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Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Cover Titel Inhaltsverzeichnis Vorwort Husum, Hafenfest 1984 Das Jahrestreffen Elös allein unterwegs Wieder in Husum Elös und Erika auf Reise Die Entlarvung Manuels Verbrecherbande Gnome Nachwort
Vorwort Vorwort In der Schweiz leben schätzungsweise siebzigtausend Roma und Sinti. Viele sind seit Generationen in allen Berufen tätig. Dabei ist der Anteil an Künstlern, Akademikern und Berufsleuten unter diesen Volksgruppen vergleichbar mit dem Rest der Bevölkerung. In Westeuropa litten diese Ethnien unter den grausamen Verfolgungen und Vernichtungsprogrammen während der Nazizeit. Im Osten Europas blieb auch nach der Öffnung ein tiefer Hass und diskriminierende Behandlung sowohl von Staates wegen wie auch von der Gesellschaft. Ungarn, Rumänien, beides EU-Staaten, verhindern eine Verbesserung der Lebensumstände dieser sesshaften Volksgruppen. Schwere Armut und Lebensumstände, oft unter Drittweltstandard, sind Brutplätze für Unterdrückung und Kriminalität. Frauen werden von ihren Vätern, Brüdern und Ehemännern zur Prostitution gezwungen. Mit eigenen Augen habe ich im Sommer 2013 in Ungarn, nahe der rumänischen Grenze, junge Romafrauen gesehen, die schon um zehn Uhr morgens an der Hauptstrasse ihren Körper anboten. Wen wundert’s, wenn in diesem Umfeld Frauen von Kriminellen mit leeren Versprechungen nach Westeuropa gelockt und dort ausgebeutet werden. Roma anerkennen die Gesetze der Staaten, in denen sie leben. Daneben haben sie eigene Gerichtsbarkeiten. Für uns archaisch wirkende Gebräuche werden gepflegt, der Zusammenhang innerhalb der Familien ist gross. Wie in anderen Zivilgesellschaften auch, nutzen kriminell veranlagte Individuen die Schwächsten skrupellos aus, stehlen und betrügen. Damit werden sie Wahrnehmung und Sinnbild für ein Volk. Ein Volk, dem es heute kaum mehr gelingt, Sanktionen und Urteile ihrer eigenen Gerichte durchzusetzen. In meinem Roman sind die Lebensumstände von Fahrenden sowie von Sesshaften gezeichnet. Auch wie einzelne Kriminelle die Schwächen ihrer eigenen Leute erbarmungslos ausnützen.Dass diese mit ihrem Handeln ihre eigenen Leute in Verruf bringen, ist ihnen egal.
Husum, Hafenfest 1984
Das Jahrestreffen
Elös allein unterwegs
Wieder in Husum
Elös und Erika auf Reise
Die Entlarvung
Manuels Verbrecherbande
Gnome
Nachwort
Impressum
Das blonde Zigeunermädchen
Hans Schaub
Published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
E-Book-Produktion: Bernd Flossmann
www.bookcoach.info
Copyright © 2014 Hans Schaub
ISBN 978-3-7375-1136-0
Für Antoinette
Das Süßeste Glück für die trauernde Brust,
Nach der schönen Liebe verschwundener Lust,
Sind der Liebe Schmerzen und Klagen.
Friedrich Schiller, aus «Des Mädchens Klage»
Mein Dank gilt meinen kritischen Erstlesern Antoinette und Josef Erni. Ihre konstruktiven Kritiken gaben Anlass, meine Geschichte zu ergänzen, zu verfizieren und zu zusätzlichen Recherchen im Umfeld der Roma.
Monika Popp hat meine Texte korrigiert und mit sprachlicher Vielfalt leserfreundlich gemacht.
Und nicht zuletzt Adi Suter, dem gestrengen Lektor und Herausgeber meiner neuen Geschichte.
In der Schweiz leben schätzungsweise siebzigtausend Roma und Sinti. Viele sind seit Generationen in allen Berufen tätig. Dabei ist der Anteil an Künstlern, Akademikern und Berufsleuten unter diesen Volksgruppen vergleichbar mit dem Rest der Bevölkerung.
In Westeuropa litten diese Ethnien unter den grausamen Verfolgungen und Vernichtungsprogrammen während der Nazizeit. Im Osten Europas blieb auch nach der Öffnung ein tiefer Hass und diskriminierende Behandlung sowohl von Staates wegen wie auch von der Gesellschaft. Ungarn, Rumänien, beides EU-Staaten, verhindern eine Verbesserung der Lebensumstände dieser sesshaften Volksgruppen.
Schwere Armut und Lebensumstände, oft unter Drittweltstandard, sind Brutplätze für Unterdrückung und Kriminalität. Frauen werden von ihren Vätern, Brüdern und Ehemännern zur Prostitution gezwungen. Mit eigenen Augen habe ich im Sommer 2013 in Ungarn, nahe der rumänischen Grenze, junge Romafrauen gesehen, die schon um zehn Uhr morgens an der Hauptstrasse ihren Körper anboten.
Wen wundert’s, wenn in diesem Umfeld Frauen von Kriminellen mit leeren Versprechungen nach Westeuropa gelockt und dort ausgebeutet werden.
Roma anerkennen die Gesetze der Staaten, in denen sie leben. Daneben haben sie eigene Gerichtsbarkeiten. Für uns archaisch wirkende Gebräuche werden gepflegt, der Zusammenhang innerhalb der Familien ist gross.
Wie in anderen Zivilgesellschaften auch, nutzen kriminell veranlagte Individuen die Schwächsten skrupellos aus, stehlen und betrügen.
Damit werden sie Wahrnehmung und Sinnbild für ein Volk. Ein Volk, dem es heute kaum mehr gelingt, Sanktionen und Urteile ihrer eigenen Gerichte durchzusetzen.
In meinem Roman sind die Lebensumstände von Fahrenden sowie von Sesshaften gezeichnet. Auch wie einzelne Kriminelle die Schwächen ihrer eigenen Leute erbarmungslos ausnützen.Dass diese mit ihrem Handeln ihre eigenen Leute in Verruf bringen, ist ihnen egal.
Wie bestellt waren nach einem nasskalten Vorsommer Anfang August die Aussichten für die kommenden Tage passend zum Hafenfest: Es sollte warm werden, vielleicht ein leichter Wind vom Land her, auch die Nächte sollten angenehm werden und zum Verweilen am Fest ermuntern. Stände von fliegenden Händlern reihten sich aneinander, am Binnenhafen luden Tische und Bänke zum Bleiben ein. Auf einer mobilen Bühne würde die angekündigte Band «Die fünf Jungs» erstmals vor einheimischem Publikum auftreten. Für die älteren Festbesucher würde es eine Tanzkapelle geben, die nostalgische Stimmung mit deutschen Schlagern verbreiten sollte. Am Samstag- und Sonntagabend sollte als Höhepunkt des diesjährigen Festes eine Zigeunerkapelle aufspielen.
Erikas Eltern waren mit dem alten Volvo eines Lehrerkollegen für einige Tage nach Oldenburg gefahren. Dort war die Mutter aufgewachsen und lebte da, bis sie an einem Lehrgang über die offene, antiautoritäre Schule Erikas Vater kennen und lieben gelernt hatte. Als Schulleiter der örtlichen Grundschule hatte er als einer der Ersten Kenntnis über frei werdende Stellen im Schulbetrieb. Kaum vier Monate war es gegangen, bis Helga eine Stelle in der Kleinstadt antreten und zu ihrem Klaus nach Husum ziehen konnte.
Und jetzt, fast zwanzig Jahre später, konnte sich Erikas Oma nicht mehr selbst versorgen. Zur Einsamkeit – viele ihrer alten Freunde lagen auf dem Friedhof, Helgas Vater war vom Krieg nicht zurückgekehrt und verschollen – kam der ständige Schmerz, der den Verfall ihres Körpers begleitete. Oma musste ihre kleine Wohnung aufgeben und ins Altenheim umziehen. Nur Weniges aus der Wohnung durfte sie mitnehmen. Anderes wurde zerschlagen und zum Müll gebracht. Kaum ein Andenken würde im Volvo den Weg nach Husum finden.
«Drei, höchstens vier Tage bleiben wir», rief die Mutter ihrer Tochter beim Wegfahren noch zu.
Drei Tage sturmfrei.
«Was soll’s», dachte Erika.
Sie wollte diese Tage des Alleinseins geniessen. Lernen fürs Abitur, lesen und Musik hören. Sie liebte die Stunden ohne andere Menschen um sich, nie fühlte sie sich dabei einsam. Erika nahm ihre Geige, stimmte sie und begann zu üben. Es musste sein, waren ihre Noten in Musik doch die schlechtesten aller Fächer. Das Talent fehle ihr, davon war sie überzeugt. Ihr Vater hatte jedoch darauf bestanden, dass Erika das Violinspielen lerne und damit zur Abiturprüfung antrete. Weshalb Vater so streng darauf beharrte, wusste Erika nicht. Nie hatte er sich über seine Gründe geäussert. Es war sonst nicht seine Art, zu befehlen und seine Tochter zu etwas, das sie nicht wollte, zu zwingen. Vater hatte sie schon von klein an überall mitgeschleppt, wo er und Mutter hingegangen waren. Noch im Kinderwagen war Erika an jeder nur möglichen Demo dabei. Schon als Dreijährige machte sie auf dem Rücken ihres Vaters bei der Demo gegen den Schah-Besuch in Berlin zum ersten Mal Bekanntschaft mit Tränengas. Die Freiheiten, die ihr die Eltern zugestanden, genoss sie, nützte sie aber kaum. Sie rauchte nicht, obwohl im Umfeld von Vaters Mitstreitern sogar das Kiffen zum ungezwungenen, freiheitlichen Lebensstil gehörte. Es sagte ihr nicht zu.
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