Fraglich ist, ob der Schlag mit der Blumenvase auf den Kopf von Rambo vorliegend auch erforderlich war. Der Schlag mit der Blumenvase war geeignet, die drohende Gefahr abzuwehren, da er hierzu ein taugliches Mittel darstellte. Zudem dürfte kein milderes Mittel vorhanden gewesen sein, welches zur Abwehr der gegenwärtigen Gefahr gleich wirksam gewesen wäre. 62Vorliegend ging Rambo auf P los und drohte, diesen zu beißen. Ein milderes Mittel zur Abwehr dieser drohenden Gefahr war nicht ersichtlich, zumal ein Rottweiler auch ein großer und kräftiger Hund ist. Eine sonstige Abwehr wäre daher nicht erfolgversprechend gewesen. Demnach war der Schlag mit der Blumenvase auch erforderlich.
Klausurhinweis: Sofern der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für taugliche mildere Mittel bietet, sollten solche auch nicht rein spekulativ „aus dem Hut gezaubert“ werden. Wenn der Sachverhalt ausdrücklich erklärt, dass es kein anderes Mittel gibt (hier: „weiß sich nicht anders zu helfen“), dann gilt dies erst recht.
Im Rahmen der Interessensabwägung nach § 228 BGB darf der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr stehen. Vorliegend wurde Rambo zwar getötet. Es drohte jedoch eine erhebliche Gefahr für die körperliche Gesundheit des P. Angesichts dieser erheblichen Gefahr für die körperliche Unversehrtheit stand der Schaden nicht außer Verhältnis zu der für P drohenden Gefahr.
Die Voraussetzungen einer Notstandshandlung lagen damit vor.
c) Subjektives Rechtfertigungselement
P handelte auch in Kenntnis der Notstandslage, um die Gefahr für sich abzuwenden.
Demnach lagen die Voraussetzungen des Defensivnotstands nach § 228 BGB vor. P handelte also nicht rechtswidrig.
P hat sich nicht wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er Rambo mit der Vase auf den Kopf schlug, so dass dieser starb.
Tatkomplex 2: Die zerbrochene VaseStrafbarkeit von P nach § 303 Abs. 1 StGB
P könnte sich wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er Rambo mit der Vase auf den Kopf schlug, so dass aus dieser ein Stück aus dem Rand herausbrach.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Sache
Bei der Vase handelte es sich um einen körperlichen Gegenstand 63und somit um eine Sache.
Die Vase war für P auch fremd, da diese im Eigentum seiner Nachbarin stand. 64
P könnte die Vase beschädigt haben. Eine Sache ist beschädigt, wenn ihre Substanz nicht ganz unerheblich verletzt wird oder ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. 65An der Vase brach vorliegend infolge des Schlages ein Stück des Randes ab. Dies beeinträchtigt zwar nicht die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit der Vase in erheblicher Weise, allerdings wurde die Substanz der Vase in nicht unerheblicher Weise dadurch verletzt. Also hat P die Vase beschädigt.
Fraglich ist, ob P die Vase zerstört hat. Abgesehen davon, dass ein Stück aus dem Rand der Vase abbricht, bleibt diese unversehrt. Ihre Substanz wird dadurch weder völlig vernichtet noch ist ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit dadurch völlig aufgehoben. Demnach hat P die Vase nicht zerstört.
Somit ist der objektive Tatbestand des § 303 Abs. 1 StGB erfüllt.
2. Subjektiver Tatbestand
P hat billigend in Kauf genommen und für möglich gehalten, dass bei dem Schlag ein Stück aus dem Rand brechen kann. Er handelte also mit Eventualvorsatz. Der subjektive Tatbestand ist somit erfüllt.
Fraglich ist, ob P rechtswidrig gehandelt hat.
Wie bereits oben geprüft, scheidet Notwehr aus, da mangels menschlichen Verhaltens kein Angriff und somit keine Notwehrlage vorlag.
2. Defensivnotstand, § 228 BGB
Es könnte jedoch ein Defensivnotstand nach § 228 BGB bestehen.
Wie bereits oben geprüft, lag eine drohende Gefahr für ein Rechtsgut vor, welche durch eine fremde Sache ausging. Eine Notstandslage bestand damit.
b) Notstandshandlung
aa) Beschädigung oder Zerstörung einer fremden Sache, von der die Gefahr ausging
P hat zwar die Vase als fremde Sache beschädigt. Allerdings ging die Gefahr vorliegend nicht von der Vase, sondern von dem Hund Rambo aus.
Demnach lagen die Voraussetzungen des Defensivnotstandes nach § 228 BGB nicht vor.
Klausurhinweis: In einer Klausur würde nicht zwingend erwartet werden, dass § 228 BGB in einem solchen Fall noch geprüft wird. Stattdessen könnte auch sogleich mit der nachfolgenden Prüfung des § 904 BGB fortgefahren werden.
3. Aggressivnotstand, § 904 BGB
Allerdings könnte der Rechtfertigungsgrund des Aggressivnotstandes nach § 904 BGB greifen.
Es müsste eine gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut vorgelegen haben. Dass eine (drohende) Gefahr bestand, wurde bereits geprüft. Diese müsste auch gegenwärtig gewesen sein. Eine Gefahr ist gegenwärtig, wenn der Eintritt eines Schadens sicher oder höchstwahrscheinlich ist, wenn nicht alsbald eine Abwehrmaßnahme ergriffen wird. 66Rambo ging vorliegend auf P los und wollte diesen beißen. Damit war der Schadenseintritt für die körperliche Unversehrtheit des P höchstwahrscheinlich. Folglich ist die Gefahr auch gegenwärtig gewesen.
b) Notstandshandlung
aa) Einwirkung auf eine nicht die Gefahr hervorrufende fremde Sache
P hat vorliegend die Vase beschädigt und damit auf sie als fremde Sache eingewirkt, von der die Gefahr nicht ausging.
Ein milderes, gleich wirksames Mittel zur Abwehr der bevorstehenden Beißattacke des Rambo als durch den Schlag mit der Vase auf dessen Kopf, wodurch diese beschädigt wurde, war nicht ersichtlich. Die Einwirkung auf die Vase war daher auch erforderlich.
Im Rahmen der Interessensabwägung von § 904 BGB muss der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung entstehenden Schaden für den Eigentümer unverhältnismäßig groß sein. Vorliegend bestand durch den beißwütigen Rottweiler Rambo eine ganz erhebliche Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des P durch Verletzungen. Demgegenüber erscheint der Schaden der Nachbarin des P als Eigentümerin der Vase von weitaus untergeordneter Bedeutung. Der drohende Schaden für P war daher im Vergleich mit dem Schaden für die Nachbarin als Eigentümerin unverhältnismäßig groß.
c) Subjektives Rechtfertigungselement
P handelte auch in Kenntnis der Notstandslage, um die Gefahr von sich abzuwenden.
Demnach lagen die Voraussetzungen des Aggressivnotstandes nach § 904 BGB vor. P handelte also nicht rechtswidrig.
P hat sich nicht wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er Rambo mit der Vase auf den Kopf schlug, so dass aus dieser ein Stück aus dem Rand herausbrach.
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