Peter Asbjørnsen - Norwegische Volksmährchen I.

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P. Asbjörnsen , Jörgen Moe

Norwegische Volksmährchen I. / gesammelt von P. Asbjörnsen und Jörgen Moe

Vorwort

Vor funfzig Jahren etwa waren bei vielen ernsthaften, selbst gebildeten Leuten die Mährchen, Erzählungen von Feen und seltsamen Erscheinungen von Gespenstern und Geistern in üblem Ruf. Die Geschichten der Tausend und Einen Nacht genossen bei poetischen Gemüthern einige Achtung, sie waren wenigstens von den Leihbibliotheken nicht ausgeschlossen. Die Erzählungen meiner Mutter Gans waren über ganz Europa verbreitet, doch nur in den Händen der Kinder. Einige Jahre früher hatte unser deutscher Musäus seine humoristischen Volksmährchen fast als stärkendes Mittel in die damals überfluthende weichliche Sentimentalität hineingeworfen, und sie fanden allgemeinen Beifall, den sie auch bis jetzt sich erhalten haben, obgleich das poetische Element dieser alten Volks-Sagen und Dichtungen nicht selten durch Anspielungen auf ganz moderne Dinge und zu prosaische Zustände verfinstert ist. Man rechnete aber diese exotischen Pflanzen und Blumen nicht zur eigentlichen Literatur, und als ich um 1796 meine Versuche in dieser Art herausgab und uralte Geschichten in ein andres Gewand kleidete, wurde ich von vielen meiner Freunde und Wohlwollenden sehr ernsthaft getadelt.

Wie hat sich seitdem diese Gegend der Bücherwelt verwandelt! Eine ganze reiche Literatur dieser Mährchen ist entstanden und aus allen Ländern der Erde zusammengetragen.

Viele von diesen Volks- und Kindermährchen sind durch Tradition und viele Jahre verwandelte und verderbte epische Gedichte, und es ist interessant und rührend überraschend, wenn von Zeit zu Zeit im verschütteten Grunde der alte Baum noch grünend wiedergefunden wird, den gedächtnißlose Jahre in ein unkenntliches Sträußchen zusammengetrocknet haben. Ergeht man sich in diesen Forschungen, so wird unser Sinn endlich verwirrt und schwindelnd, weil bei zu genauer Untersuchung Indien und Frankreich, Deutschland und Italien mit Island und dem Nordpol zusammenfließen. Alle Völker, alle Kinder haben sich von je an größeren und kleineren Mährchen ergötzt, Kinder selbst haben manche erfunden, oder die sie hörten auf ihre Art nachgeahmt, andre, alte und junge Frauen haben diese auf ihre Art wieder umgebildet, und so findet der Suchende jetzt in allen Ländern zum Theil dieselben Sagen wieder, mehr oder minder vom Clima, dem Süden oder Norden gefärbt.

Und so nehme man auch diese Sammlung freundlich auf, diesen nordischen Strauß von Spätblumen und einigen seltsamen Pflanzen. Die interessantesten möchten wohl die Erzählungen sein, die von einem leichten, gutmüthigen Humor angefärbt sind. Wenn Aschenbrödel, Blaubart, und manche ganz allgemein verbreitete Legenden oft und unter mancherlei Gestalten vorkommen, so lasse man sich auch die oft nicht bedeutende Variation gefallen, und bei einfachen, natürlichen Kindern müßten die meisten dieser Geschichten Eingang und eine freundliche Aufnahme finden.

Immer in ähnlicher Gestalt mit zwei bis neun Köpfen erscheint der ungeschlachte, boshafte Riesengeist Troll. Um 1790, als W. v. Schlegel noch in Göttingen lebte, und sehr befreundet war mit unserm deutschen Dichter Bürger, ergingen sich Lehrer und Schüler auch oft in den Wäldern nordischer Poesie. Damals war selbst unter Gelehrten in Dänemark und Schweden nicht viel Kunde von dieser Region, und so bildete sich der poetische Bürger ein, unser deutsches Wort drollig sei von diesem schadenfrohen Nordgeiste abgeleitet, und in diesem Glauben bildete Schlegel nachher in seinem Sommernachtstraum den Kobold Droll, statt des englischen alt-nationalen Puck, welcher freilich ein ganz anderer und mehr komischer Gesell ist, als diese Trollgeister sich zeigen. Schon vor vielen Jahren stritt ich mit Schlegel über diesen (vielleicht unbedeutenden) Punkt, bis denn zu Maria Weber's Oberon ein Engländer selbst seinem Puck ungetreu geworden ist, und diesen neu beförderten Geist Droll singen und sprechen läßt.

Meinen Dank dem kundigen Übersetzer, der mich diese Sagen hat kennen lernen, und dessen Wunsch ich gern genügt habe, ein kleines einleitendes Wort dieser Sammlung vorzusehen.

L. Tieck. Potsdamin den letzten Tagen des October 1846, unmittelbar nach einer schweren Krankheit.

1.

Von Aschenbrödel, welcher die silbernen Enten, die Bettdecke und die goldne Harfe des Trollen stahl

Es war einmal ein armer Mann, der hatte drei Söhne. Als er starb, wollten die beiden ältesten in die Welt reisen, um ihr Glück zu versuchen; aber den jüngsten wollten sie gar nicht mit haben. »Du da,« sagten sie: »taugst zu nichts Anderm, als in der Asche zu wühlen. Du!« – »So muß ich denn allein gehen,« sagte Aschenbrödel. Die beiden gingen und kamen zu einem Königsschloß; da erhielten sie Dienste, der eine beim Stallmeister, und der andre beim Gärtner. Aschenbrödel ging auch fort und nahm einen großen Backtrog mit, das war das Einzige, was die Ältern hinterlassen hatten, wonach aber die andern beiden nichts fragten; der Trog war zwar schwer zu tragen, aber Aschenbrödel wollte ihn doch nicht stehen lassen. Als er eine Zeitlang gewandert war, kam er ebenfalls zu dem Königsschloß, und dort bat er um einen Dienst. Sie antworteten ihm aber, daß sie ihn nicht brauchen könnten; da er indeß so flehentlich bat, sollte er zuletzt die Erlaubniß haben, in der Küche zu sein und der Köchinn Holz und Wasser zuzutragen. Er war fleißig und flink, und es dauerte nicht lange, so hielten Alle viel von ihm; aber die beiden Andern waren faul, und darum bekamen sie oft Schläge und wenig Lohn und wurden nun neidisch auf Aschenbrödel, da sie sahen, daß es ihm besser ging.

Dem Königsschloß grade gegenüber, an der andern Seite eines Wassers, wohnte ein Troll, der hatte sieben silberne Enten, die auf dem Wasser schwammen, so daß man sie von dem Schloß aus sehen konnte; die hatte sich der König oft gewünscht, und deßhalb sagten die zwei Brüder zu dem Stallmeister: »Wenn unser Bruder wollte, so hat er sich gerühmt, dem König die sieben silbernen Enten verschaffen zu können.« Man kann sich wohl denken, es dauerte nicht lange, so sagte der Stallmeister es dem König. Dieser sagte darauf zu Aschenbrödel: »Deine Brüder sagen, Du könntest mir die silbernen Enten verschaffen, und nun verlange ich es von Dir.« – »Das habe ich weder gedacht, noch gesagt,« antwortete der Bursch. »Du hast es gesagt,« sprach der König: »und darum sollst Du sie mir schaffen.« – »Je nun,« sagte der Bursch: »wenn's denn nicht anders sein kann, so gieb mir nur eine Metze Rocken und eine Metze Weizen; dann will ich's versuchen.« Das bekam er denn auch und schüttete es in den Backtrog, den er von Hause mitgenommen hatte, und damit ruderte er über das Wasser. Als er auf die andre Seite gekommen war, ging er am Ufer auf und ab und streu'te und streu'te, und endlich gelang es ihm, die Enten in den Trog zu locken und nun ruderte er, all was er nur konnte, wieder zurück.

Als er auf die Mitte des Wassers gekommen war, kam der Troll an und ward ihn gewahr. »Bist Du mit meinen sieben silbernen Enten davongereis't, Du?« fragte er. »Ja – a!« sagte der Bursch. »Kommst Du noch öfter, Du?« fragte der Troll. »Kann wohl sein,« sagte der Bursch. – Als nun Aschenbrödel mit den sieben silbernen Enten zurück zu dem König kam, wurde er noch beliebter im Schloß, und der König selbst sagte, es wäre gut gemacht. Aber darüber wurden seine Brüder noch aufgebrachter und noch neidischer auf ihn und verfielen nun darauf, zum Stallmeister zu sagen, jetzt hätte ihr Bruder sich auch gerühmt, dem König die Bettdecke des Trollen mit den silbernen und goldnen Rauten verschaffen zu können, wenn er bloß wolle; und der Stallmeister war auch diesmal nicht faul, es dem König zu berichten.

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