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Keine sachliche Unmöglichkeit der Leistung lag vor, wenn das überlassene Verfahren gegenüber dem Gegenstand des Patents Besonderheiten aufweist, die ein zusätzliches Betriebsgeheimnis darstellen. Es kam vielmehr nur Leistungsunvermögen wegen entgegenstehender Schutzrechte in Betracht, wenn der Patentinhaber die Benutzung des Verfahrens oder den Vertrieb der Erzeugnisse nicht gestattete,38 da nicht der im Vertrag vorgesehene Lizenzgeber, sondern nur der Patentinhaber die Nutzung des Patentes gestatten kann.
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Ein Vertrag, der auf eine ursprünglich unmögliche Leistung gerichtet war, war gem. § 306 BGB a.F. nichtig. Derjenige, der bei Vertragsschluss wusste oder aufgrund von Fahrlässigkeit nicht wusste, dass es unmöglich war, die vertraglich versprochene Leistung zu erbringen, war dem Vertragspartner zum Schadensersatz verpflichtet (negatives Interesse), es sei denn, dass diesem ebenfalls bekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt war, dass die in Frage stehende Leistung unmöglich war.39
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War die Leistung zwar sachlich möglich, konnte sie aber vom Lizenzgeber von Anfang an nicht erbracht werden (Unvermögen), so hatte er hierfür in jedem Fall einzustehen. Der Lizenznehmer konnte auf Erfüllung oder – wenn das Unvermögen dauernd war – sofort auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung klagen.40 In Betracht kamen hier vor allem die Fälle, in denen der Lizenzgeber zur Lizenzvergabe nicht berechtigt war und in denen feststand, dass er die Berechtigung hierzu auch nicht erlangen konnte.
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Bestand das Schutzrecht, für das die Lizenz erteilt wurde, formell nicht, so kam es darauf an, ob es generell nicht erworben werden konnte oder ob nur der Lizenzgeber hierzu nicht in der Lage war. Im ersten Fall handelte es sich um eine Unmöglichkeit, im zweiten dagegen um ein Unvermögen. War das Unvermögen vorübergehend, so traten die Verzugsfolgen ein.41 Unter gewissen Umständen konnte ein vorübergehendes Unvermögen einem dauernden Unvermögen gleichzusetzen sein. Dies ergab sich insbesondere aus der Interessenlage der Parteien, die dazu führen konnte, dass vorübergehende Leistungshindernisse nach den Umständen des Einzelfalls dauernden gleichzusetzen waren.42 Dies konnte erhebliche Konsequenzen haben, da die Leistungspflichten der Parteien bei einem dauernden Leistungshindernis erloschen und bei vorliegendem Verschulden ein Schadensersatzanspruch entstand. Bei einem nur vorübergehenden Leistungshindernis traten zwar die Verzugsfolgen ein, die Leistungspflicht als solche blieb jedoch bestehen.
b) Rechtslage ab dem 1.1.2002
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Ab dem 1.1.2002 gilt Folgendes: Lag das Leistungshindernis bereits bei Vertragsabschluss vor (anfängliche objektive Unmöglichkeit), ändert dies nichts an der Wirksamkeit des Vertrags. Die Unmöglichkeit ist lediglich eine Pflichtverletzung (§ 280 BGB). Dem Schuldner steht die Einwendung aus § 275 Abs. 1 BGB zu. Die Gläubigerrechte (§ 275 Abs. 4 BGB) bestimmen sich nach den §§ 280, 283–285, 311a, 326 BGB. Kannte der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss und hat er seine Unkenntnis auch zu vertreten, besteht im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage ein Schadensersatzanspruch des Gläubigers auf das positive Interesse oder nach seiner Wahl Ersatz seiner Aufwendungen gem. § 284 BGB (§ 311a Abs. 2 BGB). § 311a Abs. 2 Satz 2 BGB sieht wie § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Beweislastumkehr vor: Der Schuldner hat den Grund für die aus seinem Bereich stammende Störung zu vertreten. Das anfängliche Unvermögen des Schuldners fällt jetzt ebenfalls unter § 311a Abs. 1 BGB.43
Ann/Barona 44 sehen zu Recht zwei Risiken: Die Haftung auf das positive Interesse könnte gerade bei Lizenzverträgen, die nach bisherigem Recht nichtig gewesen wären, hohe Schadensersatzbeträge zur Folge haben. Außerdem seien Prozessrisiken aufgrund drohender Quantifizierungsprobleme zu befürchten.
2. Nachträgliche Unmöglichkeit, nachträgliches Unvermögen
a) Rechtslage vor dem 1.1.2002
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Wie bereits ausgeführt, war die nachträgliche Unmöglichkeit von der ursprünglichen Unmöglichkeit zu unterscheiden. Die rechtlichen Folgen waren verschieden. Ausschlaggebend war dabei, ob die Unmöglichkeit schon zur Zeit des Vertragsschlusses vorlag.45
Die nachträgliche objektive Unmöglichkeit und der Fall, dass die Leistung aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstands nur diesem Lizenzgeber nicht möglich ist (Unvermögen), wurden gleich behandelt.46 Wenn im Folgenden von Unmöglichkeit die Rede ist, so ist hierin auch das sog. nachträgliche Unvermögen inbegriffen. Bei Lizenzverträgen spielte (und spielt) die nachträgliche Unmöglichkeit (Unvermögen) eine erhebliche Rolle.
Für die Haftung war ausschlaggebend, ob die Unmöglichkeit vom Lizenzgeber, vom Lizenznehmer oder von keinem von beiden verschuldet ist. Ein Verschulden lag bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit vor. Fahrlässig handelte, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ.47
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Wurde dem Lizenzgeber die Erfüllung seiner Verpflichtung nachträglich unmöglich und traf weder ihn noch den Lizenznehmer ein Verschulden, so wurde er von seiner Verpflichtung frei; er verlor aber auch den Anspruch auf die Gegenleistung, die Lizenzgebühr.48
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Bei teilweiser Unmöglichkeit minderte sich der Anspruch auf die Gegenleistung entsprechend der hierdurch entstehenden Beeinträchtigung des Wertes der Lizenz.49 Man musste aber dem Lizenznehmer auch die Möglichkeit zubilligen, dem Lizenzgeber fristlos zu kündigen, wenn dieser die Beeinträchtigung nicht innerhalb einer ihm vom Lizenznehmer gesetzten angemessenen Frist beseitigte.50
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Wird das Patent für nichtig erklärt, so hat diese Nichtigkeitsentscheidung rechtsgestaltende Wirkung, d.h. sie wirkt für und gegen alle mit rückwirkender Kraft.51 Das Patent gilt von Anfang an als nicht oder bei einer Teilvernichtung als nur in der aufrechterhaltenen oder klargestellten Fassung erteilt. Die Vernichtung wird in die Patentrolle eingetragen.52 Unabhängig von der Rückwirkung der Nichtigerklärung eines Patentes ist diese Nichtigerklärung auf Verträge über die patentierte Erfindung für die Zeit vor Rechtskraft des Nichtigkeitsurteils ohne Einfluss.53 Die Rechtsprechung beurteilt ohne Ausnahme Lizenzverträge als wirksam abgeschlossen, auch wenn das ihnen zugrunde liegende Patent nachträglich für nichtig erklärt wird. Ebenso werden Lizenzverträge über angemeldete Erfindungen sowie über anzumeldende Erfindungen54 behandelt, wenn die Anmeldung nicht zur Erteilung eines Patentes führte.
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Damit stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine solche Nichtigkeit auf Lizenzverträge hat. Hierbei wäre es zunächst möglich, dass die Parteien für den Fall der sich nachträglich herausstellenden Nichtigkeit des Patentes folgende ausdrücklichen Vereinbarungen im Lizenzvertrag treffen:
1. Der Lizenzvertrag wird dann ebenfalls als von Anfang an nichtig betrachtet.
2. Die Wirksamkeit des Vertrages wird überhaupt nicht berührt.
3. Einräumung des Rücktrittsrechtes ex nunc.55
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Soweit keine ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen worden sind und auch eine Auslegung des Vertrages gem. § 157 BGB zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, muss überlegt werden, welche Lösung für diesen Fall angemessen ist. Das Reichsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, es komme nur ein Rücktritt ex nunc in Betracht. Bis zur Nichtigerklärung des Patentes sei der Lizenzvertrag rechtsbeständig. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Lizenznehmer die Lizenzgebühr zu zahlen. Dies rechtfertige sich daraus, dass er bis zu diesem Zeitpunkt tatsächliche Vorteile aus dem Scheinpatent gehabt habe. Ein Patent, das angreifbar sei, aber niemals angegriffen werde, sei so gut wie ein unangreifbares Patent.56
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