„Typisch Mann. Da schickt man ihn mal allein los, einfach nur einen Baum zu kaufen, und dann kann er damit noch nicht mal anständig Bahn fahren. Ich muss jeden Tag mit meinem vollen Einkaufsnetz Bahn fahren, während du (damit war ich gemeint) mit dem Auto fahren kannst, um so einen läppischen Weihnachtsbaum zu kaufen. Und, ist mir jemals das Netz in der Zugtür eingeklemmt und sind dabei die Apfelsinen gleich ausgepresst worden, sodass ich hier nur mit den Schalen angekommen bin?“, spöttelte meine Frau.
Was sollte ich dazu sagen?
Tja, nun kennt ihr die Geschichte unseres diesjährigen – leicht demolierten – Weihnachtsbaumes und, wie ich sehe, ist auch die leere Seite meines Computers vollgeschrieben. Dann höre ich doch am besten gleich auf, nasche noch einen Spekulatius, trinke eine Tasse Tee und warte auf Weihnachten.
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Das sage ich dem Weihnachtsmann …
Nur noch eine Woche bis Heiligabend. Die ersten drei Adventssonntage sind vorbei und alle Weihnachtslieder und Weihnachtsgedichte sitzen perfekt. Alexander, Mia und Pia haben fleißig gelernt. Und für die Schule war ebenfalls allerhand zu tun.
Aber wegen des intensiven Lernens haben sie manchmal vergessen, ihr Zimmer aufzuräumen. Da liegen dann schon mal die Jeans zusammen mit dem vollkommen verknautschten T-Shirt auf der Erde. Schmutzwäsche ist mit frischer Wäsche vereint in einem Knäuel. In den Zimmern von Alexander, Pia und Mia hat Mama dieses Durcheinander überhaupt nicht gestört. Da sagt sie immer: „Kommt nicht heulend angerannt, wenn ihr über euren Dreck stolpert und hinfallt. Euer Problem.“ Wenn sich aber das Chaos bis ins Wohnzimmer ausbreitet, dann gibt das Ärger. Papa ist das egal, der kriegt davon nichts mit, der ist arbeiten.
Abends, wenn er nach Hause kommt, ist im Wohnzimmer alles wieder wie von Geisterhand aufgeräumt. Aber Mama wird dann richtig ungemütlich. Wenn sie sich so richtig ärgert, dann sagt sie zu uns: „Na wartet ab, das sage ich heute Abend Papa, da wird’s aber was geben.“ Gibt es dann auch. Manchmal heißt es: einmal Mithilfe beim Autowaschen, oder: diese Woche lassen wir das Fernsehen ausfallen. Seit dem ersten Advent aber sagt Mama etwas Anderes, sie sagt: „Das sage ich dem Weihnachtsmann.“
Das sage ich dem Weihnachtsmann
„Pia, weißt du, warum Mama das sagt?“, fragt Mia ihre Schwester.
„Lass mich raten“, antwortet Pia, „sie weiß sich sicher keinen Rat mehr mit uns. Sie weiß nicht, wie sie mit uns schimpfen soll, damit wir hören.“
„Würde ich auch nicht wissen, bei euch Beiden“, hakt sofort Alexander ein.
„Du bist ja doof“, giftet Pia zurück, „und vor allen Dingen, was kann der Weihnachtsmann denn da helfen? Soll der sagen, dass er jeden Tag vorbeikommt, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist und wenn nicht, dass er dann mit uns schimpft?“
„Und außerdem ist es ja so, dass durch das Herbeirufen des Weihnachtsmannes Mama zugeben würde, dass sie uns nicht mehr richtig unter Kontrolle hat. Na das würde Mama doch nicht zugeben“, steuert Mia bei. Sofort donnert Alexander los: „Na du bist ja auch nicht unter Kontrolle zu bringen, so wie du immer rumläufst und wie du dich anziehst. Manchmal muss ich mich ja bald in der Schule für dich schämen.“
Nur weil Pia dazwischen stürmt wird eine größere tätliche Auseinandersetzung verhindert. Sonst würde einiges zu Bruch gehen.
„Also nun mal zurück zu dem Satz Das sage ich dem Weihnachtsmann, den Mama immer sagt. Was will sie damit bei uns bezwecken? Will sie uns nur Angst machen, weil sie mit dem alten, bösen Mann droht, der uns zu Strafen verdonnern kann, die sie sich nicht traut zu sagen? Und weil wir Angst oder Respekt vor ihm haben, werden wir uns die Strafe auch zu Herzen nehmen? Meint sie jedenfalls, vielleicht?“, versucht Pia ihre Streithähne wieder einzufangen.
Wie erreiche ich den Weihnachtsmann?
„Jetzt stellt euch mal vor, überall im Land sind Eltern, die ihren Kindern mit dem Satz drohen ‚Das sage ich dem Weihnachtsmann’. Und die würden tatsächlich den Weihnachtsmann auf irgendeine Art und Weise erreichen, dann … .“ Weiter kommt Alexander nicht, denn Mia fährt dazwischen: „Kannst du, mein lieber Alexander, denn sagen, wie Mama den Weihnachtsmann erreichen kann? Ruft sie ihn an, wenn ja, unter welcher Telefonnummer? Oder schreibt sie ihm einen Brief?“
„Wie altmodisch, einen Brief. Da kann man ja beinah fragen, ob sie eine Postkutsche auf die Reise schickt. Ist ja albern!“, prustet Pia.
„Oder sie schickt ihm eine WhatsApp-Nachricht. Da müssten wir ja in ihrem Smartphone Kontaktdaten finden. Lass mich nachsehen, das Handy liegt dort auf dem Tisch.“
Mia flitzt zum Tisch, greift sich Mamas Handy und schaut auf das Gerät. Keine Adresse des Weihnachtsmannes. Und auch keine Telefonnummer. Na gut, also weder eine WhatsApp-Nachricht noch eine E-Mail noch einen Anruf. So kann Mama den Weihnachtsmann nicht erreichen. Aber wie macht sie das bloß? Da bleibt nur eins: warten, bis der Weihnachtsmann kommt, und ihn dann einfach fragen.
Da nun aber erst noch ein paar Tage bis Weihnachten vergehen müssen, beschließen die drei Ratlosen, immer dann, wenn Mama etwas macht, das ihnen nicht gefällt, auch einfach zu sagen: „Das sage ich dem Weihnachtsmann.“ Mal sehen, was sie dann sagt.
Und kaum hatten sie das verabredet, kommt auch schon Mama ins Zimmer und nörgelt, weil sich die drei Ratlosen noch nicht die Hände gewaschen haben. Es gibt doch gleich Abendbrot. Mama hat noch nicht das letzte Wort ausgesprochen, da sagen die drei wie aus einem Mund: „Das sage ich dem Weihnachtsmann.“ Dazu machen sie ein bitterböses Gesicht.
Mama scheint davon überhaupt nicht beeindruckt zu sein. Das Einzige, was sie den Kindern erwidert, ist die Frage: „Und wie wollt ihr das machen, ihr Schlauberger? Wie erreicht ihr ihn denn? Wollt ihr zu ihm laufen? Dann lauft mal los! Wollt ihr ihn anrufen? Hier ist das Telefon. Wollt ihr ihm schreiben? Da liegen Papier und Stift. Wollt ihr ihm eine E-Mail senden? Ran an den Computer. Na, wie?“
Mia, Alexander und Pia stehen, sich gegenseitig groß anschauend, ratlos da. „Das ist aber auch ein Mist“, beginnt Alexander nach einer endlos erscheinenden Überlegungspause. „Wir müssen einfach warten, warten, warten. Irgendwie kriegen wir das raus“, ist er überzeugt.
Und so machen es die drei Geschwister auch. Sie warten.
Heiligabend
Dann sind sie da, der Heilige Abend und der Weihnachtsmann. Bepackt mit vielen kleinen und großen Paketen kommt der bärtige, mit einem roten Mantel bekleidete Mann ins Haus. Er prustet und scheint vor Erschöpfung bald im Wohnzimmer umzufallen. Damit dies nicht geschieht, bietet ihm Alexander den Sessel an, auf dem bis eben noch Papa gesessen hatte. Der Weihnachtsmann rückt seine Brille auf der Nase zurecht und fragt die Kinder, ob sie seit seinem letzten Besuch, der ist ja nun auf den Tag genau ein Jahr her, auch immer schön brav gewesen waren. Pia, Mia und Alexander nicken und damit der alte Mann das auch hörbar wahrnimmt, wird zusätzlich gesagt: „Aber immer doch“, von Alexander, „natürlich“, von Pia, und „na logisch“, von Mia. So ganz wohl ist ihnen dabei jedoch nicht, schließlich hörten sie seit dem dritten Advent des Öfteren: „Das sage ich dem Weihnachtsmann.“ Der Weihnachtsmann wirft ihnen einen leicht zweifelnden Blick zu und kramt im vor ihm auf dem Boden stehenden Weihnachtssack. Er brummt leise vor sich hin. Nach – den Kindern endlos erscheinenden – Minuten holt er ein dickes, großes Buch hervor. Ein eingelegtes Lesezeichen lässt ihn schnell die Seite finden, die die Aufzeichnungen über die Kinder Alexander, Pia und Mia beinhalten.
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