Die neuere Rechtsprechung und die wohl herrschende Meinung kommen zu dem gleichen Ergebnis. Die rechtlichen Folgen der Nichtigkeit eines lizenzierten Patentes auf den Lizenzvertrag wurden jedoch in ständiger Rechtsprechung aus dem Institut des Wegfalls bzw. der Änderung der Geschäftsgrundlage gefunden, das jetzt in § 313 BGB geregelt ist, ohne dass sich dadurch die Rechtsprechung und die Literatur ändern dürften.57 Daraus ergibt sich die Regelung, den Vertrag an die konkreten veränderten Umstände anzupassen. Dabei kann die Anpassung des Vertrages z.B. in einer Minderung der zu erbringenden Leistung liegen oder zu einer Beendigung des Vertrages durch Rücktritt oder Kündigung führen.
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Im Übrigen muss die Nichtigerklärung eines lizenzierten Patentes keineswegs immer zur Beendigung des Lizenzvertrages führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Gegenstand des Lizenzvertrages mehrere Schutzrechte oder ein Patent und Know-how sind. Trotz Vernichtung z.B. des einzigen Schutzrechtes wäre ein großes Interesse des Lizenznehmers am Fortbestand des Lizenzvertrages möglich, sei es mit oder ohne Anpassung der ihm obliegenden Leistungen, wenn der Lizenzgeber verpflichtet ist, während der Vertragsdauer gewonnene Erkenntnisse bekannt zu geben und diese für den Lizenznehmer von großem Interesse sind.58
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Entfällt daher während der Dauer des Lizenzvertrages ein lizenziertes Schutzrecht, so wird die Geschäftsgrundlage regelmäßig zumindest geändert sein, ggf. ist sie sogar entfallen. Die nach der Rechtsprechung sich dann ergebende Notwendigkeit der Anpassung des Vertrages ist unabhängig davon, ob der Lizenzvertrag sich auf ein erteiltes Patent,59 auf ein Gebrauchsmuster,60 auf eine bekannt gemachte Patentanmeldung61 oder auch nur auf eine Erfindung, die erst zur Schutzrechtserteilung angemeldet werden soll, die nicht zum Erfolg führt,62 bezieht.
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Auch wenn das lizenzierte Schutzrecht zwar noch nicht entfallen ist, seine Vernichtbarkeit aber doch offenbar oder zumindest wahrscheinlich geworden ist und das Patent seine geschäftliche Wirkung nicht mehr äußert, soll ebenfalls über das Prinzip des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertrages erfolgen.63 Diese Situation ist insbesondere dann gegeben, wenn die Konkurrenten des Lizenznehmers unbekümmert um das nur noch formale Bestehen des Patentes dessen Inhalt verwerten und danach arbeiten. Der Lizenznehmer kann dann den Lizenzvertrag zur Auflösung bringen.64 Andererseits wird die Rechtsverbindlichkeit eines Lizenzvertrages über ein Gebrauchsmuster sowie die Verpflichtung des Lizenznehmers zur Zahlung der vereinbarten Lizenzgebühren durch das Fehlen der Schutzvoraussetzungen der Neuheit, des Fortschritts und der Erfindungshöhe mangels abweichender Parteivereinbarungen so lange nicht berührt, wie das Gebrauchsmuster formell in Geltung steht und von den Mitbewerbern respektiert wird.65
Die Vernichtbarkeit des lizenzierten Schutzrechtes hat daher grundsätzlich keine Wirkung auf den Lizenzvertrag, solange die mit der Lizenz erstrebte Vorzugsstellung gewahrt ist.66
Die insoweit vorliegende Rechtsprechung beruht dabei auf folgender Überlegung: Solange das erteilte Patent noch nicht für nichtig erklärt worden ist, kann der Patentinhaber bzw. der Patentanmelder das ihm gegebene Ausschließlichkeitsrecht gegen jedermann geltend machen und durchsetzen, außer gegen einen Lizenznehmer, dem er die Benutzung der geschützten Erfindung gestattet hat. Weiterhin ist eine Erfindung, solange sie nicht bekannt gemacht worden ist, Dritten – außer dem Lizenznehmer, dem sie bekannt gegeben worden ist – nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres zugänglich. Ein Dritter, der von der Erfindung Kenntnis erlangt, muss außerdem damit rechnen, Ansprüchen des Anmelders ausgesetzt zu sein. Der Lizenznehmer nimmt mithin, solange das Patent nicht rechtskräftig für nichtig erklärt oder versagt worden ist, an der durch das bereits entstandene Schutzrecht begründeten Vorzugsstellung gegenüber Wettbewerbern teil und bleibt deshalb grundsätzlich bis dahin auch verpflichtet, die für die Teilnahme an dieser Vorzugsstellung vereinbarten Lizenzgebühren zu bezahlen.67
Diese Verpflichtung des Ausgleichs für die Vorteile der dem Lizenznehmer eingeräumten Monopolstellung bezieht sich im Übrigen nicht nur auf Patente, sondern in gleicher Weise auch auf Gebrauchsmuster.68
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Dieses von der (bisherigen) Rechtsprechung herausgearbeitete Ergebnis ließ sich auch aus der Anwendung der bisherigen allgemeinen Vorschriften über die Unmöglichkeit ableiten. Die Grundlage der herrschenden Meinung, dass der Schutzrechtsbestand die Geschäftsgrundlage bilde und diese so lange erhalten bleibe, wie das ggf. zu Unrecht bestehende Schutzrecht als gültig anerkannt worden sei, weil der Lizenznehmer so lange eine tatsächliche Vorzugsstellung genossen und der Lizenzgeber seine Leistung erbracht habe, erschien nicht unbedingt zwingend. Klauer-Möhring wies zu Recht darauf hin, dass der Geschäftswille der Parteien69 auf der Vorstellung, dass das Schutzrecht keinen Bestand hat, im Falle der Lizenzierung eines Patentes nicht aufbaut, vielmehr der Lizenzgeber eher eine unerbringliche Leistung versprochen hat. Hinzu kam, dass eine Anpassung eines Vertrages auf dem Weg über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage nur dann vorgenommen werden konnte, „wenn das Festhalten am unveränderten Vertrag für den Schuldner untragbare, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbare Folgen hätte und ihm deshalb unzumutbar ist“.70
Es bestand daher hier eine gewisse Gefahr, dass ohne ausreichend tragfähige Grundlage Entscheidungen aus dem Gesichtspunkt der Billigkeit gefällt werden, obwohl sich dasselbe Ergebnis auch auf gesetzlicher Grundlage, insbesondere der allgemeinen Vorschriften der §§ 323 ff. BGB a.F., ableiten ließ. Dies zeigten im Übrigen auch sehr deutlich die Ausführungen von Kraßer .71
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Unabhängig von diesen dogmatischen Streitfragen ist allerdings nicht zu übersehen, dass die praktischen Ergebnisse nahezu identisch sind. Auch in der Anwendung der bisherigen Unmöglichkeitsvorschriften wurde bei Vernichtung des Patentes der Vertragspartner von der ihm obliegenden Leistung frei, wenn die Gegenleistung aufgrund eines Umstandes unmöglich wurde, den keiner der Vertragspartner zu vertreten hatte. Eine Nichtigerklärung wird der Lizenzgeber in der Regel jedoch nicht zu vertreten haben.
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Ob im Falle der Nichtigerklärung die Zahlung der Lizenzgebühr verweigert werden konnte, hing davon ab, ob sie eine Gegenleistung für die Zeit vor oder nach der Nichtigerklärung darstellte. Hatten die Parteien fortlaufende Lizenzgebühren vereinbart, so entfiel die Verpflichtung zur Zahlung der Gebühren, soweit diese nach Auflösung des Vertrages aufgrund der Nichtigkeit des Schutzrechtes fällig wurden. Bei Vorliegen besonderer Umstände konnte die Lizenzgebühr schon zu dem Zeitpunkt entfallen, in dem die Vernichtung des Patentes drohte. Die Ansprüche des Lizenzgebers blieben jedoch bestehen, soweit sie vor dieser Zeit fällig wurden.72
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Wurde für die Einräumung einer Lizenz die einmalige Zahlung einer bestimmten Summe (z.B. sog. lump sum) vereinbart, so war in jedem Einzelfall festzustellen, ob der Lizenznehmer nach dem beiderseitigen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien hinsichtlich dieser Zahlung das Risiko eines Fortfalls des Schutzrechtes zu übernehmen hatte. Ergaben sich hierfür keine besonderen Anhaltspunkte, so konnte man dies verneinen und daher dem Lizenznehmer ein Rückforderungsrecht für einen Betrag einräumen, der zu dem Gesamtbetrag in demselben Verhältnis stand wie die vereinbarte Dauer des Lizenzvertrages zu der Zeit bis zur Auflösung des Vertrages.73
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Hatten die Vertragspartner vereinbart, dass neben fortlaufenden Gebühren eine einmalige Zahlung zu erfolgen hatte, so kam es darauf an, welchen Charakter die einmalige Zahlung nach dem Willen der Parteien haben sollte. Häufig lag in einer derartigen einmaligen Zahlung nur ein Entgelt für die Übergabe von Zeichnungen, Modellen, für die Mitteilung besonderer Erfahrungen bei der Herstellung und dgl. oder auch für die Zurverfügungstellung des Patents überhaupt.74 In diesen Fällen verblieb der ganze Betrag dem Lizenzgeber.
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