Tausch abgewickelt hatte, bildete er sich ein, er habe bereits den Grundstein für ein Geschäft gelegt. Ich bin durch die Gassen gegangen, über Schutthalden gestiegen, rostiger Eisenschrott, Staub, knöcheltief, wie Mehl. Neben einem Einstieg, der mit LSK gekennzeichnet war, lehnte eine durchweichte Matratze, zum Auslüften nehme ich an, wie die Allegorie der Hoffnungslosigkeit kam sie mir vor. Es war unerträglich. Unerträglich war die Not, aber ebenso unerträglich war es, mit anzusehen, wie Menschen Dinge taten, die völlig sinnlos waren, die weder etwas Gutes brachten noch etwas Schlimmes verhinderten und die dennoch sinnvoll waren, weil sie wenigstens so aussahen, als hätten sie Sinn. Eine elementare Wichtigtuerei hatte die Bürger dieser Stadt ergriffen. Die Diskrepanz zwischen dem, wie sie sich die Welt vorstellten, und dem, wie sich die Welt ihnen darstellte, wurde in zwei kleinen Worten aufgehoben: als ob. Als-ob und Carepakete haben das Leben in dieser Stadt erhalten. Im Rückblick mag für manchen die Gewalt wie eine Erlösung angemutet haben. Eine Erlösung auch von jeder Angst. Am hellichten Tag sah man lachende Frauen Kinderwägen schieben, die hoch mit Gestohlenem beladen waren, und das, obwohl Plünderern mit sofortigem Erschießen gedroht worden war. Plündern ist eine spannende Sache, es bringt etwas, und es ist eine spannende Sache. Man hat etwas getan, wenn man geplündert hat, und das war nicht weniger wichtig als der Gegenstand, den man davontrug. Unerträglich nämlich war es, nichts zu tun. Es muß etwas getan werden! Es muß etwas getan werden! Als ob mit der Zerstörung unserer Stadt und all der anderen Städte und Dörfer von Brest bis Stalingrad, von Guernica y Luno bis Hammerfest nicht schon genug getan worden wäre!

Am 27. April war Wien von der Roten Armee eingenommen worden, und vier Tage später bereits — vier Tage später! — wurde auf Befehl der Russen Figaros Hochzeit draußen in der Volksoper aufgeführt! Die Straßenbahnen fuhren noch nicht, die meisten Straßen waren überhaupt nicht befahrbar, die Sänger wurden auf russischen Lastwagen zum Währingergürtel transportiert. Der Eintritt war frei, ein Geschenk der Befreier. Und nicht etwa nur hartgesottene Opernfreunde wie meine Großeltern saßen im Zuschauerraum, die meisten Besucher hatten vorher noch nie eine Opernaufführung gesehen. Russische Soldaten mit Schnellfeuergewehren auf den Oberschenkeln saßen neben gerupften und ausgehungerten Wiener Bürgern, und die Sänger und Sängerinnen auf der Bühne und die Musiker im Orchestergraben sangen und spielten, was sie vor Jahren zum letztenmal gesungen und gespielt hatten, zwei Proben hatte man ihnen zugestanden, das war alles gewesen, und so klang es auch. Aber es war etwas getan worden. Und nicht nur an der Volksoper wurde gespielt, auch am Theater an der Wien — Rigoletto . Winter 1945. Ohne Dekoration. Man sah den Schnürboden und die Brandmauer. So kalt war es, daß mein Großvater und meine Großmutter in ihren Mänteln mit Decken auf den Knien und um die Schultern im Zuschauerraum saßen und sich wunderten, wie die Tänzerinnen auf der Bühne das aushielten. Die Sänger hatten Fingerhandschuhe mit abgeschnittenen Kuppen an. Es sei die schönste Aufführung ihres Lebens gewesen, sagte meine Großmutter. Alle haben das gesagt. Nichts zu essen, nichts zu heizen, aber ins Theater gehen, in die Oper gehen, Konzerte anhören! Sagt dir nicht dein gesunder Hausverstand, daß das ein Blödsinn ist? Wenn ein Bedürfnis nicht auf naturgegebene Art befriedigt werden kann, sondern bloß durch Sublimierung, ist man gut beraten, sich das Sublimat genau anzusehen. Man wird feststellen, daß der Ersatz niemals nur symbolisch befriedigt, sondern immer auch recht real, daß er vielleicht nicht bis zur Sattheit befriedigt, aber auf dem Weg dorthin. Man kann gegen den Hunger rauchen, das Nikotin nimmt das Hungergefühl. Gegen das Frieren kann man Schnaps trinken, der wärmt tatsächlich. Musik und Schauspielkunst aber nehmen weder das Hungergefühl, noch wärmen sie. Sie sind nicht Ersatz für Kalbschnitzel und Zentralheizung, und sie sind auch kein Ersatz für verlorene Volksgenossenschaft, und schon gar nicht sind sie ein Trost. Sie nehmen die Langeweile . Kultur gegen Langeweile! Würde mich nicht wundern, wenn die Russen das instinktiv erfaßt hätten. Ich glaube zwar nicht, daß die Soldaten Gontscharow im Tornister hatten, aber im Kopf haben sie ihn vielleicht gehabt. In jedem Russen steckt ein Ilja Iljitsch Oblomow, sagte Ksenia Sixarulize einmal zu mir, eine Freundin aus den späten zwanziger Jahren, die war zwar Georgierin, hat aber ihr Leben lang unter Russen gelebt. Den Menschen war langweilig. Krieg und Bombardierung war eine spannende Sache gewesen. Und der Nationalsozialismus war ebenfalls eine spannende Sache gewesen. Jeder Tag ein Feiertag. Und so weit das Auge reichte, Bedeutung. Alles hatte etwas bedeutet, niemand wußte, was es bedeutete, aber jeder wußte, daß es etwas bedeutete. Bedeutung ist wie Rauschgift. Du willst sie nicht, du brauchst sie. Und du brauchst immer mehr davon. Alles hatte Bedeutung. Und eine höhere Bedeutung dazu. Bald kannst du nicht mehr anders reden als mit erhobener Stimme. Hör dir doch die Radiosendungen von damals an! Das Thema konnte gar nicht banal genug sein, gesprochen wurde darüber in einem Tonfall, als wär’s Parsifal. Auf den simpelsten Paßfotos blicken dir Propheten und Prophetinnen im Zustand der Erleuchtung entgegen. Mit dem 27. April war das vorbei. Die Häuser waren zerstört, die Männer in allen Winden, zu essen gab es nichts, kein Licht, kein Gas und — keinen Sinn des Lebens. Freiheit herrschte. Was man mit der Unfreiheit hätte anfangen sollen, das wußte jeder, man hätte sie bekämpfen sollen, man sagte, man habe sie nicht bekämpfen können, na gut. Aber was sollte man mit der Freiheit anfangen? Sie nützen. Was heißt das? Es gibt nur eines, was man mit der Freiheit anfangen kann: sie vergrößern. Aber darauf kommt man erst mit der Zeit. Jetzt war Friede. Ein sang- und klangloser Friede. Langeweile ist eine ansteckende Krankheit, die Krankheit mit der kürzest denkbaren Inkubationszeit. Ich steckte mich an. Ich habe das zerstörte Wien besichtigt, und am Ende war mir langweilig. Vielleicht war mir ein bißchen weniger langweilig als den anderen, weil die Jahre zuvor auch nicht so spannend für mich gewesen waren. Ich hatte Österreich verlassen, bevor es wirklich spannend wurde, und ich war zurückgekehrt, als es nicht mehr spannend war. Ich hatte keine Ahnung vom Krieg. Ich wußte, was ein Lager ist und daß es dort sehr unkommod sein kann, im Vergleich waren die australischen Lager eine gemütliche Sache, vor allem aber waren sie sicher, sicher vor dem Krieg. Wer würde schon auf die Idee kommen, Australien anzugreifen. Und später, in Los Alamos, war ich zwar mit Krieg beschäftigt gewesen, aber nur theoretisch. Es ist etwas Merkwürdiges: Theorie bringt uns der Praxis nicht näher; wir verstehen vielleicht einiges besser, wie es funktioniert, kausale Abläufe — als man Enrico Fermi vom ersten Atombombenversuch in Alamogordo berichtete und ihm erklärte, daß die Explosion um das Zehnfache gewaltiger war, als die Optimisten vorhergesagt hatten, und als man ihn drängte, er solle die Resolution gegen den Einsatz dieser Waffe unterschreiben, sie werde unfaßbares Elend und nie dagewesene Vernichtung bringen, da sagte er: Laßt mich mit diesen Dingen in Ruh! Es ist doch wunderschöne Physik! Der Schafzüchter in Australien, der vielleicht nicht einmal wußte, daß sein Land sich mit einem Mann namens Hitler im Kriegszustand befand, der hätte sich in seiner Phantasie den Krieg realitätsnäher ausmalen können als wir, die wir wie Mönche auf der Mesa von Los Alamos saßen und Tag und Nacht über die Waffe nachgrübelten, die ihn beenden sollte. Nein, ich hatte keine Ahnung vom Krieg. Nicht die geringste. Ich konnte mir zum Beispiel nicht vorstellen, daß Krieg süchtig machen kann. Ich war zurückgekehrt zu einem Volk von Süchtigen auf Entziehungskur. Zu dieser Einschätzung kam ich nach wenigen Tagen. Die Universität hatte ihren Betrieb zwar bereits im Wintersemester 1945 wieder aufgenommen. Mit dem 1. Mai 1946 hätte ich meine Stelle als Dozent bei den Mathematikern antreten sollen. Aber nichts funktionierte. Überall hingen zwar Kundmachungen der Alliierten aus, in Deutsch, Englisch, Russisch, Französisch, daß sein Studium fortsetzen oder beginnen könne, wer über die nötigen Voraussetzungen verfüge, und wo sich melden solle, wem die eine oder andere Prüfung fehlte. Aber was hieß das schon! Es gab zu wenig Räume und zu viele Studenten oder zu wenig Studenten, je nachdem, in welchem Fachbereich du zu tun hattest. Die Vorlesung, für die ich mich vorbereitet hatte, wurde immer wieder verschoben, immer gaben die Amerikaner andere Gründe dafür an, dann waren es wieder die Briten, niemand wußte über irgend etwas wirklich Bescheid, der größte Teil meiner Zeit bestand aus Warten — und so machte ich mich eben in dieser im Vergleich zu der kolossalischen Weltgeschichte um mich herum winzigen Angelegenheit kundig. Langeweile ist nur mittels Tun zu befrieden, mittels Beschäftigung — was noch lange kein Schaffen, aber vielleicht so etwas wie die kleine Form davon ist; oder die Parodie, was meinst du? Ich jedenfalls habe mich mit der Zergliederung eines Briefes beschäftigt. Entsprach meiner Neigung. Und ein Tun war es auch. Es hatte keinen Sinn — but it makes sense

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