1 ...7 8 9 11 12 13 ...27 »Hätte ich denn meine Meinung für mich behalten sollen? Du weißt doch, was der Commander zu mir gesagt hat. Er will doch, dass ich ihm meine Ideen vortrage, soll ich da aus Angst, dass White mir einen Strick daraus dreht, schweigen?«
Dean schob das Schachbrett beiseite. »Nein, aber du könntest diplomatischer vorgehen.«
Alan lachte auf. Er ging zurück zum Bett und ließ sich neben Dean fallen. »Das versuche ich doch.«
Dean grinste. »Nicht gut genug, Alter.«
»Ich wüsste nicht, wie ich es besser machen sollte.«
»Indem du beispielsweise aufhörst, alle Doppelschichten an dich zu reißen. White wird dir irgendwann auf die Schliche kommen, jetzt wo sie und der Commander sich Mabutos Schicht teilen. Sie ist nicht dumm.«
»Du hast ja recht.« Mit einem Seufzen stützte Alan das Kinn auf die über den Knien verschränkten Arme. »Aber Pola schafft das nicht. Soll ich denn noch einmal dabei zusehen, wie jemand unter meinem Kommando … zerbricht.« Er quetschte das letzte Wort zwischen seinen Zähnen hervor.
»Alan, du konntest nichts dafür.«
Alan holte tief Luft. »Ich hätte es wissen müssen.«
»Woher denn?«
»Wir waren … die ganze Zeit … beisammen. Ich hätte es wissen müssen.« Alan versuchte, den Kloß hinunterzuwürgen, der in seiner Kehle wuchs.
Behutsam legte Dean die Hand auf seine Schulter. »Sie war nicht die Einzige. Viele haben sich damals … nach der Schlacht umgebracht. Du musst dir keine Vorwürfe machen.«
Alan sah Dean an. »Würdest du es nicht tun, wenn Deirdre sich umgebracht hätte?«
Dean schwieg. Deirdre war auf der Akademie seine Flamme.
Erinnerungen überfielen Alan. An Katsukos Lachen, ihre schlanken Hände, die die seinen streichelten, ihr Blick, in dem alles lag, wonach er sich sehnte – was er aber nie haben durfte. Nicht solange sie beide an Bord des gleichen Schiffes dienten.
»Ich quittiere den Dienst«, hatte sie gesagt, an jenem verrückten Freitag, als sie zurück aufs Schiff gerufen worden waren, nach Alans denkwürdigem Streit mit seinem Vater. Der Tag, an dem sie ausgerückt waren, um einer Nachricht nachzugehen, deren Spur ihnen das Zerstörungswerk der Irhog offenbarte. »Ich quittiere den Dienst, dann können uns die Dienstvorschriften egal sein.«
Sie hatte nie zu ihm gesagt: »Ich liebe dich.«
»Es tut mir leid.« Dean drückte Alans Schulter, bevor er die Hand zurückzog. »Aber, nun ja, es klingt vielleicht verrückt, wenn ausgerechnet ich das zu dir sage. Denk an deine Pflicht.«
»Ich weiß.« Mit brennenden Augen ließ sich Alan gegen die Stahlwand sinken.
»Versuch was Neues«, schlug Dean vor. »Red mit dem Commander! Lass Pola mit seinem Einverständnis wenigstens eine halbe Schicht zusätzlich fahren. Sonst läufst du in Whites Falle.«
»Und Pola? Wie sieht es aus, wenn ich sie beim Commander anschwärze? Immerhin ist sie meine Untergebene.« Hatte er dann nicht genauso versagt, überlegte Alan.
»Du hast alles versucht. Wenn du so weitermachst, machst du dich kaputt, Alter.« Bei den Worten begann Dean, das Schachspiel wegzuräumen.
Mit einem Seufzen strich sich Alan übers Gesicht. »Bin ich so ein mieser Vorgesetzter?«
»Quatsch«, grinste Dean. »Hey, Jäggi ist viel zu feige, um sich umzubringen, und Harrison ist so cool, der pisst Eiswürfel. Ich hab einfach nur Glück gehabt. Das ist alles.«
Gegen seinen Willen musste Alan lachen.
»Mister McBride.«
Whites Stimme glich einem Schlag gegen die Kniekehlen. Alans Schritt stockte. Er kam ins Schleudern, fasste sich im letzten Moment und nahm vor ihr Haltung an. Sie hatte ihn direkt vor der Brücke abgefangen. »Ma’m.«
»Ich warne Sie, Junior Lieutenant. Halten Sie sich zurück oder ich werde irgendetwas finden, das Ihnen das Genick bricht.« Ihre Augen spießten ihn förmlich auf.
»Ja, Ma’m. War das alles, Ma’m?« Alan neigte den Kopf, um einen Gruß anzudeuten. Alles, was er wollte, war, von hier fort zukommen.
»Nein«, fauchte White. »Glauben Sie ja nicht, dass ich tatenlos dabei zusehe, wie Ihre Profilierungssucht einem guten Mann den Gnadenstoß versetzt.«
»Ich habe nicht vor …«
»Denken Sie daran!« Mit einem Schritt kam White auf ihn zu und setzte ihm den Zeigefinger auf die Brust. »Ihr Fürsprecher ist tot. Sie haben niemanden mehr, der die Fehler wieder ausbügelt, die Sie begangen haben.«
Alan sah ihr in die Augen. »Ma’m, ich versichere Ihnen. Ich habe nie einen Fürsprecher gebraucht.«
Mit einem tiefen Atemzug nahm White den Finger von seiner Brust. »Reizen Sie mich nicht, Mister McBride. Ich bin noch nicht mit Ihnen fertig.« Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und öffnete mit einem Schlag auf das Bedienpanel das Schott.
So viel zu deinen Ratschlägen, Dean , dachte Alan.
Diverse Spekulationen kursieren darüber, wie es dazu kommen konnte, dass die Irhog unsere Zivilisation so vollständig und ohne Vorwarnung auslöschen konnten. Immer wieder werden in diesem Zusammenhang Vorwürfe gegen die ExCo Inc. und Präsident Green geäußert: Sowohl Green als auch der Vorstand der ExCo Inc. hätten das Risiko einer kriegerischen Auseinandersetzung wissentlich hingenommen. Diese Vorwürfe sind nicht von der Hand zu weisen, die Hintergründe jedoch komplizierter, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
Eine Analyse der Apokalypse, Aaron Silverberg, Politologe
Als Alan die Brücke betrat, war der Commander noch nicht da. Pola räumte mit einem Grunzen das Steuer und kehrte ihm den Rücken zu, bevor sie den Raum verließ. Alan beschloss, diesem Versteckspiel ein Ende zu bereiten und mit ihr nach dieser Schicht zu reden. Mit einem Knopfdruck verbannte er den Displaymodus in eine Ecke des Monitors und stellte auf Basismodus um. Als eine Zahlenkolonne den Monitor überflutete, fühlte er sich gleich wohler.
Das Schott zischte.
Alan warf einen Blick über seine Schulter. Er hatte Delacroix erwartet, aber es war nur Dean, der fünf Minuten zu spät auf der Brücke eintraf.
»Wurde ja auch Zeit«, brummte Jäggi.
Dean ignorierte die Worte und wartete mit Engelsmiene, bis sein Stellvertreter seine Fleischmassen vom Stuhl gehievt hatte.
Das Zischen des Schotts zeigte, dass Jäggi gegangen war.
»Ist der Commander im Bereitschaftsraum?«, fragte Dean in die Runde.
Alan zuckte mit den Achseln und sah Nguyen an, der vor ihm auf der Brücke gewesen war.
Doch dieser schüttelte den Kopf. »Nein, er ist noch nicht aufgetaucht«, setzte Nguyen hinzu. »Misses White hat mir die Brücke übergeben, bevor sie gegangen ist. Ich weiß auch nicht, wo er bleibt.«
Irgendetwas stimmte nicht. Der Commander war noch nie zu spät zu einer Schicht erschienen.
»Gab es irgendwelche Funksprüche, während ich weg war?«, fragte Alan. Vielleicht hatten sich die Krail-on gemeldet und der Commander besprach sich mit White.
Nguyen schüttelte den Kopf. »Nein, Mister McBride. Es sind auch keine verzeichnet.«
»Haben Sie ihn schon gerufen?«
Nguyen starrte Alan an. »Ich … äh … Sie meinen …«
»Haben Sie was an den Ohren?«, mischte sich Dean ein.
Nguyen errötete und betätigte die Schiffskommunikation. »Brücke ruft Commander Delacroix. Ensign Nguyen spricht. Bitte melden Sie sich!«
Alan hatte den Verdacht, dass er keine weitere Silbe herausgebracht hätte.
Es dauerte eine Weile, bis eine Antwort kam. »Krankenstation an Brücke. Doktor Hayes spricht. Commander Delacroix … fühlt sich nicht gut. Ersatz ist unterwegs.« Die Ärztin klang, als stünde sie unter Stress.
Krankenstation? Alan starrte auf seinen Monitor. Er konnte nicht glauben, dass Delacroix wegen einer Lappalie nicht zum Dienst erscheinen würde. Der Besuch bei den Krail-on fiel ihm wieder ein. Aber der Commander hatte ihm doch gesagt, Hayes habe sie untersucht. Es war doch alles in Ordnung gewesen. Doch bevor er den Gedanken zu Ende bringen konnte, öffnete sich das Schott und eine bekannte Stimme ertönte.
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