Er lachte. »Du und meine Frau.« Er nickte zu Juts auf dem hölzernen Tanzboden hinüber. Papierlaternen schwankten über den Köpfen. Ein Schwarm von Männern umschwirrte Juts. Sie hatte ein phantastisches Rhythmusgefühl und eine wunderschöne Figur. Die Männer konnten ihre Blicke nicht von der tanzenden Juts wenden.
Maizie weinte jetzt richtig. »Ich kriege nie einen Freund. Ich werde nie Verehrer haben wie Tante Juts.«
»Süße, das wirst du bestimmt. Und jetzt Kopf hoch! Das hübscheste Mädchen auf dem Ball darf doch nicht weinen. Sonst machen die Leute sich noch Gedanken.«
Sie schniefte: »Und weißt du was? Mary tanzt mit allen.« Sie schluchzte laut. »Sie sagt, Mom hat gesagt, sie soll mit mehr Jungs tanzen als nur mit Extra Billy, also tut sie's, und sie gibt mir keinen ab.«
Er küßte sie auf den Kopf und wiegte sie ein wenig, seinen Arm um ihre Schultern gelegt, denn er wußte nicht, was er noch tun oder sagen konnte.
Eine reizende junge Frau trat an den Tisch. Sie beugte sich herab und sprach Maizie an.
»Ich habe zufällig mitgehört. Komm mit mir auf den Tanzboden. Ich bringe dir ein paar neue Schritte bei.«
Chester stand auf. »Hallo, ich bin Chester Smith, und dies ist meine Nichte Maizie Trumbull.«
»Trudy Archer. Ich bin gerade von Baltimore hierher gezogen.« Sie schenkte ihm ein betörendes Lächeln. Er schätzte sie auf zwanzig oder vielleicht zweiundzwanzig.
»Willkommen in Runnymede. Wir sind nur ein kleiner Spucknapf« - er lächelte -, »aber wir packen eine Menge Leben in dieses Nest.«
»Das sehe ich. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Maizie mit auf den Tanzboden nehme?« Sie hielt kurz inne. »Ich mache in der Hanover Street eine Tanzschule auf. Ich bin in Baltimore im Fred-Astaire-Studio ausgebildet worden.«
Maizie war schon aufgestanden. Chester nickte zum Einverständnis, und Trudy führte das Mädchen auf die Seite, zeigte ihr ein paar Grundschritte, wirbelte sie dann herum. Maizie war hingerissen. Extra Billy kam vorbeigeschlendert. Er behielt Mary im Auge, die beherzt mit allen tanzte, um ihre Mutter zufrieden zu stellen. Chester winkte ihn zu sich.
»Sir?« Extra Billy straffte die breiten Schultern.
»Ich helfe dir, wenn du mir hilfst.«
»Ja, Sir.« Billy achtete Chester. Das taten die meisten Männer, und nicht nur wegen Chessys kräftigem Körperbau, sondern weil er, wie die Jungs sagten, kein Hosenscheißer war.
»Ich helfe dir bei der Meade-Statue, wenn ihr mit Maizie tanzt, du und deine Freunde. Sie ist in einem schwierigen Alter, und sie hat sich die Augen ausgeheult.« Er hielt kurz inne. »Und weißt du, Bill, es könnte nicht schaden, wenn du dir bei Louise Trumbull ein paar Sporen verdienst. Laß den Abend noch ein bißchen fortschreiten, und dann solltest du Louise zum Tanzen auffordern und ihr sagen, daß sie aussieht wie Marys Schwester.«
Extra Billy lächelte. »Ja, Sir. Danke, Sir.«
Als Trudy Maizie an den Tisch zurückführte, reichte Extra Billy ihr seinen Arm. »Maizie.«
»Oh«, quiekte sie.
Trudy lächelte, als Chester wieder aufstand. »Bitte leisten Sie mir Gesellschaft. Meine Frau kommt erst an den Tisch zurück, wenn das Fest vorbei ist. Ich war immer der Meinung, sie könnte mit Fred Astaire tanzen.« Er deutete auf Julia Ellen.
»Ein echtes Naturtalent«, würdigte Trudy Julias Gabe. »Sie tanzen nicht?«
»O nein.«
»Sie sehen aber wie ein Sportler aus.«
»Ich kann wohl einen Ball werfen oder treffen, aber, Miss Archer, ansonsten bin ich ziemlich ungelenk.«
»Wenn Sie in meine Tanzschule kommen, gebe ich Ihnen eine Gratisstunde.« Als er zögerte, setzte sie nach. »Wäre es nicht wunderbar, Ihre Frau in die Arme zu nehmen und sie zu überraschen? Das würde ihr sicher gefallen.«
Chester blickte ihr in die klaren, beunruhigend grünen Augen und hörte sich sagen: »Ah - ich kann Sie nicht derart ausnutzen, Miss, aber tanzen würde ich schon gern können. Ich fürchte, alle werden mich auslachen.«
»Eine Gratisstunde. Und ich verspreche, ich verspreche Ihnen, daß niemand lachen wird - sonst bekommen Sie Ihr Geld zurück.«
»Abgemacht.«
»Dienstag um halb sieben?«
»Bis dann, Miss Archer.«
»Ach bitte, nennen Sie mich Trudy. Miss Archer hört sich an, als würde ich Scheibenschießen unterrichten.« Sie erhob sich, und er stand erneut auf. Sie warf ihm über die Schulter ein strahlendes Lächeln zu. Er setzte sich hin und fragte sich, warum um alles in der Welt er so eine idiotische Zusage gemacht hatte.
Maizie kam zurück, als der Tanz vorbei war, doch ehe sie sich setzen konnte, griff Ray Parker, Billys bester Freund, nach ihrem Arm. »Komm, Maizie, ich brauch 'ne Freundin.«
»Mensch, Onkel Chessy, das ist irre«, schwärmte sie, dann wirbelte sie davon.
Wie ihm aufgetragen worden war, forderte Extra Billy Louise zum Tanzen auf. Sie reagierte zunächst etwas steif, wies ihn aber nicht zurück. Das hätte gegen den Benimmkodex der Südstaaten verstoßen. Paul, erschöpft vom Tanzen, setzte sich zu Chester an den Tisch.
»Kaltes Bier.« Chester schob dem ausgetrockneten Paul ein frisches Bier hin.
Paul kippte es dankbar hinunter. »Celeste Chalfonte mag ja über sechzig sein, aber sie hat mich geschafft.«
»Sie ist unglaublich.«
Pearlie erblickte Louise in den Armen von Extra Billy. »Was sagt man dazu? Der Junge hat Mumm.«
»Der Junge wird vermutlich dein Schwiegersohn, also sollten wir besser überlegen, wie wir mit ihm zurechtkommen.«
Ein Schatten huschte über Pearlies Gesicht. »Ich glaube, du hast Recht. Was würdest du tun?«
»Nun, er ist jung, rebellisch, aber er ist nicht bösartig. Ich würde ihn ins Geschäft aufnehmen, wenn er meine Tochter heiraten würde. Natürlich ist es leicht für mich, Ratschläge zu erteilen, Pearlie, ich habe keine Tochter.«
»Das kommt noch«, versicherte Pearlie seinem Schwager, den er lieben gelernt hatte. Er wußte, dies war ein heikles Thema. »Da ist was dran. Wenn ich ihn ins Geschäft reinnehme, angenommen, sie heiraten, kann ich ihn im Auge behalten. Ich glaube nicht, daß sich irgend jemand groß um den Jungen gekümmert hat.«
»Wohl nicht.«
Die Familie Bitters vermehrte sich wie die Karnickel und überließ die Kinder dann ihrem Schicksal.
Der Tanz war zu Ende, und Extra Billy geleitete Louise an den Tisch zurück. Er verbeugte sich vor ihr und ging.
»Alle Achtung«, bemerkte Pearlie.
Darum bemüht, sittsam und pikiert zu klingen, sagte Wheezie: »Ich mußte mit ihm tanzen.«
»Ich bin froh, daß du's getan hast, Schatz.« Pearlie hieß ihren Entschluß gut und stellte insgeheim fest, daß sie ausgesprochen jugendlich wirkte.
Walter Falkenroth trat zu ihnen. »Paul, ich will Ihre Frau«, scherzte er.
»Sie ist sehr begehrt.« Pearlie lächelte, als Louise schnell einen Schluck Sodawasser trank und Walter auf den Tanzboden folgte.
Paul kehrte zu Chessy zurück. »Extra Billy war so vernünftig, meine Frau zum Tanzen aufzufordern. Er ist vielleicht doch klüger, als ich dachte.«
»Tja.« Chessy lächelte.
Ein kalter, dichter Nebel legte sich auf ihre Wangen. Der Scheinwerfer der Lokomotive glühte diffus in der silbrigen Feuchtigkeit und zog vorbei, gefolgt von den dunkelgrünen stromlinienförmigen Pullmanwagen, die am Bahnsteig hielten.
Doak Garten, der junge Gepäckträger, wartete abseits. Auf seinem Karren türmten sich Ramelles kostspielige Koffer. Dieser Zug brachte sie nach Washington D.C. wo sie in einen anderen Zug umsteigen würde, der sich durch den Süden schlängelte. In New Orleans blieben ihr ein paar Stunden Zeit, um bei Kaffee und Jazz zu verweilen. Das üppige Grün des Südens würde dem Braun, Senfgelb und Ziegelrot des Südwestens weichen. Ziel der Reise war Los Angeles, das träge zwischen den San Gabriel Mountains und dem Pazifischen Ozean ruhte.
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