Alan feuerte das Handtuch in die Ecke, zerrte sich den Sweater über den Kopf und joggte, ohne zu duschen, Richtung Hangar.
Alan ignorierte die Blicke, die ihm unterwegs zugeworfen wurden. Außer Atem kam er im Hangar an. Die Neonbeleuchtung dort schaffte es nicht, alle Ecken auszuleuchten, sodass Alan fast in den Commander hineinrannte. »Sir.«
Delacroix musterte ihn von oben bis unten. »Ihr Aufzug lässt zu wünschen übrig, Mister McBride.«
Unter dem Blick des Commanders nahm Alan Haltung an. Obwohl er wusste, dass das seine Aufmachung nicht ausgleichen konnte. »Sir, auf ein Wort«, begann er ein zweites Mal.
Irgendwo zischte es. Ozongeruch biss in Alans Nase.
Delacroix fixierte ihn. »Sprechen Sie, Mister McBride.«
Alan kam sich mit einem Mal wie ein Idiot vor. Er zögerte.
»Ich warte.«
Da platzte es aus Alan heraus. »Sir, Sie sollten nicht zu den Krail-on gehen. Nicht alle drei auf einmal.«
»Es lässt sich nicht umgehen.«
»Sir.« Alan rang nach Atem. »Denken Sie sich eine Ausrede aus. Jemand ist krank geworden. Irgendetwas. Ich habe kein gutes Gefühl dabei. Sie waren so … bedacht darauf, uns zu ihnen aufs Schiff zu locken. Da ist etwas faul, Sir.« Irgendwie hörte er sich an, als wäre er paranoid.
»Unsere neuen Handelspartner anlügen?« Der Commander runzelte die Stirn. »War das alles, was Sie zu sagen hatten, Mister McBride?«
»Nein, Sir. Doch, Sir.« Alan schluckte. »Es ist gegen die Dienstvorschriften. Die drei ranghöchsten Offiziere dürfen nicht gleichzeitig das Schiff verlassen.«
Die Augen des Commanders verengten sich. »Ich habe Ihre Einwürfe gehört, Mister McBride, und werde sie berücksichtigen. Sie können gehen.«
»Sir, ich bitte Sie. Diese Sorai-an war so bedacht darauf, Sie auf ihr Schiff zu locken. Die Dienstvorschriften haben doch ihren Grund.«
»Seit wann interessieren Sie sich denn für die Dienstvorschriften?«
Der Schock, Whites Stimme hinter sich zu hören, glich einem Kübel voll Eiswasser, der sich über Alans Kopf ergoss. »Ma’m.«
»Dann müssten Sie eigentlich wissen, dass Sie gerade Paragraf 15 a umgehen. Und dazu noch Paragraf 10 b, Absatz 2, wenn ich mir Ihren Aufzug betrachte.« White verschränkte die Arme vor der Brust. Einer ihrer Finger tippte auf ihren Arm. »Oder lese ich Kritik aus Ihrer Rede?«
»Ma’m, entschuldigen Sie mich?« Alan presste die Lippen aufeinander. Im Stillen wünschte er sich den Sandsack herbei.
»Es war doch Ihre Idee, mit den Krail-on Kontakt aufzunehmen. Was passt Ihnen jetzt nicht daran? Dass Sie es nicht sind, der die Lorbeeren erntet?«
»Misses White«, unterbrach sie der Commander scharf. »Mister McBride, Sie können gehen.«
Aber Alan hörte nicht auf seine Worte. Hitze wallte in ihm hoch, legte alle Vorsicht lahm, schrie nur danach, sich zu rechtfertigen. »Es war nicht meine Idee, dass die drei ranghöchsten Offiziere gemeinsam ihr Schiff besuchen. Sie können mir nicht die Schuld in die Schuhe schieben, wenn irgendetwas schiefgeht.«
»Wollen Sie mir etwa deswegen die Schuld geben?«, fauchte White. »Oder versuchen Sie nur im Voraus, ihre ach so reine Weste sauber zu halten, Mister McBride? Sie können gerne den drei Crewmen, die Sie mir gemeldet haben, beim Schrubben der Toiletten behilflich sein.«
Alan zitterte vor Zorn. »Ich habe keine Angst davor, mir meine Weste schmutzig zu machen. Im Gegensatz zu Ihnen stehe ich zu den Fehlern, die ich gemacht habe.«
»Mister McBride, begeben Sie sich auf Ihr Quartier. Sie befinden sich bis auf Weiteres unter Stubenarrest.« Die Stimme des Commanders klang wie aus Eis. Sein Blick richtete sich auf White. »Misses White.«
White deutete einen Gruß an. »Sir, meine Entschuldigung.«
Der Commander nickte, dann gab er ihr einen Wink, ließ Alan stehen und ging mit White auf Racek zu, der neben dem Shuttle auf sie wartete.
Mit aufeinandergebissenen Zähnen sah Alan ihnen hinterher.
Alan lag im Dunkeln auf seinem Bett und starrte an die Decke. Der Schweiß, der auf seinem Körper getrocknet war, fing an zu jucken.
Er hasste sie, diese White. Dieses Miststück. Dieses Aas. Er wünschte, er könnte es ihr irgendwie heimzahlen. Ihr irgendwann all die Ungerechtigkeiten, die sie ihm angetan hatte, unter die Nase reiben, damit sie begriff, wie er sich dabei fühlte. Damit sie endlich Ruhe gab.
Sie hatte nur Angst, erkannte er. Angst zu versagen.
Na und? War das ein Grund, ihn vor dem Commander schlechtzumachen? Alan hieb mit der Faust an die Wand. Er wollte keine Spielchen spielen, er war nicht daran interessiert, sich beim Commander einzuschmeicheln. Er wollte verdammt noch mal nur seine Arbeit tun. Und er wollte sie gut machen. Alles andere war ihm egal. Es ging ihm nur darum, dazu beizutragen, ihr aller Leben zu retten. Das war alles.
Wie kam sie dann darauf, dass er ihr Vorwürfe machen wollte? Oder, dass er versuchte, seine Akte sauber zu halten? Das war vielleicht ihre Art und Weise, mit den Dingen umzugehen, aber nicht seine. Er hatte sich nichts vorzuwerfen. Sie war diejenige, die das Ganze verbockt hatte. Hätte der Commander ihn geschickt, dann wäre das Gespräch mit den Krail-on anders ausgegangen.
Verflucht! Warum war er nur Junior Lieutenant?
Mit einem Stöhnen richtete er sich auf und barg das Gesicht zwischen den Knien. Was gäbe er darum, jetzt an ihrer Stelle zu sein. Oder Zweiter Offizier. Das würde ja schon genügen. Dann hätte sie kein Recht mehr, ihn so abzukanzeln. Wenn der Commander doch nur seine Andeutung wahr machen würde.
Bei Gott, er wünschte das Mabuto nicht. Er mochte ihn. Aber der Zweite Offizier war für dieses Schiff untragbar geworden. Er konnte seine Stelle nicht mehr ausfüllen. Es wurde Zeit, dass der Commander ihn seines Dienstes enthob und jemand anderen an seine Stelle setzte. Jemanden, der fähiger war.
Wieder hieb Alan an die Wand.
Aber er hatte es versiebt. Warum nur hatte er nicht seinen Mund gehalten? Er kannte White doch inzwischen. Er wusste doch, dass sie eine Giftspritze war. Weshalb ließ er es dann immer wieder zu, dass sie ihn provozierte? Weil er ein Idiot war. Weil er ein dreimal verfluchter hitzköpfiger Idiot war. Dass er hier saß, war nur gerecht. Er hatte es nicht anders verdient.
Und was war mit der Crew? Hatte sie es verdient, wenn sie aufgrund seiner Dummheit eine Chance verpasste?
Alan sprang auf und lief zum Schott. Ungewollt ballte er die Fäuste. Es drängte ihn danach, auf die Stahlfüllung einzuschlagen, um sich irgendwo abzureagieren. Um den Zorn loszuwerden, die Wut und die Hilflosigkeit. Stattdessen ließ er die Stirn gegen den Stahl sinken und stemmte die Fäuste dagegen.
Sie feierten jetzt in der Kantine, erinnerte er sich. Dean würde endlich sein Steak erhalten und vielleicht gab es ja sogar Schokoladeneis für Yael. Sie hatten es sich verdient. Sie hatten es verdient zu leben, ein langes Leben, ein glückliches Leben. Nicht diese Scheiße, in der sie hier saßen. Und White verbockte es und machte damit vielleicht ihre beste Chance auf eine bessere Zukunft zunichte.
Und er stand hier und konnte nichts dagegen tun. Nichts.
Alan hob den Kopf. Die Krail-on planten etwas. Er konnte es fühlen. Sie hatten die Sache geschickt eingefädelt, um die drei leitenden Offiziere auf ihr Schiff zu bekommen. Was wenn sie ein Attentat auf sie planten? Jetzt in diesem Augenblick? Bei dem Gedanken wurde ihm übel.
Sollte er Hayes um Hilfe bitten? Aber was sollte er ihr sagen? Dass er den Krail-on nicht traute? Dass er den Commander für inkompetent hielt? Entweder hielt sie ihn dann für paranoid oder für größenwahnsinnig. Das würde weder seine Situation verbessern, noch irgendetwas daran ändern.
Nein, das hatte alles keinen Sinn. Er musste sich zurückhalten und Informationen sammeln, damit er dem Commander handfeste Beweise vorlegen konnte, falls die Krail-on tatsächlich etwas planten. Vor allen Dingen musste er White gegenüber vorsichtiger sein. Sie würde ihre Position gnadenlos ausnutzen, um ihn in die Pfanne zu hauen. Das konnte er sich nicht leisten. Wenn er etwas ausrichten wollte, dann musste er zusehen, dass sich sein Verhältnis zum Commander wieder besserte. Dann würde der ihm zuhören.
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