Wenn wir als Oma und Opa so eng in die Familien eingebunden sind, haben wir sicher hin und wieder den Impuls, auf unsere Art und Weise korrigierend einzugreifen. Beteiligen wir uns zu begeistert, geben wir zu viele Tipps, bringen wir lauter Ideen vor oder richten wir gar Ratschläge an die jungen Eltern, kann das dazu führen, dass diese sich klar abgrenzen, wenn ihnen die Einmischung zu viel oder generell unerwünscht ist. Fragen Sie, ob Rat oder Ihre Unterstützung gewollt und benötigt wird. Das Allerbeste ist, wenn die Eltern selbst mit Fragen kommen und die Großeltern einbeziehen. Dabei kann eine ganz wunderbare Nähe zum erwachsenen Kind entstehen. Die Tochter oder der Sohn wünscht sich Hilfe und Unterstützung von der Mutter, nicht Kritik und Besserwisserei. In dieser Situation ergeben sich natürlich viele Fragen, die von uns kundig, vertrauenswürdig und liebevoll beantwortet werden können.
Das bedeutet allerdings nicht, dass wir als Oma und Opa alles akzeptieren müssen. Wir können unsere Meinung natürlich äußern, gerade wenn wir unterschiedliche Vorstellungen haben. Aber auf das »Wie« kommt es an! Nach meiner Erfahrung ist es am besten und erfolgversprechendsten, wenn eine solche Meinungsäußerung respektvoll geschieht. Jede Entwertung, jeder Angriff kann schnell zu Streit und oft sogar zum Bruch innerhalb der Familien führen. Großeltern kommen dann verzweifelt in die Familienberatung und bemühen sich um eine Verbesserung der Beziehungen, um den Kontakt zu den Enkelkindern nicht ganz zu verlieren.
O-Ton: So hat ein Großvater morgens bei der jungen Mutter angerufen und gefragt, ob er seinen Enkel denn am betreffenden Tag sehen könne. Er bekam für den Nachmittag um 17.00 Uhr einen Termin! Er achtete die Grenze, auch wenn er erst sehr enttäuscht darüber war, den Kleinen nicht gleich besuchen zu können .
Wie gut, wenn Sie als Großeltern so achtsam mit den Grenzen umgehen können, die die junge Familie zieht, oder gar so vorsichtig sind, wie der Opa und die Oma in den Beispielen!
O-Ton: Eine Großmutter weiß zu berichten: »Manchmal mache ich Einkäufe für die jungen Eltern, die Tüte hänge ich an die Tür und sage dann übers Handy Bescheid. Ich möchte die Kinder nicht stören.«
Eine spezielle Aufgabe mit besonderen Herausforderungen kommt auf Sie als Großmutter oder Großvater zu, wenn Sie mit einer erweiterten Familie konfrontiert werden. So kann es sein, dass durch eine neue Partnerwahl der getrennten Eltern eine Patchwork-Familie entsteht.
Jeder neuen Patchwork-Familie geht die Trennung einer Beziehung voraus, und das ist es, was wir Großeltern mittragen und mitbegleiten. Viele Fragen, die sich den betroffenen Eltern und Kindern stellen, betreffen auch die Großeltern. Oder besser gesagt, sie machen Großeltern betroffen: »Wie gehen wir am besten damit um?« Viele betroffene Großeltern berichteten, dass sie große Hilflosigkeit und Traurigkeit empfanden. In den Eltern- oder Großeltern-Kursen ist dies ein spezielles Thema, und gemeinsam überlegen wir dann, was in einer solchen Situation hilfreich sein kann. Wir haben sehr individuelle Lösungen gefunden; hier finden Sie einige Anregungen:
TIPP
•Neutral bleiben gegenüber den Elternparteien, die sich trennen.
•Parteilich sein dürfen Sie für die Enkelkinder. Bleiben Sie einfach als Oma und Opa auf der Seite der Enkel. Die Kinder lieben ihre Mama und ihren Papa. Bei aller Verwirrung der Kinder sind sie meist beiden gegenüber loyal.
•Unterstützung! In dieser Situation hilft beruhigendes Verständnis und Verlässlichkeit, nicht Verurteilung eines Elternteils.
Wenn Sie als Großeltern eine komplexe Patchwork-Familie begleiten, in der die Mutter mit einem neuen Partner oder der Vater mit einer neuen Partnerin, die möglicherweise noch Kinder aus einer vorangegangenen Beziehung mitbringen, leben, wenn dazu noch Kinder aus der aktuellen neuen Beziehung dazu kommen, dann … wird es erst einmal kompliziert. Ja, die Beziehungen dieser Patchwork-Konstellationen sind meist wirklich nicht einfach. Bei solchen Familienstrukturen ist es die Hauptaufgabe der Großeltern, das Familienschiff besonnen durch stürmische Zeiten zu begleiten. Sie sind oft »der Fels in der Brandung« und aus Sicht der Enkel ihre einzigen verlässlichen und vertrauten Beziehungspersonen. Für Kinder bedeutet eine solche neue Zusammenstellung mit der sozialen Elternschaft, der neuen Partnerin oder dem neuen Partner von Mama oder Papa, eine große Herausforderung im Sinne sozialer Anpassung. Großeltern entlasten die Enkel und ebenso die Eltern, wenn sie allen – auch den neuen Familienmitgliedern – mit Höflichkeit und Respekt begegnen. Sollte es darüber hinaus gelingen, sich nicht unnötig einzumischen oder Partei zu ergreifen, dann sind dies die besten Voraussetzungen für ein friedliches Miteinander.
Das Engagement der heutigen Großeltern-Generation ist durchaus bemerkenswert. Großeltern bringen sehr viel Zeit für die Betreuung der Enkelkinder auf und leisten damit einen großen gesellschaftlichen Beitrag zur Kinderbetreuung. Ganz selbstverständlich übernehmen viele der Großeltern diese Aufgabe und erleben positive Familienbeziehungen. In jüngster Zeit gibt es jedoch, insbesondere in der Schweiz, Bestrebungen, nach denen diese Leistungen der (Groß-)Eltern für ihre Kinder und Kindeskinder gewürdigt und honoriert werden sollten, ganz offiziell. 4 So fordert etwa das Netzwerk Großmütter-Revolution , ein Zusammenschluss von Großmüttern, für die Betreuung der Enkelkinder eine Entschädigung. Laut dem Bundesamt für Statistik (BfS) betreut in der Schweiz jede zweite Großmutter ihre Enkelkinder mindestens einmal pro Woche. Bei Großvätern ist es jeder Dritte. Es gibt Berechnungen von 2016, denen zufolge Großeltern 160 Millionen Stunden pro Jahr ihre Enkel betreuen, was umgerechnet 8146 Millionen Franken kosten würde. Weitere Nachforschungen haben aufgezeigt, dass Großeltern zudem ihre Familien finanziell großzügig unterstützen. Aus Beratungen ist mir bekannt, dass um das Thema Geld viele Konflikte und Streitigkeiten entstehen, in die oft auch die Großeltern verwickelt sind. Da geht es um Vorwürfe, dass die junge Familie nicht mit Geld umgehen könne oder dass die Eltern nicht genügend erarbeiten würden. Wenn möglich, springen dann auch die Großeltern ein.
O-Ton: »Gerade am Samstag war ich mit meiner Tochter und der Enkelin Schulranzen kaufen«, erzählt eine Großmutter. »Wir haben eine Kaufaktion für Schultaschen genutzt. Meine Enkelin kommt im Herbst zur Schule, und sie war ganz aufgeregt und freute sich sehr. Sie durfte sich den Schulranzen aussuchen, und sie war so stolz! Die Oma hat den Schulranzen bezahlt!«
Großeltern investieren in die Ausbildung der Enkel, sie helfen bei der Finanzierung von Kindergarten- oder Schulgebühren, wenn diese insbesondere bei alternativen oder privaten Einrichtungen sehr hohe Kosten für die Eltern bedeuten. Ebenso ist es weit verbreitet, dass die Großeltern sich an den Kosten für den Sportverein oder Musikunterricht der Enkel beteiligen. Sie holen und bringen dazu die Kinder ganz regelmäßig zu den unterschiedlichen Einrichtungen. Großeltern geben wirklich eine ganze Menge! Es gibt allerdings auch Großeltern, die mit einer sehr kleinen Rente auskommen müssen. Besonders prekär ist es, wenn die eine Seite der Großeltern relativ viel Geld hat und die andere Seite über weniger finanzielle Mittel verfügt. So beklagte sich eine Oma, dass sie ihre Enkelkinder so selten sieht, sie ihnen keine teuren Geschenke machen und sie auch nicht zu kostspieligen Ausflügen einladen kann. Sie leidet sehr darunter.
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