Der Lizenznehmer kann nach Auffassung des BGH nicht gezwungen werden, nur „mehr oder weniger unverkäuflichen Schrott zu produzieren“ und „sehenden Auges seinem Ruin entgegenwirtschaften“. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass keineswegs allein der geschäftliche Misserfolg einer Lizenzierung dazu führt, die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzuwenden. Selbst wenn die Vertragsparteien von günstigen Umsatzerwartungen ausgegangen sind, die sich nachher in keiner Weise realisieren, wird nicht ohne Weiteres Raum für die Anwendung dieser Grundsätze sein. Der BGH hat in diesem Zusammenhang betont, dass der geschäftliche Misserfolg eines Lizenzvertrages grundsätzlich in den Risikobereich des Lizenznehmers fällt.93 Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn ausnahmsweise bestimmte Bedarfs- oder Umsatzzahlen Geschäftsgrundlage geworden sind.
Steht jedoch die Unzumutbarkeit einer weiteren Lizenzausübung wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit des Lizenzgegenstandes fest und sieht der Vertrag selber keine angemessene, kurze Kündigungsfrist vor, wird man dem Lizenznehmer ein derartiges Kündigungsrecht zubilligen müssen. Da in diesem Fall die Anpassung eines Vertrages nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen kann, erscheint nur die Aufhebung des Lizenzvertrages infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglich.94 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der BGH die Frage ausdrücklich offengelassen hat, ob z.B. der Wegfall einer Ausübungspflicht im Hinblick auf die technische Unverwertbarkeit der Erfindung die Parteien berechtigen könnte, das gesamte Vertragsverhältnis etwa durch Kündigung zu lösen.95
Bei Lizenzverträgen über Geheimerfindungen, für die kein Schutzrecht besteht, gilt dasselbe, wenn die Erfindung offenkundig wird. Eine offenkundige Erfindung kann von jedermann nachgeahmt werden. Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Lizenznehmer noch am Vertrag festzuhalten. Die Aufrechterhaltung des Lizenzvertrages kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt sein.96
2. Rechtslage ab dem 1.1.2002
86
§ 313 BGB regelt jetzt den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Inhaltlich sind die Grundsätze der Rechtsprechung übernommen worden. Es kann daher auf die Ausführungen in Rn. 85 verwiesen werden.97
89Die Ausführungen zur Rechtslage vor dem 1.1.2002 bleiben nach wie vor relevant, da es aufgrund der gesetzlichen Laufzeit von Schutzrechten, aber auch aufgrund des sehr oft sehr langen Geheimnisschutzes von geheimem Know-how und entsprechenden Lizenzverträgen immer noch Lizenzverträge gibt, die nach dem Recht vor dem 1.1.2002 abgeschlossen wurden. BGH, 21.11.1968, NJW 1969, 233, 234; BGH, 13.11.1975, NJW 1976, 565, 566; Benkard, PatG, Rn. 206 ff., 209 ff. zu § 15 m.w.N. 90Lüdecke/Fischer, S. 469; Reimer, PatG, Anm. 55 und 112 zu § 9; Tetzner, Anm. 20 zu § 9. 91Schade, S. 93; Pfaff/Osterrieth, S. 241, Rn. 245; Benkard, PatG, Rn. 206 ff. zu § 15. 92BGH, 10.11.1977, GRUR 1978, 166; Benkard, PatG, Rn. 134 ff., 206 zu § 15. 93BGH, 15.3.1973, GRUR 1974, 40, 43; Benkard, PatG, Rn. 206 f. zu § 15. 94Vgl. Falck, GRUR 1965, 302; Schade, S. 102; Storch, GRUR 1978, 168; Benkard, PatG, Rn. 206 f. zu § 15. 95BGH, 11.10.1977, GRUR 1978, 166. 96Henn, Rn. 9, 29, 298 ff. m.w.N.; Stumpf, Der Know-How-Vertrag, Rn. 174, 219 f. 97Palandt/Grüneberg, § 313 Anm. 1 ff., 62.
VI. Verzug
1. Rechtslage vor dem 1.1.2002
87
Hinsichtlich des Verzugs bot der Lizenzvertrag keine Besonderheiten. Erbrachte einer der Vertragspartner die ihm obliegende Leistung schuldhaft nicht rechtzeitig,98 so konnte ihm der andere Teil eine angemessene Frist mit der Erklärung setzen, dass er die Annahme der Leistung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Nach dem Ablauf der Frist war er berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder den Vertrag zu kündigen. Dabei trat das Kündigungsrecht an die Stelle des im § 326 BGB a.F. vorgesehenen Rücktrittsrechts, weil es sich hier um ein Dauerschuldverhältnis handelt.99
2. Rechtslage ab dem 1.1.2002
88
Auch für den Verzug gilt, wie für andere Pflichtverletzungen, die grundlegende neue Vorschrift des § 280 Abs. 1 BGB, wobei der Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB zu ersetzen ist. Voraussetzung für den Verzug ist grundsätzlich die Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB). Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertiger Zahlungsaufstellung leistet (§ 286 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BGB).100
98§ 284 BGB a.F.; § 326 BGB a.F. 99§§ 581 Abs. 2 i.V.m. 542 BGB a.F.; vgl. zur Verzugsproblematik auch Henn, Rn. 205 ff., und Benkard, PatG, Rn. 159 ff. zu § 15. 100S. auch Henn, Rn. 347 f., und Pfaff/Osterrieth, S. 221 f.; Benkard, PatG, Rn. 159 ff. zu § 15.
VII. Positive Vertragsverletzung
1. Rechtslage vor dem 1.1.2002
89
Über die im BGB a.F. ausdrücklich geregelten Fälle hinaus, in denen die Verpflichtung des Schuldners durch Verzug oder durch von ihm herbeigeführte Unmöglichkeit verletzt wurde, kamen Fälle von Forderungsverletzungen vor, die weder eine Unmöglichkeit der Leistung noch einen Mangel noch Verzug darstellten. Es handelte sich hier um die sog. positive Vertragsverletzung. Im Zusammenhang mit Lizenzverträgen kamen positive Vertragsverletzungen in verschiedenster Hinsicht in Betracht. Hingewiesen sei lediglich auf die Fälle, in denen zur Verfügung gestellte Erfindungen schädliche Nebenwirkungen hatten. Dem Lizenznehmer war hier, soweit den Lizenzgeber ein Verschulden trifft, nach allgemeinen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch oder ein Kündigungsrecht zuzubilligen.101
2. Rechtslage ab dem 1.1.2002
90
Ab dem 1.1.2002 wird nicht mehr zwischen Haupt- und Nebenpflichten unterschieden: § 280 BGB ist jetzt die grundlegende Haftungsnorm. § 280 BGB ist im Zusammenhang mit § 241 Abs. 2 BGB zu sehen, der jede Partei eines Schuldverhältnisses zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei verpflichtet.
Wichtig ist die „Unterscheidung zwischen echten vertraglichen (leistungsbezogenen) Nebenpflichten und bloßen Schutzpflichten (nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten)“.102 Der Gläubiger kann Schadensersatz statt der Leistung nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 281–283 BGB verlangen, § 280 Abs. 3 BGB. Wenn der Schuldner die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat (§ 281 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Fristsetzung ist gemäß § 281 Abs. 2 entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat. Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht (z.B. bei einer Pflicht zur Unterlassung einer bestimmten Handlung), tritt an deren Stelle eine Abmahnung (§ 281 Abs. 3 BGB). Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung, ist der Schuldner zur Rückforderung seiner Leistung berechtigt (§ 281 Abs. 5 BGB unter Verweis auf die Rücktrittsvorschriften der §§ 346–348 BGB).
Bei nicht leistungsbezogenen Nebenpflichtverletzungen (bloße Schutzpflichten) kann der Gläubiger gemäß § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn ihm die Leistung durch den Schuldner nicht mehr zumutbar ist (§§ 282, 241 Abs. 2 BGB).
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Die vor dem 1.1.2002 ebenfalls über die Grundsätze der positiven Forderungsverletzung zu behandelnde Haftung für die schuldhafte Verletzung von nach Lizenzvertragsende noch bestehenden Pflichten (z.B. können aufgrund der sog. Auslaufklausel noch beim Lizenznehmer vorhandene lizenzgebührenpflichtige Vertragsgegenstände noch bis zu einem bestimmten Datum verwertet werden oder es bestehen nach Vertragsende z.B. weiterhin noch bestimmte Haftungs-, Geheimhaltungs-, Abrechnungs-, Zahlungs-, Exportgenehmigungspflichten) werden ab 1.1.2002 nach der grundsätzlichen Haftungsnorm des § 280 BGB beurteilt. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Rn. 64 ff., 90 verwiesen.
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