Er senkte den Kopf. Ein Gefühl der Schmach durchzuckte ihn. Seine letzten Worte an diese Frau, die zu lieben er geschworen hatte, waren Worte des Zorns gewesen, und es gab keine Möglichkeit, diese Schuld zurückzurufen. Er war zu dumm gewesen, um ihr zu helfen, war sich irgendwie sicher gewesen, dass sie immer da sein würde und dass all der Streit und all die hässlichen Worte keine Rolle spielten. Jetzt war sie tot, und er drückte die geballte Faust an die Stirn, voller Zorn auf sich selbst, drückte immer fester und fester und hieß den Schmerz, der sich allmählich einstellte, willkommen. Wie hatte er vor ihr geprahlt: Seine Feinde würden fallen und sie wäre in Sicherheit.
Schließlich erhob er sich, konnte sich jedoch nicht von ihr abwenden.
Eine Stimme durchbrach die Stille.
»Nein! Geh nicht da hinein!«
Es war Clodia, die von draußen rief. Julius wirbelte herum, seine Hand fuhr zum Schwert.
Seine Tochter Julia kam hereingerannt und blieb wie angewurzelt stehen, als sie ihn erblickte. Instinktiv drehte er sich so, dass er ihr die Sicht auf Cornelia versperrte, ging dann auf sie zu und hob sie auf seinen Arm.
»Mama ist tot«, sagte sie, und er schüttelte den Kopf, während ihm die Tränen über das Gesicht rannen.
»Nein, nein, sie ist immer noch hier, und sie hat dich lieb«, sagte er.
Pompeius’ Männer würgten bei dem Geruch der Verwesung, der von dem Mann ausging, den sie festhielten. Die Haut, die sie unter dem Umhang spürten, schien sich unter ihrem Griff leicht zu bewegen, und als sie ihre Hände verschoben, keuchte der Mann unter der Kapuze vor Schmerz auf, als wäre etwas von ihm weggerissen worden.
Vor ihnen stand Pompeius; seine Augen leuchteten böse. Neben ihm standen zwei junge Mädchen, die sie in dem Haus, das tief im Labyrinth der Gassen zwischen den Hügeln versteckt war, gefunden hatten. Ihre Gesichter waren vor Furcht verkniffen, doch da sie nirgendwohin fliehen konnten, verharrten sie in angsterfülltem Schweigen. Die Bedrohung war eindeutig. Pompeius wischte sich eine Schweißspur von der Wange.
»Zieht ihm die Kapuze herunter«, sagte er. »Ich will den Mann sehen, der meine Tochter ermordet hat.«
Die beiden Soldaten zerrten den groben Stoff zurück und wandten angewidert den Blick ab, als sie sahen, was sie enthüllt hatten. Der Meuchelmörder funkelte sie wild an, sein Gesicht bestand fast nur aus Pusteln und Schorf. Kein einziges Fleckchen gesunder Haut war zu sehen, und als er das Wort an sie richtete, platzte die verschorfte und blutende Haut an mehreren Stellen auf.
»Ich bin nicht der, den ihr sucht«, flüsterte er.
Pompeius bleckte die Zähne. »Du bist einer von ihnen. Du kannst mir einen Namen nennen. Aber für das, was du getan hast, gehört dein Leben mir, und ich werde es nehmen.«
Die wässrigen Augen des Mannes huschten zu den beiden Mädchen hinüber, die vor Angst zusammenzuckten. Hätte Pompeius es nicht bereits vermutet, so hätte er jetzt gewusst, dass sie seine Töchter waren. Der Senator kannte diese Angst nur allzu gut. Der Mörder sprach rasch, als wollte er überspielen, was er ihnen offenbart hatte.
»Wie hast du mich gefunden?«
Pompeius zog ein Messer aus seinem Gürtel. Die Klinge blinkte sogar im spärlichen Licht des Zimmers.
»Es hat mich Zeit, Gold und das Leben von vier guten Männern gekostet, dir auf die Spur zu kommen, aber der Abschaum, den du für dich arbeiten lässt, hat dich endlich doch verraten. Man hat mir gesagt, du baust dir ein schönes Anwesen im Norden, weit weg von diesem Loch hier. Und das mit meinem Blut. Hast du wirklich geglaubt, ich würde den Mörder meiner Tochter einfach vergessen?«
Der Mann hustete. Sein Atem wurde von dem süßen Parfüm überdeckt, das er benutzte, um die Fäulnis zu verbergen.
»Es war nicht mein Messer, das…«
»Es war dein Befehl. Wer hat dir den Namen genannt? Wessen Gold hast du dafür genommen? Ich weiß es ohnehin, aber ich möchte, dass du ihn vor Zeugen aussprichst, damit ich der Gerechtigkeit Genüge tun kann.«
Einen langen Augenblick verfingen sich ihre Blicke ineinander, dann schaute der Mörder auf die Klinge, die Pompeius so lässig in der Hand hielt. Seine Töchter schauten mit trocknenden Tränen zu. Sie verstanden die Gefahr nicht, und er hätte angesichts ihrer Unschuld weinen können, als sie ihren Vater so vertrauensvoll ansahen. Seine Entstellungen schreckten sie nicht. Im Gegenteil, er wusste, dass er sich ohne die sanften Bäder, die sie ihm verabreichten, schon vor langer Zeit das Leben genommen hätte. Sie waren nicht von der Krankheit befallen, ihre Haut war unter dem Schmutz, mit dem sie sich beschmierten, um sich von den Raubtieren in den Gassen und Winkeln zu schützen, unversehrt. Wer würde für sie sorgen, wenn er nicht mehr da war? Er kannte Pompeius gut genug, um zu wissen, dass sein eigenes Leben zu Ende war. Seit dem Tod seiner Tochter war keinerlei Erbarmen mehr in ihm, sollte er je so etwas gekannt haben.
»Lass meine Töchter frei, und ich nenne ihn dir«, keuchte der Mörder und blickte ihn flehend an.
Pompeius knurrte leise und packte dann die Jüngste grob an den Haaren. Mit der anderen Hand zog er ihr den Dolch durch die Kehle und ließ das zuckende Mädchen zu Boden fallen.
Der Mörder schrie gleichzeitig mit der Schwester auf und versuchte, sich aus dem Griff der Männer loszureißen. Dann fing er an zu weinen und sackte in sich zusammen.
»Jetzt weißt du, wie sich das anfühlt«, sagte Pompeius und wischte die Klinge zwischen zwei Fingern ab. Das Blut fiel in schweren Tropfen geräuschlos auf den Boden aus gestampfter Erde. Er wartete geduldig, bis der Kopf des Mörders nur noch in ersticktem Schluchzen zuckte.
»Die andere bleibt vielleicht am Leben. Ich frage dich ein letztes Mal. Wessen Gold hast du dafür genommen?«
»Catos… es war Cato, durch Antonidus. Mehr weiß ich nicht, ich schwöre es.«
Pompeius wandte sich an die umstehenden Soldaten. »Habt ihr es gehört?«
Sie nickten, ihre Gesichter waren ebenso grimmig wie das ihres Heerführers.
»Dann haben wir hier nichts mehr verloren.« Er wandte sich zum Gehen. Nur ein kleiner Fleck auf seiner Hand zeugte davon, dass er jemals hier gewesen war.
»Tötet sie beide. Das Mädchen zuerst«, sagte er, bevor er in das Gewirr der Gassen hinausschritt.
»Ist er wach?«, erkundigte sich Julius. Das Zimmer roch nach Krankheit. Tubruk lag auf einem Bett, auf dem rostrote Flecken seines Blutes zu sehen waren. Bevor er eingetreten war, hatte Julius gewartet, bis die Tränen seiner Tochter versiegt waren, dann hatte er sanft ihre Finger von seinem Hals gelöst. Sie hatte noch einmal geweint, doch er wollte sie nicht in noch ein Sterbezimmer bringen. Clodia hatte eine junge Sklavin beauftragt, sich um Julia zu kümmern. An der Art und Weise, wie sich das kleine Mädchen in ihre Arme schmiegte, sah man, dass die Frau das Kind in den vergangenen schrecklichen Tagen schon öfter getröstet hatte.
»Vielleicht wacht er auf, wenn du ihn ansprichst«, sagte Clodia,« aber er hat nicht mehr viel Zeit.« Sie spähte in das Zimmer, und ihr Gesicht verriet ihm mehr als er wissen wollte. Bevor er eintrat, schloss er einen Moment lang die Augen.
Tubruk lag seltsam verdreht da. Auf seiner Brust waren frische Nähte zu sehen, die unter der Decke verschwanden. Er schien zu schlafen, doch er zitterte, und Julius zog die Decke höher, um ihn wärmer zuzudecken. Um seinen Mund zeigten sich Spuren frischen, hellroten Blutes. Clodia hob eine Schale mit rötlichem Wasser vom Boden auf und tupfte den Blutstreifen ab, während Julius verzweifelt zusah. Viel zu viel war passiert, um es alles auf einmal zu begreifen, und während Clodia die Lippen und die nässenden Stiche mit fürsorglicher Zärtlichkeit abwusch, stand er wie erstarrt da.
Tubruk stöhnte und öffnete bei ihrer Berührung die Augen. Er schien nicht klar zu sehen.
Читать дальше