Sekundäre Bedürfnisse wie das nach Sauerstoff erledigten sich per Kippfenster. Anfangs schien die Bekleidungsfrage ein kleines Problem, das sich aber mit Hilfe dienstbarer Geister lösen ließ, die mit einer Polaroidkamera einkaufen geschickt wurden. Auf die Art vergrößerte Hans seine Garderobe bequem im Liegen. Der Nachschub an Zeitschriften, Videos oder anderen Links zur Außenwelt wurde durch Freunde aufrechterhalten. Freunde. Ein Wort, das in Hans’ Leben eine immer unsympathischere Bedeutung annahm. Abgesehen von seinem ältesten Freund Billy Filanowski und einigen wenigen anderen langjährigen Gefährten betrachtete er alle, die sich diesen Titel wie eine Trophäe sichern wollten, zunehmend als Mischung aus Parasiten und Sklaven. Groteskerweise scharte er bald mehr dieser falschen Freunde um sich, vor denen er sich andererseits wieder am liebsten unterm Teppich verkrochen hätte.
Das Grundübel war dabei immer dasselbe: Wer sich mit Falco verstand, war Hans zutiefst verdächtig. Sich mit Hans zu verstehen, machte er selber aber nahezu unmöglich. Ihn schien eine stetig wachsende Mauer aus Vorsicht, Furcht und Fluchtbereitschaft zu umgeben. Und über die konnten andere ebensowenig vordringen zu ihm, wie er zu ihnen.
Hinter dieser Mauer lebte Hans zuweilen wie ein Einsiedler, der nicht mehr wußte, ob er die Welt oder die Welt ihn verlassen hatte. Was irgendwann aber auch gar keinen Unterschied mehr machte. Alles in allem waren das nicht die besten Voraussetzungen für kreatives Arbeiten. Junge Römer, kennt ihr die Sonne noch …?
Während Hans seine Nerven mit Jack Daniels, dem besten seiner neuen Freunde, und allerlei Chemie betäubte, lagen sie bei denen, die unmittelbar von seiner mangelnden Produktivität betroffen waren, längst blank. Robert Ponger verfolgte Hans’ Versuche, seine Unsicherheit zu überspielen, mit zunehmender Besorgnis. Dazwischen verplemperte er seine Arbeitszeit damit, Hans ins Gewissen zu reden oder ihm die Autoschlüssel wegzunehmen. Plattenchef Markus Spiegel, der auf die zweite seiner drei im Vertrag vereinbarten LPs wartete wie auf den Halleyschen Kometen, mußte sich von seiner zwischen Sein und Schein pendelnden Entdeckung mit lässig hingeworfenen Anglizismen einlullen lassen: Die fucking Schwarzmalerei der anderen sei bloß influenced by so Nebensächlichkeiten wie bad vibrations , und die wären aber sowas von easy aus der Welt zu schaffen, because er, Falco, habe no problem mit anything .
Nach annähernd einem Jahr, das nun seit „Einzelhaft“ verstrichen war, kosteten Spiegel diese fucking Nebensächlichkeiten die heavy Kleinigkeit von einer Million Schilling. Annähernd eine zweite sollte noch dazukommen.
„Ja, hallo, Markus? Markus? Hörst du mich?“ Die Verbindung war unter jeder Sau. Ponger hieb auf den Automaten ein, als wäre der an allem schuld. Warum hab’ ich nicht vom Studio telefoniert, fragte er sich. Aber er wußte die Antwort.
Im Studio war die Hölle los. Abgesehen von allem anderen hätte er dort sein eigenes Wort nicht verstanden, geschweige denn eins von Markus Spiegel am anderen Ende der Leitung in Wien. Und alles andere war: Chaos, Krach und Katastrophe.
Als Bob mit Hans zu einem neuerlichen Versuch, die Aufnahmen für „Junge Römer“ über die Bühne zu bringen, vor drei Tagen nach München aufgebrochen war, war er bloß Optimist gewesen. Nach einem Tag im Studio glaubte er bereits an Wunder. Andernfalls hätte er gleich wieder zusammenpacken können, wie das nun ja auch schon ein halbes Dutzend Mal der Fall gewesen war.
Diesmal hatte die Sache zumindest einen hoffnungsvollen Anfang genommen. Hans war einigermaßen zivilisiert in München angekommen. Doch kaum hatte er zum ersten Mal die Leopoldstraße passiert, dürfte ihn ein Hauch von Nostalgie gestreift haben, der aus Schwabing heraufwehte, aus Company-Zeiten, aus einem früheren Leben. Mit einigem Nachdruck hatte er sich noch überreden lassen, im Hotel einzuchecken. Als man sich eine halbe Stunde später in der Lobby hatte treffen wollen, war er weg …
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