Deine Dich liebende
Söneland.
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Ein Arzt schrieb:
Altmeister Zille zum 70. Geburtstag.
Heinrich heeßt er,
Der große Meester.
Dient als Lito-Graf
Treu und brav
Nur des Volkes Kunst
Und steht hoch in dessen Gunst.
Ihm gehört sein warmes Herz.
Mit ihm teilt er Freud und Schmerz.
Dufte Jungen, leichte Maid
Zeichnet er stets stiftbereit,
Frauen, dick mit ohne Linie,
Andre schlank wie eine Pinie.
Kesse Kinder, kugelrund,

19. »Was Junge – du rauchst?! Ich sollte dein Vater sein!« – »Det kenn' Se hab'n – Mutta is Witwe.«
Nach dem Original.
Nicht gefallen auf den Mund,
Kommen fix,
Machen einen Knix:
Mutta, die is sehr dafür,
Dass man Dir gratulier'.
Hab' für Deine Güte Dank,
Bleibe lang noch mang uns mang.
Und Gott Vater in der Höh'
Erhalt' gesund Dich unserm »Milljöh«.
Ja, beim Meister Zille kann man's sehn:
Es muss der Zeichner mit dem Volke gehn.
Dr. Sch.
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Und ein anderer Arzt wusste das Fest des 70. Geburtstages recht humorvoll zu schildern:
An Vater Zillen .
Heit liejen de Briefe hochaufjeschichtet.
Se ham Dir stillen, bescheidenen Mann
Von oben bis unten angedichtet,
Und Du heerst allens jeduldig an.
Se ham Dir jemalt, radiert und jekurbelt,
Dir ooch noch interwivt hinterher;
Und Du – Du denkst Dir, festlich umwirbelt:
Wenn bloß der Klamauk schon vorieber wär'! –
Sonst lebste so ruhig, sonst lebste so heißlich –
Heit holen se Dir schon frieh aus dem Bett.
Zu nischt haste Zeit mehr! 's is jradezu scheißlich.
Se warten uff Dir schon vor dem Klosett.
Et kommt von de Acker- und Linienstraße
Der Orje, der Ede, der Fritz, die Marie; –
Die scheenen Blumen! Keener verjaß se!
Et kommt sogar »Max« von de Akademie.
Und dann de Vereine, jroße und kleene –
Wie sich det Volk uff de Treppe steeßt! –
Und Brennert und Ilyan und Heilborn und Behne,
Und wie det Federvieh sonst noch heeßt.
Du – wer kloppt denn an't Fenster? Mensch is det meechlich?
De Spatzen, die kommen ooch alle heit,
De dankbaren Vejelchen, denen Du teechlich
Uff Deinem Balkon det Futter jestreit! – –
Au Backe, nu hätt ick beim vielen Quatschen
Beinahe det Jratulieren verdöst! –
Na also Heinrich, ick drick Der de Patschen
Und winsch Der, dass De den Tach ieberstehst.
Denn biste morjen frieh noch am Leben,
Nach der Strapaze noch uff dem Kiehn, Dann wird's noch manchet Jubiläum jeben, Trotz Fachinger Wasser und trotz Insulin!
Dr. E. H......(der andere H......, weeste, der Leibtierarzt von de Sammetbrieder).
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Welchen Widerhall Zille im Volke gefunden, erläutern wohl am besten diese kleinen Beispiele und manche Erlebnisse, die in andern Kapiteln geschildert sind. Viele hundert solche Geschichten ließen sich erzählen. Und sie wirken noch überzeugender als die Menschenmassen auf den Zillefesten, als die vielen Zillebälle, die zur Karnevalzeit in ganz Deutschland, in den schlesischen Bergen wie in hinterpommerschen Städten, in Thüringen und im Hannoverschen gefeiert werden. Und auch die Ausstattungen so vieler Kneipen mit Zillebildern reden eine deutliche Sprache.
Das liebste an seiner Berühmtheit aber ist Zille doch jene Liebe des Volkes, wie sie sich immer wieder in solchen kleinen Erlebnissen äußert.
»Berühmtheit ist eine schöne Sachel« meinte Heinrich Zille, »aber nicht immer! ... Manchmal nutzt sie einem ja. Man braucht nicht mehr überall so lange zu warten wie sonst. Die Verleger freuen sich mächtig, wenn man kommt – denn sie haben ja bloß Vorteile von den Berühmten und kein Risiko. Man kriegt auch manchmal 'n bißken mehr Geld für seine Arbeit und kann auch öfter mal 'n armen Deibel 'ne Freude machen oder da, wo's nötig ist, ein bißken nachhelfen – Menschen aus dem größten Druck rausholen.
Aber – die Berühmtheit hat auch ihre Schattenseiten. Verflucht unangenehme Schattenseiten – für den, der berühmt ist.«
Und Zille erzählte mancherlei Unangenehmes und Bitteres aus den letzten Jahren, als seine Popularität ihn zu einer maßgebenden Persönlichkeit der Reichshauptstadt, zu einem bestimmten Begriff gemacht hatte:
»Manchmal habe ich ja auch meinen gründlichen Ärger gehabt über meine Berühmtheit. Die ganze Welt denkt, ich habe nun so viel Geld gescheffelt, dass ich gar nicht mehr weiß, wohin damit. Jawohl – 'ne Villa im Grunewald hätte ich.
Na – hier seh'n Sie meine Villa.«
Er machte eine Handbewegung und ließ seine Blicke durch die große Stube laufen.
»Vier Treppen hoch – in dem alten Hause aus den achtziger Jahren. Höhenluft!« lächelte er und wies auf die Dächer mit den vielen Schornsteinen. »Hier mein großer Arbeits- und Eßtisch mit der elektrischen Lampe. Da mein Bett – mein Ruhe- und mein Sorgenlager. Da mein Arbeitsschrank mit der Klappe, an der ich zeichne und tusche. Die Staffelei und der Kleiderschrank – und der kleine Schrank mit den Andenken und den Photos von lieben Freunden. Ja, ja – Wieviel sind davon nicht mehr lebend zu seh'n ... Und denn da hinten meine kleinen Freunde, meine Vögelchen!

20. Die Stütze.
Nach dem Original.
Ja, ja, seid man stille! Ich denke an euch!«
Er geht hin zu ihnen und klopft mit dem Finger an die Stäbe der Vogelbauer.
Und dann weist er auf die Tür zum Nebenzimmer:
»Da liegen meine Bücher – und meine Mappen und sonst mancherlei. – Und dann ist noch 'ne Küche da – und ein Zimmer für meinen Sohn und meine Schwiegertochter.
Det is nu meine Grunewaldvilla!«
Und nun erzählte er, wie seiner Schwiegertochter in den benachbarten Geschäften ganz unerhörte Preise abgefordert wurden nach seinem siebzigsten Geburtstag.
»Die Geschäftsleute sagten: ›Na, Professor Zille is doch jetzt 'n reicher Mann! Der hat doch mindestens Hunderttausende verdient. Der hat doch 'ne Villa im Grunewald und duht doch bloß so, als wenn er hier wohnen muss. Der kann doch zahlen! Der duht bloß so, als ob er noch nischt hat!‹
Meine Schwiegertochter musste in eine andere Gegend zum Einkaufen gehen, wo sie keiner kannte!«
*
»Unzählige Bettelbriefe kamen, als sie von mir soviel in den Zeitungen schrieben.
Manche schrieben ganz frech, ich sollte ihnen ein kleines Kapital stiften zu einer neuen Existenz, zu einem kleinen Laden.
Andere wollten Geld haben für eine kleine Badereise. Sie möchten sich doch auch mal ein Stück Welt anseh'n.
Ich schrieb ihnen zurück:

21. »Ick habe meinen Weihnachten!«
Pfefferkuchen nach einem Zillebild.
Ich bin doch nich Ihr Bankier!
Was die Leute wohl glauben, für wen man alles sorgen soll und sorgen kann!
Und dann die fürchterlichen Menschen, die selber kamen!
Da wohnt da drüben einer, in der Nachbarschaft. Läuft rum mit 'n Hut ohne Krempe. Der geht schon lange bloß auf Fahrt.
Eines Tages klingelt's. Ich gehe an die Tür. Der Schnorrer steht da und sagt bloß:
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