Peter Brückner - Das Abseits als sicherer Ort

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Die Kunst, sich der Macht zu entziehen, beherrschte Peter Brückner wie wenige andere. Nachdem seine Mutter, eine jüdische Barsängerin, das Land verlassen hatte, entwickelte er schon in frühen Jahren, ganz auf sich allein gestellt, erfindungsreich eine lebensbejahende Widerständigkeit.
Der beispielhafte Bericht des großen Sozialpsychologen Peter Brückner über das Aufwachsen im NS-Staat zwischen Leiden und Durchmogeln, zwischen Angriffslust und der List der Anpassung; darüber, wie einer dort, wo Kontrolle und der Zwang zum Kollektiv alltäglich werden, Orte sucht, die abseits der Macht liegen – und wie dabei erste Kontakte zur «verbotenen» Kultur mitten in der Barbarei Zuversicht und politische Handlungsfähigkeit gewinnen lassen: «Wie die Katzen hatten wir sieben Leben, und jedes wurde annähernd ernsthaft gelebt.» Sein letztes und zugleich persönlichstes Buch hat Brückner für seine Kinder geschrieben.

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Diese deutschen Savonarolas haben, was in Europa sonst seltener wird, gleich en masse einen Instinkt für die Wahrnehmung von kleinsten Zeichen der Differenz in der menschlichen Physiognomie, was »abweicht«, was fremdartig anmutet, ist schon als Unwert erkannt. Wo sie wahrnehmen, denunzieren sie schon. An irgendeinem Tag verläßt ein Ehepaar, den einjährigen Sohn im hochrädrigen Kinderwagen, das Café Rumpelmayer. Eine Rotte von Faschisten drängt die Frau vom Gehsteig: »Judensau!« Der Kinderwagen wird ihr aus der Hand gerissen, der Ehemann vollständig übersehen und behandelt, als gehöre er nicht dazu. (Er sieht aus wie ein sächsischer Ingenieur, was er auch ist; daß er Kindheit und Jugend in den USA verbracht hat, als ältester Sohn des Großmeisters der Loge zu den drei Weltkugeln, und selbst bis 1917 Freimaurer war, geht erst viel später in die Akten des neuen Reiches ein.)

Judensau? Nach den Typensuchregeln der völkischen Denunziation sieht die Weggestoßene »jüdisch« nicht aus. Eher polnisch. Jedenfalls ist sie nicht von hier. Ihre Haare sind blauschwarz. Das Gesicht: slawisch geschnitten, mit breiten Backenknochen. Sie ist gebürtige Engländerin. Schon die Großeltern waren ehrenwerte Mitglieder der High Church, voll anglisiert, aber in der Tat: Juden. Das Genie des deutschen Volkstums liegt im Spürsinn für die fremde Rasse. Diese jungen Genies, Garanten der Zukunft, waren 1923 mit germanischen Runen und Symbolen geschmückt, denen gegenüber schon das Latein des Tacitus europäische Moderne war.

Der Einjährige rutscht mit dem Kinderwagen ins Abseits. Obwohl sich seine rassische Minderwertigkeit später verheimlichen läßt (lange Jahre auch vor ihm selbst), bleibt das Kind als Produkt einer atypischen Familie immer vom normierenden Zugriff der staatlichen Ordnungsmächte bedroht. Als der geborene Dissident ist es zugleich vor der eigentlichen Katastrophe dieses Kulturvolks behütet: vor der Faschisierung. Das Abseits ist, was den Nationalsozialismus angeht, in Deutschland der einzig sichere, ja, der einzige glückliche Ort.

1922–1932

Ich wurde im Mai 1922 geboren; die ersten 16 Monate lebte ich in Wohnungen, die nicht die meines Vaters waren, und zeitweise – im Hotel.

1924: Märzschnee in einem Villengarten, das Dienstmädchen, das mich auf die Mauer zur Straße setzt und mir die Tabakspfeife meines Vaters überläßt; Freunde, die ein offenes Auto haben, ein Daimler-Cabriolet, ich war gut zwei Jahre alt. Wir wohnen im ersten Stock. 1930, im zweiten Schuljahr, ist die Adresse schlechter, der Wohnraum beschränkt, aber noch Beletage. Aus dem Speisezimmer blicken wir auf eine weiße Privatklinik mit dünnem Park. Ab und an, wenn meine Eltern abwesend sind, sieht die Frau des Hausmeisters nach mir. Ostern 1932 gehe ich zur Höheren Schule, Realgymnasium Seevorstadt; mein (Halb-)Bruder Armin, zwei Jahre älter, besucht noch das vornehmere Vitzthum’sche Gymnasium. Wir wohnen inzwischen im Erdgeschoß; gegenüber: ein großes Bierlager, eine Dienststelle des städtischen Wohlfahrtsamts und ein Polizeirevier.

Das Herrenzimmer, das es als dritten Raum noch gibt, wird bald an einen Handlungsreisenden vermietet. 1

Im Mai 1932 war ich für wenige Tage Nationalsozialist. Jedenfalls kam ich eines Mittags nach Hause, mein Vater war viel zu Hause, weil arbeitslos, und berichtete stürmisch, »Wir« (das heißt die Sexta) seien jetzt alle Hitlerjungen. Ich wurde unterbrochen: die ganze Klasse? Das brachte mich kurz: zum Erröten, denn ich wollte antworten: Nein, nur die besten (Schüler), aber da ich einer der schlechtesten war im Herbst 1932 der 44. unter 46 Jungen, hätte ich gestehen müssen, daß die neue Bewegung an mir vorbeiging. (Nur zu Hause war ich Nazi.) So redete ich lieber weiter in meiner Begeisterung: Sobald »wir« die Macht ergriffen haben, gibt es für uns Geld und Essen genug. Ihr habt dann ausgesorgt. Aber nur ihr . Die Lehrer gerade nicht – in der Schule werden sie ganz blaß, wenn wir von Hitler reden.

Die Phantasie des Zehnjährigen, der von Hitler nur auf der Straße und in der Schulpause gehört hat, spiegelt gewisse Momente des Nationalsozialismus getreu: den räuberischen Charakter (Geld für uns, nicht: Klassenmacht), die Gaunergemeinschaft (»wir«), das antiautoritäre, rebellische Element (die Lehrer, das heißt für ein Kind: zentrale Inhaber von institutioneller Gewalt, ängstigen sich), die Attraktivität der »Bewegung« für Heranwachsende, und zwar für die Besten, das hieß für mich damals: die Schüler mit großem Sozialprestige. Und der Marginalisierte, der ich damals ansatzweise war, schluckt die Kränkung, die darin liegt, daß man ihn ausschloß, und identifiziert sich mit der »Macht«.

Meine Eltern, gebildeter Mittelstand am Rande der Verarmung, verhielten sich untypisch. Ich habe das bedrückte Schweigen nicht wieder vergessen, das meiner Eröffnung folgte, nicht den Anblick meines Vaters, der mich an sich zog, ein zärtlicher Mann; und diese Geste fürsorglicher Wärme war eine Antwort. Ich »wußte« von diesem Augenblick an, was Hitler, was der NS-Staat bedeutete.

Freilich: So wie Kinder Unausgesprochenes wissen; nicht als Kenntnis, die jederzeit reproduzierbar ist, und das »nie wieder vergessen …« schloß auch die Möglichkeit ein, über lange Zeiten hinweg gar nicht daran zu denken.

1933–1935

Am 30. Januar 1933, noch nicht elf Jahre alt, verfolge ich mit meinen Eltern im Restaurant die triumphalen Radiostürme der »Machtübernahme». Die Gäste sind vom Rausch der Zeitenwende ergriffen, das Reich der niederen Dämonen bricht auch in ihnen aus. Die Eltern klatschen gezwungen mit, man erhebt sich, setzt sich wieder, ich bin sehr müde – erregt davon, daß ich bis tief in die Nacht aufbleiben darf, aber beklommen von unserer spürbaren Isolierung. Mein Vater sagt in englischer Sprache: Das bedeutet Krieg. Meine Mutter will etwas erwidern, aber sie schweigt. Sie hat das Jahr 1923 nie vergessen.

Meine Erinnerungen an die Jahre 1933 bis 1936 bewahren ein Nacheinander von Ereignissen ohne erfahrenen inneren Zusammenhang auf. Vielleicht erleben manche Kinder so. Vielleicht spiegelt sich in der inneren Lebensgeschichte des Kindes die Wirklichkeit dieser Jahre: der alchimistische Terror des NS-Staats, der den Sinn der Geschichte auflöst und das Widersprüchliche zusammenzwingt.

Die Lage der »Innenwelt«, der Familie, veränderte sich in diesen drei Jahren: sie wird zerstört. Ich hätte damals nicht zu sagen gewußt, daß dies eine Konsequenz des 30. Januar war. Die Familie hatte für ein Kind größere Immanenz als heute. Der Vater, Mathematiker und Ingenieur, schon seit 1929 häufig arbeitslos, fand keine Stelle in seinem Fach.

Im Laufe von zwei, drei Jahren begann ich zu verstehen, daß er nun einer Anstellung entgehen wollte : sie hätte Folgen gehabt, die hinzunehmen er sich moralisch nicht in der Lage sah – Mitgliedschaft im VDI, »Verein deutscher Ingenieure«, früh gleichgeschaltet; Mitgliedschaft in der Deutschen Arbeitsfront, die das Erbe der Gewerkschaften verschleuderte; Mitgliedschaft schließlich in einer »Betriebsgemeinschaft«: mit dem Eigentümer als Führer. Außerdem suchte er eine Art von innerer Emigration: Gelderwerb außerhalb der Zumutungen der faschistischen Öffentlichkeit. Er wurde Vertreter für eine noch unpolitische Zeitschrift und reiste dafür in Thüringen und Sachsen; alle drei bis vier Wochen kehrte er für zwei Tage nach Dresden zurück. 1934 fand meine Mutter einen Job, denn das Einkommen des Ehemannes war für die Familie zu gering. Sie schlüpfte in eine drittklassige Tanzkapelle; auch sie war danach viel abwesend. Hatte sie ein Engagement in der sächsischen Hauptstadt, dann meist in einem der Cabarets: Sie, die einst Konzertsängerin war, stand nun mit einer Harmonika auf der Bühne. Ich saß oft bis nach Mitternacht unter dem orientalischen Dekor herum und rauchte.

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