Inhaltsverzeichnis
1. Der gemeine Dieb
2. Der Thronerbe
3. Perfekt geplant ist halb versagt
4. Ein rauschender Ball
5. Wertvolle Beute
6. Hochzeitsglocken
7. Die Hochzeitsnacht
8. Familientreffen
9. Tudan
10. Der Morgen danach
11. Ein romantischer Ausflug
12. Wiedersehen
13. Badefreuden
14. Ein Attentat, mal wieder
15. Leben und überleben
16. Übungen
17. Pläne
18. Ein Scheißjob
19. Alltag einer Ehe
20. Zellengenossen
21. Planlos
22. Sabotage
23. Ein beschwerlicher Weg
24. Ein Turnier
25. Abathiy
26. Unterwegs
27. Vor Gericht
28. Mist
29. Ein Traum wird wahr
30. Sterben
31. Daheim
32. Neubeginn in alten Kleidern
Impressum
Plötzlich Prinzgemahl
Text Copyright © 2016 Regina Mars
Alle Rechte am Werk liegen beim Autor.
Regina Mars
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Umschlagbild und Umschlaggestaltung: Regina Haselhorst
Illustration Copyright © Regina Haselhorst
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Es gab viele Arten, eine Kutsche vom Himmel zu holen.
Man konnte eine Schwarzpulverbombe an einem Pfeil befestigen, die Lunte anzünden und auf das Gefährt feuern. Bumm! Flammen und Rauch überall. Kutschen-, Menschen- und Pegasusfetzen regneten herunter und der fleißige Dieb musste nur noch die Wertgegenstände herauspicken, die sich zwischen den unappetitlichen Teilen befanden. Das war ein Weg.
Eine weit beliebtere Methode war es, den Pegasus ganz vorne mit einem Pfeil zu erschießen. Die restlichen Tiere schafften es nicht mehr, das Gefährt in der Luft zu halten und schmierten ab. Die Wertgegenstände einzusammeln, war so nicht nur leichter, sondern auch appetitlicher. Einziger Nachteil: Eins der Tiere war tot und die Kutsche flog nicht mehr. Nachdem die Insassen ausgeraubt waren, konnte der Dieb nicht fröhlich in das Gefährt hüpfen und verschwinden.
Aber Nat hatte einen weiteren Weg gefunden. Einen, der es ihm ermöglichen würde, alles zu verwerten: Kutsche, Tiere, Insassen … Alles würde unbeschadet auf dem Boden ankommen und wieder abheben können. Hoffte er zumindest.
»Das klappt doch nie«, sagte Gwenna und zog die Nase kraus. Ungläubig starrte sie auf die Vorrichtung in Nats Händen.
»Und wie das funktionieren wird.« Er grinste. »Du hast ja keine Ahnung, zu was dein kleiner Bruder fähig ist.«
»Doch, hab ich. Deshalb mache ich mir ja Sorgen.«
Er schnaubte leise. Gwenna hätte ihm wirklich mehr Vertrauen entgegen bringen können. Nur, weil er ein- oder zweimal …
»Ich weiß noch genau, wie du beschlossen hast, Müllerbrechts Pegasus zu klauen«, sagte sie.
»Das hat ja auch hingehauen.« Nat verschränkte die Arme. »Und mein Plan war super, das musst du zugeben. So weit wie ich ist noch keiner gekommen.«
Bis auf das Dach des dreistöckigen Fachwerkhauses hatte er es dank seiner Klettergreifhaken geschafft. Nach ganz oben, wo Müllerbrechts kräftiges Tier seinen Schlafplatz hatte. Ein Pegasus mit einer Flügelspannbreite von fast zehn Metern, der alleine eine halbe Tonne Mehl transportieren konnte. Tausend Kronen hätte er für den bekommen, mindestens.
»Ja, ja, deine Pläne sind immer super.« Gwenna lehnte sich auf ihrem Ast zurück und sah in den Himmel. »Leider gehen sie immer schief. Weil du jedes Mal ein Detail vergisst. So wie das Detail, dass du nicht reiten kannst.«
»Ich hätt’s fast geschafft«, murmelte Nat.
Wer hätte auch gedacht, dass der Pegasus so bockig sein würde? Sobald er Nat auf seinem Rücken gespürt hatte, war er losgesaust, hatte gebockt und sich geschüttelt … Ihm wurde immer noch ein wenig mulmig, wenn er daran dachte. Zehn Meter über dem Boden hatte das Vieh ihn abgeworfen. Zum Glück war das nächste Dach, auf dem er gelandet war, sechs Meter hoch gewesen und die nächste Regenrinne vier, der Marktstand mit der löchrigen Markise zwei und das Kopfsteinpflaster … Er schauderte.
»Fast geschafft bedeutet, dass ich dich von einer«, Gwenna bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick, »verdammt teuren Heilerin zusammenflicken lassen musste. Dreihundert Kronen hat die Alte mir abgeknöpft.«
»Aber …«
»Und jetzt sei ruhig und konzentrier dich.«
Nat knurrte leise, sah aber ebenfalls nach oben. Um sie herum rauschten die fünffingrigen Blätter. Sie waren auf die größte Kastanie im ganzen Stadtpark geklettert, um nach der Kutsche der Familie von Dübelknecht Ausschau zu halten.
Der Stadtpark war ideal für ihr Vorhaben. Groß, dunkel und still. Nachts verirrte sich niemand hierher, bis auf ein paar Besoffene und Verrückte. Und Diebe, die Besoffene und Verrückte ausraubten. Diebe wie sie. Nur, dass ihre Bande hinter einem weit größeren Fisch her war als den paar Kronen, die ein betrunkener Arbeiter in seinen Taschen hatte.
Dafür ließ sich alles ertragen: der eisige Wind, der unter Nats zerlumpte Klamotten kroch, der harte Ast, dessen Abdruck sich in seinen Hintern grub und das ewige Warten, das seine Arme lahm werden ließ. Seinen Langbogen hatte er neben sich an die zerfurchte Rinde des Stamms gelehnt, damit er ihn gleich packen konnte, sobald die verdammte Kutsche endlich auftauchte.
Das hier war ihre größte Chance. Der Raubüberfall, nach dem sie nie wieder jemanden ausrauben mussten. Na ja, höchstens aus Spaß. Vielleicht würde Nat sich ab und zu aus dem edlen Stadthaus, das er sich kaufen würde, schleichen und auf Diebestour gehen. Um der alten Zeiten willen.
Er kicherte leise. Obwohl die Aufregung in seinem Magen rumorte, konnte er es kaum erwarten, dass es endlich losging …
»Und?«, kam eine heisere Stimme von unten. Robarth klang immer, als hätte er mit einer Mischung aus Glasscherben und Kieselsteinen gegurgelt.
»Noch nichts«, gab Gwenna nach unten weiter.
»S-seid ihr wirklich sicher, dass sie hier lang fliegen?«, fragte Berh zum hundertsten Mal.
»Ja, zur Hölle«, antworteten die anderen vier, wie aus einem Mund.
Die anderen vier, das waren Nat, Gwenna, Robarth und die Zofe. Die Zofe hatte Gwenna letzten Monat in »Kalles Tavernchen« aufgegabelt. Dort hatte sie ihren Frust in Met ersäuft. Na, es zumindest versucht. Der Frust der Zofe war unersäufbar. Nat hatte selten eine so verbitterte Frau getroffen und er war im beschissensten Viertel der Stadt aufgewachsen.
Er mochte die Zofe nicht besonders. Ihre verbissene Miene, ihr überhebliches Getue, ihre Frustfalten und die sich stetig verändernde Geschichte, wie sie ausgepeitscht und aus dem Palast geworfen worden war, obwohl sie nur einen ganz kleinen Hühnchenschlegel geklaut hatte. Und eine ganz alte Decke. Und eine winzige Gallone Wein, einen schon vollkommen abgetragenen Rubinring und ein total wertloses Stück Gold … Na, trotzdem war die griesgrämige Olle die erste Chance, die sie je gehabt hatten, um in den Palast zu kommen.
In den fünf Jahren, die sie dort gedient hatte, hatte sie sich gut umgesehen. Sich eingeprägt, wo sich die kostbarsten Gegenstände befanden und welche davon am schlechtesten bewacht wurden. Und wie der Adel sich verhielt. Das war wertvoll.
Nachdem Gwenna sie mit ins Boot geholt hatte, hatte die Zofe die letzten vier Wochen damit verbracht, Gwenna und Nat beizubringen, sich wie echte Adlige zu benehmen. Elegant zu schreiten, vornehm zu sprechen und die Nase so hoch zu halten, dass es reinregnete.
Gwenna hatte deutlich schneller gelernt als er. Nat konnte es nicht lassen, zu fluchen, sich an den falschen Stellen zu kratzen und Sätze mit »Alter …« zu beginnen. Irgendwann hatten sie entschieden, dass er einen Stummen spielen würde, um wenigstens ein Risiko auszuschließen. Vielleicht wollte Gwenna auch, dass er mal für zwei Stunden die Klappe hielt.
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