Cato sah sich um und spuckte auf die Steine des Forums. Er sah die Senatoren und die vielen Bürger, die sich versammelt hatten, um seiner Hinrichtung beizuwohnen. Dieses eine Mal schien keine Gefahr von der Menschenmenge auszugehen. Er war bei den Bewohnern der Stadt nie besonders beliebt gewesen, als könne irgendjemand sich darum scheren, was sie dachten oder taten. Abermals spuckte er aus und schürzte angesichts des wartenden Pöbels verächtlich die Lippen. Tiere waren sie, einer wie der andere, ohne Verständnis dafür, dass es einem großen Manne zustand, das Gesetz in seinen Händen zu formen, wie es ihm beliebte. Marius hatte das gewusst, und Sulla auch. Keiner dieser anderen würde je verstehen, dass es kein Gesetz gab, außer dem, das man in Händen halten konnte.
Cato hörte Schritte, drehte sich um und sah Pompeius auf sich zukommen. Er verzog das Gesicht. Der Mann hatte nicht einmal genug Stil, ihn sterben zu lassen, ohne noch ein paar Worte des Hohns und der Verachtung an ihn zu richten. Er war zu nichts Großem geschaffen. Sulla hätte seinem Feind die Würde eines Todes in aller Zurückgezogenheit gewährt, ganz gleich, was zwischen ihnen vorgefallen sein mochte. Er war ein Mann gewesen, der begriffen hatte, was Macht wirklich bedeutete.
Pompeius beugte sich so weit vor, dass er Cato ins Ohr flüstern konnte.
»Deine Familie wird in der Sklaverei nicht lange durchhalten. Ich habe sie alle selbst gekauft«, raunte die gehässige Stimme.
Cato sah ihn kalt an.
»Germinius auch?«, fragte er.
»Er wird die letzte Schlacht nicht überleben.«
Cato musste lächeln. Er fragte sich, ob es Pompeius leichter fallen würde als ihm selbst, Julius und Brutus zu bändigen. Trotzig hob er den Kopf. Es schien ihm passend, dass sein Geschlecht mit ihm enden sollte. Er hatte von Königen aus grauer Vorzeit gehört, die befohlen hatten, ihre Familien lebendig auf ihre Scheiterhaufen zu werfen. Pompeius war ein Narr, weil er versuchte, ihm wehzutun.
»Du wirst einen Tag wie diesen erleben«, sagte er zu Pompeius. »Du bist ein zu kleiner Mann, um eine Stadt wie diese lange in der Hand zu halten.« Als Pompeius’ Gesicht sich in einem zornigen Krampf verzerrte, lachte er laut.
»Nimm dein Schwert und bring es zu Ende«, fuhr der Feldherr den Henker an, der sich tief verbeugte, während Pompeius zu den wartenden Senatoren zurückging.
Cato nickte dem Mann zu. Auf einmal fühlte er sich sehr müde, fast benommen.
»Heute nicht, Bursche. Manche Dinge muss ein Mann mit eigener Hand erledigen«, murmelte er und zog ein schweres Armband von seinem Handgelenk. Mit dem Daumen ließ er eine rasiermesserscharfe Klinge aus dessen Rand hervorgleiten und wandte sich mit höhnischem Grinsen der Menge zu. Dann schnitt er sich mit einer kurzen Handbewegung seitlich in die Kehle, durchtrennte die große Schlagader und wartete, während das Blut über seine weiße Haut sprudelte.
Der Henker machte einen Schritt auf ihn zu, doch Cato hatte noch genug Kraft, eine Hand zu erheben und die Klinge zurückzuweisen. Die Menge sah mit viehischer Faszination zu, wie seine Beine zu zittern anfingen und er plötzlich mit hörbarem Krachen auf die Knie fiel. Selbst dann starrte er sie alle noch einmal an, ehe er zur Seite kippte.
Als die Anspannung des Todes sich löste, seufzten die versammelten Bürger erleichtert. Trotz der Verbrechen, die sie einander zugeflüstert hatten, hatte der Mut des Senators ihnen den Spaß verdorben. Die Menge zerstreute sich lautlos und die Menschen gingen mit gesenkten Köpfen und mehr als nur ein paar gemurmelten Gebeten an dem zusammengesunkenen Leichnam vorbei.
Pompeius kniff wütend die Lippen zusammen. Bei so einem Ende fehlte die Genugtuung der Rache, und er kam sich vor, als wäre ihm etwas gestohlen worden. Dann gab er seinen Leibwächtern ein Zeichen, die Leiche wegzuschaffen, und wandte sich an Julius.
»Jetzt ziehen wir nach Süden und bringen diese Geschichte zu Ende«, sagte er.
Der Feldherr blickte Crassus verwundert an.
»Herr, du sprichst von über zwanzig Meilen unwegsamem Gelände! Ich bitte dich, die Angelegenheit noch einmal zu überdenken. Wir sollten eine zentrale Position einnehmen und uns darauf vorbereiten, sie nicht durchbrechen zu lassen.«
Crassus wartete, bis der Mann ausgeredet hatte, und klopfte dabei nervös mit den Fingern auf den Tisch. Er war sicher, dass es die einzige Möglichkeit war. Die Sklaven saßen mit der Küste im Rücken in der Falle, und wenn Pompeius die Galeeren erreicht hatte, gab es niemanden, der sie dort abholte. Er brauchte sie nur einzuschließen und auf dem Flecken Erde am Ende des Landes festzuhalten. Er warf einen Blick auf Pompeius’ Landkarte an der Wand. Die Entfernung sah darauf so winzig aus.
»Meine Befehle sind klar und deutlich, Kommandant. Pompeius bringt ausgeruhte Legionen aus dem Norden. Wir halten hier durch, bis sie ankommen, und ich will einen Befestigungswall quer durch das Land. Und jetzt verschwende meine Zeit nicht länger.« Seine Stimme klang ein wenig bedrohlich. Der Mann wäre bestimmt nicht so widerspenstig, wenn Pompeius ihm den Befehl gegeben hätte. Es war unerträglich.
»Raus!«, blaffte Crassus ihn an und erhob sich von seinem Stuhl. Sobald er wieder allein war, ließ er sich zurücksinken, rieb sich nervös die Stirn und richtete den Blick abermals auf die Landkarte.
In der Nacht ließ ihn jedes Geräusch aufschrecken, aus Angst, die Sklaven wären durchgebrochen und zögen nun mordend und plündernd durch das Land. Das durfte auf keinem Fall geschehen. Zuerst hatte er sie bis zum Meer treiben und dort zermalmen wollen; was aber, wenn sie so kämpften wie im Norden? Nachdem ihnen der Rückweg abgeschnitten war, würden sie mit dem Mut der Verzweiflung gegen die römischen Linien anrennen, und Crassus wusste, dass das sein Ende bedeutete, selbst wenn er die Schlacht überlebte. Der Senat würde seine Hinrichtung verlangen. Er verzog das Gesicht. Wie viele von ihnen hatten Schulden, die nur durch seinen Tod getilgt würden? Er konnte sich ihre scheinheiligen Gesichter vorstellen, mit denen sie im Senat über sein Schicksal debattierten. Seit Pompeius ihn verlassen hatte, verstand er den Druck ein wenig besser. Er konnte niemanden fragen, musste sämtliche Entscheidungen allein treffen.
Er ging zur Landkarte und fuhr mit dem Finger über die schmalste Stelle des Landes, ganz unten an der Spitze.
»Wir halten euch hier fest, bis die neuen Legionen eintreffen«, sagte er mit gerunzelter Stirn. Zwanzig Meilen aufgeschütteter Erde. So ein Wall war noch nie zuvor errichtet worden, die Bürger von Rom würden ihren Kindern erzählen, wer das getan hatte. Crassus, der eine Mauer quer durch das Land gezogen hat. Noch einmal fuhr er mit dem Finger über die Stelle, dann wieder und wieder, bis auf dem Pergament eine dunkle Linie sichtbar wurde.
Das müsste sie aufhalten, es sei denn, Pompeius war es nicht gelungen, genug Galeeren aufzutreiben, um eine Flucht der Sklaven über das Meer zu verhindern. Dann würde er, Crassus, natürlich zum Gespött des ganzen Landes werden, einer, der nichts als leere Äcker und Steine bewachte. Er schüttelte den Kopf, um sich zu sammeln, setzte sich wieder hin und überlegte weiter.
Nach der Verzögerung durch Catos Hinrichtung trieb Pompeius die griechischen Legionen ohne Rast nach Süden. Es waren die Veteranen von den Grenzen Griechenlands, mit einer großen Anzahl Hastati und Triarii zur Stärkung der jüngeren Männer. Sobald sie ihre Sandalen auf die Via Appia setzten, passierten sie am ersten Tag fünfunddreißig Meilensteine. Pompeius war klar, dass das Marschtempo abnehmen würde, sobald sie gezwungen waren, die gepflasterte Straße zu verlassen, doch selbst wenn die Sklaven zur äußersten Spitze des Landes marschiert waren, wusste er, dass er die griechischen Legionen in weniger als zwei Wochen zu ihnen bringen konnte.
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