Denselben Abend beim Kartenspiel meldete mir Graf Alexander Schuwaloff seitens der Kaiserin, sie habe meinen Damen verboten, verschiedene Putzsachen zu tragen, die in einer öffentlichen Bekanntmachung einzeln aufgezählt waren. Um ihm nun zu zeigen, wie Seine kaiserliche Hoheit mich in bezug auf mein Benehmen gegen die Schuwaloffs gebessert hatte, lachte ich ihm direkt ins Gesicht und sagte, er hätte sich die Mühe sparen können, mir diesen Befehl zu übermitteln, denn ich trüge nie etwas, was Ihrer kaiserlichen Majestät mißfiele. Außerdem suche ich mein Verdienst weder in der Schönheit, noch in der Kleidung, denn wenn die eine dahin sei, werde die andere lächerlich; der Charakter allein sei dauernd. Er hörte mich bis zu Ende an, blinzelte dann, wie es seine Gewohnheit war, mit dem rechten Auge und ging, während ich seine Grimasse hinter ihm nachäffte, worüber die ganze Gesellschaft laut auflachte.
Einige Tage nachher teilte mir der Großfürst mit, er wolle die Kaiserin wegen seiner holsteinschen Angelegenheiten, welche sich mehr und mehr verschlimmerten, um Geld bitten; Brockdorf habe ihm diesen Rat gegeben. Daß dies nur ein Köder war, den man ihm hinhielt, damit er seine ganze Hoffnung, Geld zu erhalten, auf die Schuwaloffs setzen sollte, sah ich nur zu gut und fragte ihn deshalb, ob man nicht auf andere Weise Geldmittel auftreiben könnte. Er erwiderte, er wolle mich mit den Forderungen der Holsteiner bekannt machen, und tat es. Nachdem ich die Papiere, die er mir zeigte, durchgelesen, sagte ich zu ihm, mir scheine, er könne sich's ersparen, seine Tante um Geld anzukriegen, zumal sie wohl seine Bitte abschlagen werde, nachdem sie ihm erst vor kaum sechs Wochen 100 000 Rubel geschenkt habe. Er indes blieb bei seiner Meinung, und ich bei der meinigen. Das Ende davon war, daß man ihn lange Zeit mit der Hoffnung auf Geld hinhielt, und er schließlich doch nichts bekam.
Nach Ostern zogen wir nach Oranienbaum. Vor unserer Abreise erlaubte mir die Kaiserin, meinen Sohn zu sehen: zum dritten Male, seit er geboren war. Um in sein Zimmer zu gelangen, mußte man alle Gemächer Ihrer Majestät durchschreiten. Ich fand ihn in einer erstickenden Hitze, wie ich bereits erzählt habe.
Auf dem Lande angelangt, hatten wir eine merkwürdige Ueberraschung. Seine kaiserliche Hoheit, mit dem die Holsteiner unablässig von dem Defizit im Staatshaushalt sprachen, obwohl ihm jedermann riet, diese Leute zu meiden, die er noch dazu nur verstohlen und zeitweise sehen konnte, faßte plötzlich den kühnen Entschluß, ein ganzes holsteinsches Detachement Soldaten kommen zu lassen. Auch dies war ein Kunstgriff jenes verwünschten Brockdorf, welcher der vorherrschenden Leidenschaft des Großfürsten schmeichelte. Er hatte den Schuwaloffs zu verstehen gegeben, daß, wenn sie ihm mit diesem Spielzeug oder Steckenpferd freien Willen ließen, sie sich seiner Gunst auf immer versichern könnten, denn sie würden dadurch seiner Zustimmung zu allem, was sie etwa unternähmen, gewiß sicher sein. Wie es schien, verbarg man der Kaiserin, die Holstein und alles, was von dort kam, haßte, weil sie gesehen, wie ähnliche militärische Kinderspiele den Vater des Großfürsten, den Herzog Karl Friedrich, in den Augen Peters I. und ganz Rußlands in ein schlechtes Licht gesetzt hatten, die Sache anfangs, und sagte ihr, es habe so wenig auf sich, daß es nicht der Mühe wert wäre, davon zu reden. Außerdem war ja auch die Gegenwart des Grafen Schuwaloff allein von genügendem Einfluß, allen üblen Folgen vorzubeugen. In Kiel eingeschifft, landete also das Detachement bei Kronstadt und kam nach Oranienbaum. Der Großfürst, der zur Zeit Tschoglokoffs die holsteinsche Uniform nur in seinem Zimmer ganz verstohlen getragen hatte, legte jetzt keine andere mehr an, ausgenommen bei Hoffesten, obgleich er Oberstleutnant des Regiments Preobraschenski und außerdem Chef eines russischen Kürassierregiments war. Auf den Rat Brockdorfs hüllte er mir gegenüber diesen Truppentransport in das tiefste Geheimnis. Ich gestehe, daß ich, als ich zum ersten Male davon hörte, vor der verderblichen Wirkung zitterte, welche dieser Schritt bei dem russischen Volk und bei der Kaiserin selbst, deren Gefühle mir bekannt waren, hervorbringen mußte. Als das Detachement durch Oranienbaum marschierte, stand Alexander Schuwaloff neben mir auf dem Balkon und blinzelte mit den Augen, denn innerlich mißbilligte er, was er und seine Genossen übereingekommen waren, öffentlich zu dulden. Die Bewachung des Schlosses Oranienbaum war abwechselnd dem Regiment Ingermanland und dem Regiment Astrachan anvertraut, und ich erfuhr, daß die Leute jener Regimenter, als sie die holsteinschen Truppen vorbeimarschieren sahen, gerufen hatten:»Diese verfluchten Deutschen sind alle an den König von Preußen verkauft; es sind lauter Verräter, die man nach Rußland bringt. «Im allgemeinen war das Publikum über die Tat des Großfürsten entrüstet. Die Ergebensten zuckten die Achseln, die Gemäßigten fanden die Sache lächerlich. Im Grunde genommen war es ein sehr unvorsichtiges Kinderspiel. Ich für meinen Teil schwieg, wenn man mich aber direkt darüber fragte, sagte ich ganz offen jedem meine Meinung, damit man sah, ich billige das Geschehene durchaus nicht. Und von welcher Seite ich es auch betrachten mochte, immer erschien es mir von dem schädlichsten Einfluß auf das Wohl des Großfürsten. Konnte man denn anderer Ansicht sein, wenn man alles genau überlegte? Sein bloßes Vergnügen konnte ihn doch niemals für den Nachteil entschädigen, der ihm dadurch bei der öffentlichen Meinung erwuchs. Aber der Großfürst, begeistert von seinen Soldaten, richtete sich mit ihnen in dem dazu aufgeschlagenen Lager ein und beschäftigte sich ausschließlich damit, sie einzuexerzieren. Nun mußten sie aber auch ernährt werden — daran hatte man nämlich gar nicht gedacht. Aber die Sache eilte. Es gab einige Debatten mit dem Hofmarschall, der auf die an ihn gestellten Forderungen nicht vorbereitet war. Endlich indes ließ er sich bereden, und die Hoflakaien samt den Soldaten der Schloßwache vom Regiment Ingermanland mußten für die Neuangekommenen Nahrungsmittel aus dem Schlosse herbeischaffen. Dann befand sich das Lager nicht eben in nächster Nähe des Palastes. Außerdem bekam niemand etwas für seine Mühe — kurz, man kann sich den angenehmen Eindruck vorstellen, den eine so geschickte und kluge Anordnung hervorbringen mußte. Die Soldaten des Regiments Ingermanland murrten:»Sind wir denn die Diener dieser verfluchten Deutschen geworden?«Die Hoflakaien:»Man zwingt uns, einen Haufen Dorflümmel zu bedienen!«Als ich sah und hörte, was vorging, faßte ich den festen Entschluß, mich diesem nachteiligen Kinderspiele so fern als möglich zu halten. Da die Verheirateten unserer Kammerherren ihre Frauen bei sich hatten, bildeten wir eine ziemlich ansehnliche Gesellschaft, zumal die Herren selbst im holsteinschen Lager, das Seine Hoheit keinen Augenblick verließ, nichts zu tun hatten. Wir gingen so oft wie möglich spazieren, aber immer an der dem Lager entgegengesetzten Seite vorbei, wo wir mit demselben in keiner Weise in Berührung kamen.
Ich hatte damals den Einfall, mir in Oranienbaum einen Garten anzulegen. Da ich jedoch wußte, daß der Großfürst keinen Zoll Erde dazu hergeben werde, bat ich den Fürsten Galitzin, mir 300 Toisen nutzlosen und seit langer Zeit brachliegenden Landes, welches er in der Nähe von Oranienbaum besaß, zu verkaufen oder abzutreten. Dieses Terrain gehörte acht Personen der Familie, aber sie traten es mir trotzdem bereitwilligst ab, ohne eine Bezahlung anzunehmen. Ich fing also an, Pläne zu machen und zu pflanzen, und da es das erstemal war, daß ich mich auf diesem Gebiete versuchte, so nahmen sie sehr große Dimensionen an. Mein alter Chirurg Gyon sagte, als er dies sah:»Wozu soll das? Denken Sie an mich, ich sage Ihnen im voraus, daß Sie dies alles eines Tages aufgeben werden. «Seine Prophezeiung erfüllte sich. Aber ich bedurfte damals einer Unterhaltung, die meine Phantasie anregte. Zur Anpflanzung meines Gartens bediente ich mich zuerst des Gärtners von Oranienbaum, namens Lamberti. Dieser war im Dienste der Kaiserin, als sie noch Prinzessin war, auf dem Gute Zarskoje Selo gewesen und von dort nach Oranienbaum versetzt worden. Er war ein wenig Prophet, und eine seiner Prophezeiungen, welche die Kaiserin betrafen, hatte sich erfüllt. Er hatte ihr nämlich vorhergesagt, daß sie den Thron besteigen werde. Auch mir prophezeite dieser Mann, so oft ich es hören wollte, daß ich einst souveräne Kaiserin von Rußland werde, daß ich Söhne, Enkel und Großenkel haben und in hohem Alter, über achtzig Jahre alt, sterben werde. Ja, er tat mehr: er nannte sogar das Jahr meiner Thronbesteigung, sechs Jahre bevor dies Ereignis eintrat. Es war ein wunderlicher Mensch, der mit einer Zuversicht sprach, die durch nichts erschüttert werden konnte. Unter anderm behauptete er, die Kaiserin zürne ihm, weil seine Prophezeiung eingetroffen sei, und habe ihn von Zarskoje Selo nach Oranienbaum geschickt, weil sie ihn fürchte.
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