Peter Brückner - Das Abseits als sicherer Ort

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Die Kunst, sich der Macht zu entziehen, beherrschte Peter Brückner wie wenige andere. Nachdem seine Mutter, eine jüdische Barsängerin, das Land verlassen hatte, entwickelte er schon in frühen Jahren, ganz auf sich allein gestellt, erfindungsreich eine lebensbejahende Widerständigkeit.
Der beispielhafte Bericht des großen Sozialpsychologen Peter Brückner über das Aufwachsen im NS-Staat zwischen Leiden und Durchmogeln, zwischen Angriffslust und der List der Anpassung; darüber, wie einer dort, wo Kontrolle und der Zwang zum Kollektiv alltäglich werden, Orte sucht, die abseits der Macht liegen – und wie dabei erste Kontakte zur «verbotenen» Kultur mitten in der Barbarei Zuversicht und politische Handlungsfähigkeit gewinnen lassen: «Wie die Katzen hatten wir sieben Leben, und jedes wurde annähernd ernsthaft gelebt.» Sein letztes und zugleich persönlichstes Buch hat Brückner für seine Kinder geschrieben.

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Auf dem tief verschneiten Weg, in der Heiligen Nacht von Laternen in den Händen der Kirchgänger erhellt, teilte ich meinem Vater meine »absprechende Liebe« zur Verwandtschaft mit: ein gut antinazistisch gesinnter Landpfarrer, dessen großer Stolz noch immer das im Ersten Weltkrieg erworbene Eiserne Kreuz war! Die Bibel als Visitenkarte des »Kriegervereins«! Er litt an den Spätfolgen einer vor Tannenberg erworbenen schweren Verwundung (hatte also unter Hindenburg gekämpft), und, obwohl über den NS-Staat entsetzt, hätte er sich den Granatsplitter, der ihn traf, am liebsten in Gold gefaßt.

Mein Vater mußte nach den Feiertagen zu seinem Job zurück. Ich blieb noch ein, zwei Tage und las. Dann fuhr ich (mit väterlichem Einverständnis) nach Dresden. Das Land, nach dem ich hungerte, war die Stadt; das Abenteuer: dort allein zu sein.

Nicht ohne Zutun des Nationalsozialismus war Dresden für mich eine offene Stadt geworden. Wir sehen die Auflösung alter mitmenschlicher Beziehungen gern unter dem Aspekt des Leidens daran, als machte jeder Verlust arm. Daß meine Mutter nach England zurückgekehrt war, blieb ein Verlust. Aber sie löschte damit die vielen, über sie vermittelten sozialen Beziehungen aus, die ein Kind allein nicht fortsetzen mag oder kann; die ja auch nie wirklich die seinen waren, wenn auch feste familiäre Gewohnheiten. Andere Kontakte zu Menschen, Stadtvierteln und Straßen hatten schon die Emigration des Halbbruders Frank nicht lange überdauert. Oder schwanden langsam, seitdem der Vater nicht mehr gegenwärtig war. (Von Hassan Pré, seinem tschechischen Freund, wußte ich nicht einmal mehr, wo er wohnte.)

Unweit vom großen Garten, den ich beklommen mied – wo war Ellen, wo war Frank? – lebte eine Cousine meines Vaters in wohlhabenden Verhältnissen; sie nicht besuchen zu müssen, war nun möglich und ein Geschenk der Zeit. Bei einer frühen Gelegenheit, meiner Taufe, hatte sie mich mit dem harten, verzopften Blick der NS-Frauenschaft angesehen, der sie nach 1933 beigetreten war. Nicht aus Gesinnung, wie es in der Familie hieß, sondern wegen der Karriere ihres Ehemannes, einem Stadtrechtsrat. (An ihm hatte ich zeitig meine Abneigung gegen Corpsstudenten erworben. Er sammelte Briefmarken – wie ich; dieses »wie ich«, von einem Elfjährigen gesagt, brachte ihn außer sich.)

Verändert vom Straßenverkehr und von Neubauten war das Gelände der Volksschulzeit. Gleichgültig lief ich an dem kasernenartigen Schulgebäude vorbei. Der Bäcker nebenan bedeutete nichts mehr. Dresden war über die alten Schauplätze der Kindheit hinweggewachsen. Ein Stadtviertel nach dem anderen wurde wieder fremd; schon halb angeeignete Straßen, Plätze, Parks hatte die Stadt in ihre Anonymität zurückgenommen. Aber es blieb das mit den Gegenden und Räumen Dresdens verwobene körperlose Netz aus erinnerter Abneigung, Sehnsucht und Trauer; nicht mehr von sozialen Gewohnheiten gestört, nur von der Stadt und der eigenen Innerlichkeit gehalten, ließ es, locker geknüpft, endlich Raum für Entdeckungen.

Der Fünfzehnjährige fand zwischen Fremdheit und Wiedererkennen die städtische Objektivität; zwischen dem »damals« und dem bloßen »jetzt« seine Gegenwart. Ein lustvoller Prozeß des Vermittelns, in dem die Identität beider entstand: der Heimatstadt und dessen, der sie sich aneignen darf, unbeaufsichtigt, von Eltern, Verwandten, sozialen Gewohnheiten entlastet.

So endete das Jahr 1937 groß. Dem »Wendepunkt Konfirmation« war eine neue Entschlossenheit gefolgt, Existenz nicht mehr nur in der Auflehnung zu sehen. Mein erster Silvesterabend allein war der kulturellen Überlieferung Dresdens sogar getreuer, als es die früheren der Familie waren: erst geistliche Musik in einer der großen, zeitig überfüllten Kirchen, dann ein Buch. Ich bin sicher, daß es Goethe war, den ich zur Hand nahm, wenigstens für eine Weile. 11Für die gleichfalls traditionelle Party mit Gästen fehlte mir Sinn und Gelegenheit, doch die unruhige Erwartung der Mitternacht hatte ihre unterhaltsame Seite.

Danach, in den Straßen der Stadt, beim großen Feuerwerk und Neujahrsgeschrei, war die Jahreswende ein Rausch.

Freiheit und Realismus

Kindheit unter dem Faschismus: das umschloß auf der Seite der Gegner und Geschädigten die Chance vertrauensvoller Beziehungen auch von Vater und Sohn. Es war ein Vertrauen in den Wirklichkeitssinn des anderen, das freilich Zeit brauchte, sich zu entwickeln.

Da ich nun einmal seit 1935 bei Jugendamt und Polizei als verwahrlosungsgefährdet registriert war, mußte mein Vater Vertrauen in meinen Realismus setzen, also auf ausreichende Vorsicht und Geschicklichkeit, neue Zusammenstöße dieser Art in Dresden zu umgehen. Ein »Zusammenstoß« wäre es schon gewesen, wenn die Polizeiwache in der Nähe der elterlichen Wohnung oder ein unfreundlicher Nachbar bemerkt hätten, daß da ein Fünfzehnjähriger sich allein in der Großstadt aufhielt, ergo: sich »herumtrieb«, auch noch nachts. Die kontrollierende Einrichtung, die Jugendlichen einen solchen Realismus erspart, das Netz der Familie, bestand in meinem Falle nicht mehr. Umgekehrt mußte ich darauf vertrauen, daß mein Vater realistisch genug war, um einzusehen, daß eine disziplinierende Haltung von seiner Seite (oder gar ein Verbot) nur ein leerer Gestus sein konnte: die objektiven Bedingungen dafür fehlten uns. Er mußte zu seinem Job zurück, in ein kleines Zimmer, und etwas Geld hätte er mir auf jeden Fall geben müssen, und sei es für die Rückreise ins Internat.

Unsere Zuneigung füreinander wäre ohne diesen aufgeklärten Realismus nur ein Klebemittel für Risse in den gegenseitigen Beziehungen gewesen. Wenn ich ihn besuchte, nahm er mich mit ins Café, dort redeten wir oder lasen Zeitungen, mit Kommentar (in späteren Jahren das Reich oder das Schwarze Corps – als unsere kleine kritische »Hochschule für Politik« 12). Abends machten wir uns das Essen selbst zurecht, oder, falls die Wirte keine Küchenbenutzung gestatteten, aßen wir im Zimmer meines Vaters Brot, Käse und Wurst.

Ein Problem hatte er mit mir, das ihn bedrückte: Ich schrieb ihm kaum. Doch ich lebte in meiner Gegenwart nach einem Drehtürprinzip: War ich mit meinem Vater zusammen, so existierte das Internat für mich nicht, dort aber war er mir ganz fern. Ähnliches galt für meine Mutter. Obwohl sie einmal anrief (1937) und mir zwei- oder dreimal eine Pfundnote und ein Päckchen schickte, habe ich ihr – bis zum Jahr 1947 – nur ein einziges Mal, und widerwillig, geschrieben. Nach der Anschrift Franks habe ich mich nicht einmal erkundigt. Natürlich hatte ich beide nicht »vergessen«, am wenigsten die Trauer über unsere Trennungen; das alte Leben aber war vernichtet. Es gab nur Gegenwärtigkeit und in ihr die ersten eigenen Traditionen. In denen kamen Mutter und Brüder nicht vor, kaum der erreichbare Vater.

Es gab zwischen ihm und mir übrigens auch sentimentale Phasen: Eines Tages schenkte er mir Hauptmann Sorrell und sein Sohn von Warwick Deeping, ein Buch, das damals mehrere deutsche Leser zu Tränen gerührt hat. Es war einigermaßen verbreitet, und das wirft ein Licht auf die Paradoxie unserer damaligen Situation. Ein Verhältnis wie das unsere: mit Vertrauen zwischen Vater und Sohn, mit »Kameradschaft«, wie man damals solidarische Beziehungen mißverstand, mit einigen sentimentalen und moralischen Akzenten, mißfiel dem Nationalsozialismus ja nicht nur. Er hat das Grauen und das Idyll immer in einem Schritt produziert. Nun trennte uns von der Vater-Sohn-Ideologie des NS-Staats vieles; wie ja auch seine Wirklichkeit vom ideologischen Versatzstück abwich. Nur in der Ideologie trug er der Bewunderung des Mittelstands für den Offizier und Soldaten Rechnung, der, wie Hauptmann Sorrell, im privaten Leben »tapfer durchhält«.

Realismus und Freiheit, die ich da – außerhalb von Schule und Internat – genoß, waren die Folge der vom Nationalsozialismus produzierten Zerstörung unserer Familie: 1937 nicht anders als drei Jahre vorher. Eine Auflösung der Familie bloß durch Scheidung oder Tod eines Elternteils vor dem Faschismus hätte diese Konsequenz wahrscheinlich nicht gehabt. So gewiß es auch ist, daß der NS-Staat diese Konsequenz nicht gewollt hat – Realismus und Freiheit, so fanden wir sie doch nicht nur gegen ihn. Denn die Freisetzung der Heranwachsenden von »sozialen Gewohnheiten« der frühen Kindheit, die Zerstörung auch des Mikrokosmos der bürgerlichen Familie, die hat er gewollt, weil er Kinder wie Erwachsene unmittelbar der Partei, der Ideologie, den Normen des Staats subsumieren wollte. (Das erste ließ sich für uns nutzen, das zweite konnten wir vermeiden.) Natürlich sollte die deutsche Kleinfamilie andererseits auch gefestigt werden, als staatlich unerläßliche Form der »Parzelle« und als indirekt kontrollierter Ort der Reproduktion; das war schon objektiv bei uns nicht mehr möglich.

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