Michael Köhlmeier - Abendland

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Abendland: краткое содержание, описание и аннотация

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"Wenn du dich als Achtjähriger, als Dreizehnjähriger, als Sechzehnjähriger denkst, erkennst du dich in ihnen wieder?"
"Ja. Und sehr gerne dazu."
"Gibt es einen Lebensabschnitt, in dem du dir fremd vorkommst?"
"Zwischen fünfundzwanzig und dreißig ein bisschen fremd. Gestern und vorgestern sehr fremd."
"Glaube, Liebe, Hoffnung. Welche Reihenfolge?"
"Liebe, Hoffnung, Glaube. Wenn ich den anderen dabei zusehe."
"Bei dir selber?"
"Keine Ahnung. Ich denke, das gilt nur bis sechzig oder siebzig. Bei den Auserwählten vielleicht etwas länger." Er lacht.
"Was ist das Größte, das du in deinem leben vollbracht hast?"
Keine Antwort darauf.
"Abendland" ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Generationenroman. Mit großer erzählerischer Kraft wird dargestellt, wie die unterschiedlichsten Menschen jenseits der politischen und historischen Wechselfälle aufeinander angewiesen sind und aneinander hängen, warum sie sich gegeneinander auflehnen und wie sie dann doch ihren Frieden schließen. In einem bewegenden Panorama des 20. Jahrhunderts werden die großen historischen Sündenfälle und die kleinen privaten Reaktionen darauf beschrieben. Ein solches Buch hat es in der deutschen Literatur schon lange nicht gegeben.

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Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, saß Carl reglos in seinem Ohrensessel.

Fortsetzung von Carls Erzählung:

«Ich sagte so leichtfertig, der Brief bedeutete mir nur wenig. Das stimmt nicht. Ich habe ihn mir nämlich sehr oft angesehen, damals, unmittelbar nach dem Krieg, und das ist noch untertrieben: studiert habe ich ihn, analysiert habe ich ihn. Wie ein Detektiv, wie ein Archäologe habe ich ihn unters Vergrößerungsglas gelegt und ihn mir Quadratzentimeter für Quadratzentimeter vorgenommen. Valerie hatte die persönlichen Habseligkeiten unserer Mutter vor mir ausgebreitet und gesagt, ich solle mir aussuchen, was ich gern für mich hätte. Ich habe ein Kleidungsstück genommen, das mich besonders an sie erinnerte, eine moosgrüne Samtbluse mit Goldknöpfen, und den Brief. Valerie fragte, ob ich etwas dagegen hätte, wenn sie den Hoffmann-Sekretär nähme. ›Das ist eine sehr gute Idee‹, sagte ich.

Ich habe mich bei meiner Analyse nicht auf den Inhalt des Briefes, sondern zunächst nur auf die Schrift konzentriert. Was wollte ich? Etwas über meinen Vater herausbringen? Vielleicht. Und was? Es hätte mir gefallen, meinen Vater als interessanten Kerl zu entlarven. Ich wußte so gut wie gar nichts über Graphologie, zweifelte sogar, ob sich aus der Schrift eines Menschen überhaupt auf dessen Charakter schließen ließe. Aber angenommen, es läßt sich, so doch nur, wenn die Schrift genügend Individualität aufweist, genügend Abweichung von der Norm, was auch immer als solche bezeichnet wird. Und nun schau dir diese Schrift an! Mit freiem Auge betrachtet — mit unbewaffnetem Auge, wie es heißt —, gleicht sie einer Druckvorlage. Nicht der Norm nur ähnlich, sondern die Norm selbst ist sie. Du mußt dir nur ansehen, wie er die Zeilen hält. Er hat wahrscheinlich ein Zeilenpapier unter das Briefpapier gelegt. So viel Korrektheit ohne Hilfe wäre ja auch monströs. Oder schau dir die Abstände zwischen den Worten an. Immer gleich. Bis auf den Millimeter gleich. Wie bei einer Schreibmaschine. Oder die Schräglage. Immer im selben Winkel. Es gab Schreibunterlagen, die nur aus horizontalen Linien bestanden, und es gab solche, die kariert waren, und bei den Karierten gab es wieder welche mit lotrechten Linien und welche mit rechtsschräg geneigten Linien — ich nehme an, letztere hat er verwendet. Die Abstände der vertikalen Linien hat er als Maßstab für die Abstände der Wörter voneinander genommen. Jemand, der viel schreibt, braucht das alles nicht. Den stört auch nicht, wenn seine Schrift am Zeilenende nach oben oder nach unten läuft oder wenn die Abstände zwischen den Wörtern verschieden groß sind, und all das andere. War mein Vater ein Pedant? Anzunehmen. Zeilenvorlage, Vorlage für den Neigungswinkel der Schrift und Vorlage für Wortabstände — also bitte! Andererseits wollte er einen guten Eindruck bei seinem Schwiegervater hinterlassen. Wie erweckt man einen guten Eindruck bei jemandem, der einen nicht kennt und den man selbst auch nicht kennt? Mein Vater war im Geist von Vorfahren erzogen worden, die der Kaiser für ihre Subalternität geadelt hatte. Das heißt für ihre Pedanterie. Kann es aber nicht sein, daß er den Pedanten lediglich gespielt hat? Sogar etwas übertrieben gespielt hat? Ja, übertrieben, finde ich, arg übertrieben sogar. Vielleicht deswegen so arg übertrieben, weil er eine Schwäche kaschieren wollte? Nämlich daß er in Wahrheit das genaue Gegenteil eines Pedanten war? Was aber ist das Gegenteil von Pedanterie? Was, glaubte mein Vater, hielt mein Großvater für das Gegenteil von Pedanterie? Liederlichkeit. Er wollte unter gar keinen Umständen für liederlich gehalten werden. Weil er liederlich war?

Ich neige zu einsamen, unsinnigen Beschäftigungen. Wahrscheinlich bin ich deswegen Mathematiker geworden. Zwei durchaus einander widersprechende Eigenschaften trifft man bei Mathematikern sehr häufig an: Sie wollen sich selbst frei von nützlicher Arbeit halten und sind der Meinung, die Welt sei von Grunde auf vernünftig und deshalb bis in ihre Verästelungen logisch deduzierbar. Die Welt um mich herum war in Scherben zerschlagen, und ich vertrieb mir die Zeit mit der Analyse eines Schriftstücks. Und ich war glücklich dabei. Mein Großvater und meine Großmutter hielten sich rund um den Tag in den beiden Zimmern auf, die ihnen geblieben waren, im Westflügel des dritten Stockes, Bibliothek und Rauchsalon. In den Augen meines Großvaters glaubte ich eine Verwirrung zu erkennen, sie blickten heiter und unbesiegt, aber sie schienen nicht von den wirklichen Kämpfen zu erzählen, die er bestanden hatte — gegen Heckenschützen und Tiefflieger, gegen die panisch marodierende SS oder gegen das plündernde Wienerherz —, sondern von Kämpfen, die nicht in dieser Welt geschehen waren — gegen Drachen, Windmühlen, den Nemeischen Löwen und die Lernäische Hydra. Er hockte vor der Bücherwand wie ein Zerberus, weil hinter Grillparzer, Schopenhauer, Goethe, Herder, den gebundenen Verlautbarungen der Deutschen Bühnengesellschaft oder wie das Blatt hieß und all den anderen papierenen Zeugen des deutschen Humanismus die letzten Spezereien und Fleischkonserven, Schokoladetafeln und Kaffeepakete und was sonst noch alles für Delikatessen versteckt waren, die er vor der restlosen Plünderung aus der Wollzeile gerettet hatte und die angesichts des allgemeinen Mangels an Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Salz, Zucker und Fett lächerlich wirkten wie ein Schiffsticket erster Klasse auf dem Mond. ›Wir müssen halt schauen, daß wir nicht allzuviel Pech haben‹, sagte er. Der Tod war die schlimmste Form von Pech haben. Er war abgemagert. Die Esserei langweile ihn, sagte er und hob dabei hilflos kokett die Schultern. Nichts von seiner gebieterischen, reizbaren Art war geblieben. ›Gib acht‹, sagte er, ›wenn du heute in Wien in einem Kaffeehaus eine gute Tasse heißer Schokolade kriegst, stammt sie vom Bárány!‹ Das sollte heißen: aus den geplünderten Beständen. Und damit hatte er wahrscheinlich recht. Wir hatten das größte Kakaolager Wiens besessen, und nun war fast alles weg. ›Willst du nicht in die Stadt gehen?‹ neckte er. ›Geh doch, Carl Jacob! Geh ins Mozart, trink eine Schale und beschreib mir, wie die Schokolade geschmeckt hat! Und wenn’s dort einen Kuchen gibt, einen feuchten englischen mit Ingwer und Orangeat und Zitronat, iß so einen! Und laß dir eine Rechnung geben! Das setzen wir als Werbekosten ab.‹ Um sein Geschäft hatte er sich stets mehr gesorgt als um sein Leben. Als sogenannter Vierteljude war er unter den Nazis zwar nicht zum Tragen des Judensterns gezwungen worden, aber jüdischer als er konnte man nicht aussehen, er hätte das Casting für Jud Süß spielend bestanden. Seinen Ahnenpaß, oder wie dieses Ding hieß, hatte er immer bei sich. Nur: Daß bedrucktes Papier gegen Wahnsinn und Niedertracht nichts auszurichten vermochte, dafür war die Bibliothek in seinem Rücken ein imposanter, staubfängerischer Zeuge.

Meine Großmutter saß neben ihm auf einem Luftschutzbett, weil unser imperiales altrosa Bibliothekssofa von der sogenannten mobilen Ordnungstruppe der österreichischen Freiheitsbewegung ›Volksfront‹ beschlagnahmt worden war. Kommunisten, Sozialdemokraten und Katholiken! Zum Lachen! Arschkriecher in alle vier alliierten Richtungen! Da saß sie, das Kinn an den Hals geklemmt, um den Mund herum verschrumpelt wie eine Backpflaume, ignorierte den fröhlichen Sarkasmus ihres Mannes und sortierte Lebensmittelkarten und Bezugsscheine und verfaßte Beschwerdebriefe an die amerikanischen und die britischen Kommandanturen, weil die Offiziere in den beschlagnahmten Räumen des Hauses — Mezzanin und zweiter Stock (das Erdgeschoß hatten Plünderer völlig zerstört) — ihre Radios zu laut spielten, nicht lüfteten, nicht kehrten und nicht wischten — absurd, wenn man wußte, wie sich die Russen in den von ihnen requirierten Unterkünften aufführten. Außerdem hatte das Haus nicht einen Kratzer durch Bomben abbekommen, irgendwelche Idioten hatten die Tympana über den beiden Hauseingängen zerschossen, das war alles. Die amerikanischen und britischen Soldaten waren höflich zu uns. Einer war dabei, ein Bodybuilder aus Philadelphia, der, wann immer es sein Dienst erlaubte, im Unterhemd herumlief, auf den Oberarmen kleine popeyehafte Tätowierungen, der klopfte manchmal an und brachte meiner Großmutter nette Dinge, einen Strauß Blumen oder eine Orange. Ihm gelang es auch, diese jämmerliche Säuerlichkeit zu vertreiben, die so ganz und gar nicht in ihr Gesicht paßte. Vielleicht erinnerte ihn meine Großmutter an seine Großmutter, wahrscheinlich war er einfach nur ein netter boy .

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