3 In Büdingen geht die Post ab Büdingen: Schlossmuseum Der blaue Briefkasten an der Sandsteinmauer des Büdinger Schlossplatzes ist zwar die Nachbildung eines Postkastens des Jahres 1896, aber Sie können Ihre Ansichtskarte vom Büdingen-Ausflug hier vertrauensvoll einwerfen. Über eine kleine Brücke direkt daneben geht es in die Vorburg der stauferzeitlichen Wasserburg aus dem 12. Jahrhundert. Das Schloss, dessen Kern von einer 13-eckigen Mauer aus Buckelquadern umschlossen ist und das von Romanik bis Barock fast alle Baustilmoden des vergangenen Jahrtausends aufweist, wird seit 1258 von der fürstlichen Familie zu Ysenburg und Büdingen bewohnt, heute in 23. Generation. Es lohnt sich, an einer Schlossführung teilzunehmen. Man betrachtet das Sternengewölbe und das Chorgestühl aus Eiche in der Schlosskapelle, die Fresken aus dem 16. Jahrhundert im Palas und wirft einen Blick in die Alchemistenküche in der alten Hofapotheke, wo einer der Grafen ein naturwissenschaftliches Kabinett einrichtete. Das auf 1553 datierte große Wandbild in der Graf-Diether-Stube zeigt eine winterliche Sauhatz vor der Kulisse eines verschneiten Dorfes und erinnert an Motive des Holländers Brueghel. Das Kleinstädtchen Büdingen bietet seinen Besuchern weit mehr, als man bei 8.000 Einwohnern im Kernort erwarten würde. Es besitzt sechs reich bestückte Museen. Abgesehen vom Schlossmuseum gibt es das stadthistorische Heuson-Museum im Historischen Rathaus, das Sandrosenmuseum im Jerusalemer Tor, das 50er-Jahre-Museum im spätgotischen Bau der ehemaligen Herberge zum Schwan, das Metzgermuseum im historischen Schlaghaus, in einem Turm an der Mühltorbrücke. Das Modellbau-Museum im Oberhof, dem ältesten Renaissancebau Büdingens, zeigt 150 Exponate – Modelle von historischen Kriegsschiffen, Eisenbahnen, einer Bohrinsel, eines Rummelplatzes und einer Hafenanlage. Beim traditionellen Mittelalterfest in Büdingen wirken etwa 130 Händler, Handwerker, Gaukler, Musikgruppen mit. Es gibt einen Viehmarkt, mehrere Lager mit historischen Zelten und einen Festumzug. 3 Schlossmuseum Schlossplatz 1 63654 Büdingen 06042 96470 www.schloss-buedingen.de
Büdingen: Schlossmuseum
4 Dreibeinige Tontöpfe 4 Dreibeinige Tontöpfe Büdingen: Heuson-Museum im Historischen Rathaus Das Heuson-Museum im Historischen Rathaus von Büdingen erinnert an alte Handwerksberufe – Drechsler, Weber, Tuchfärber, Ziegler, Töpfer. Hier sieht Elisabeth Johann in den 1970er-Jahren erstmals die Sammlung der Töpferfamilie Winterling. Es ist eine Initialzündung: Fortan widmet sich die damalige Stadtarchivarin von Butzbach leidenschaftlich der Geschichte der Wetterauer Töpfer. Bis ins 15. Jahrhundert waren die unglasiert gebrannten Tongefäße durchlässig. Das Material kam aus Lehmgruben der heimischen Wälder. Erst die Glasur, eine Masse aus Quarz und Bleiverbindungen, macht sie wasserdicht. Die Glasurfarben aus Mineralien stellten die Töpfer selbst in Erzmühlen her: Mangan (braun), Kupfer (grün und rot), Eisenfeilspäne (gelb), Kobalt (blau). Noch vor der Wende zum 20. Jahrhundert »herrschte die einfache Irdenware in den Küchen vor«, berichtet Elisabeth Johann – Schüsseln, Siebe, Tiegel, Wasser- und Ölkrüge, Kannen, Teller, Becher. An einem Haken über dem offenen Herdfeuer hing der eiserne Kessel, Tontöpfe aber »hatten häufig drei Beine, um Glut darunter zu schieben«. Manche Tongefäße waren reich verziert mit Maiglöckchen, Vögeln, Blättern, Fingertupfenleisten, Monogrammen und Inschriften. Außerdem bauten die Töpfer Kachelöfen. Ungefähr 200 Jahre florierte dieses Handwerk in Altenstadt, Oberau, Höchst, Rommelshausen. 67 Töpferfamilien, die ihr Handwerk über viele Generationen weitergaben, fand die Keramikforscherin in den Kirchenbüchern dieser Orte. Die Vermarktung besorgten meist andere: Allein das Gewerberegister von Oberau nennt 22 Personen, die zwischen 1844 und 1860 mit Tongeschirr handelten. Schon bald darauf aber kam industriell gefertigtes Emaille-Geschirr in Mode – das Töpfern ernährte keine Familie mehr. Die Tradition der »Dippemess« überlebte unter diesem Namen nur in Frankfurt. Keramik- und Töpfermärkte finden in Hessen zwischen April und Oktober statt. 4 Heuson-Museum im Historischen Rathaus Rathausgasse 6 63654 Büdingen 06042 950032 www.heuson-museum.de
Büdingen: Heuson-Museum im Historischen Rathaus
5 Rosensteine aus Baryt 5 Rosensteine aus Baryt Büdingen: Sandrosenmuseum im Jerusalemtor Ob diese formschönen Rosensteine im Naturschutzgebiet Hölle von Rockenberg gefunden wurden – das möchte Lothar Keil, Betreiber des Büdinger Sandrosenmuseums im Jerusalemer Tor, nicht verraten. Zu viel Raubbau wurde in der Vergangenheit in Rockenberg betrieben – dem einzigen Fundort von Barytrosen in Europa. Bevor das Areal 1994 zum Naturschutzgebiet erklärt und jegliche Kraxelei an der steilen Sandwand unterbunden wurde, waren die Tertiärquarzite beliebte Sammelstücke, die Vorgärten und Fensterbänke zierten. Heute sind fast alle Rockenberger Fundstellen außerhalb des Naturschutzgebietes abgeräumt, häufig mit Bauschutt verschlossen. Wer die gelb, rot, schwarz, weiß oder violett schimmernden Kristalle, die bis zu 30 Zentimeter Durchmesser haben können, aus der Nähe betrachten möchte, sollte sich nach Büdingen begeben und die einmalige Sandrosen-Sammlung besichtigen. Die Kristalle basieren auf einer chemischen Verbindung von Schwerspat (Bariumsulfat), Sand und einer kleinen Menge von Eisen- und Manganoxid. Aus hochmineralisierten Lösungen kristallisiert Schwerspat und schließt die Quarzkörner des umgebenden Sandes ein – ein Wachstum, das 25 Millionen Jahre dauert. Lothar Keil besitzt Tausende von geologischen Exponaten, darunter Dutzende von Sandrosen. Lebenslang wollte der Mittsiebziger wissen, »was die Welt im Innersten zusammenhält«, mit der Schippe und Schaufel erspürte der Mann die Erdgeschichte nördlich des Mains zwischen Vogelsberg und Taunus. Der Naturschutz in der 13 Hektar großen Sandabbaufläche Rockenberg soll Tiere und Pflanzen auf Mager- und Heiderasen und im sumpfigen Flachwasser behüten. Nachzüchtungen der hochgradig gefährdeten Sumpfschildkröten aus dem Frankfurter Zoo wurden hier erfolgreich ausgewildert. Die »Hölle von Rockenberg« darf zwar nicht betreten werden, ist aber von einem Aussichtspunkt aus einsehbar ( www.rockenberg.de/natur-umwelt/) 5 Sandrosenmuseum Lothar Keil Jerusalemertor/Untertor 63654 Büdingen www.buedingen.info
Büdingen: Sandrosenmuseum im Jerusalemtor
6 In der Stille liegt die Kraft 6 In der Stille liegt die Kraft Altenstadt: Benediktinerinnenabtei Kloster Engelthal Ich stehe auf einer Anhöhe in der südlichen Wetterau. In der Ferne brummt ein Traktor, in der Nähe ertönt Pferdegetrappel. In der Senke ruft Glockengeläut zu Vesper und Abendlob in die barocke Klosterkirche der Abtei Kloster Engelthal. Ein Tal, durch das Engel schweben, abgeschieden und doch mittendrin: 30 Kilometer nordöstlich des dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiets liegt seit 750 Jahren malerisch am Waldrand ein Frauenkloster. In der 1962 nach 159 Jahren Pause von Benediktinerinnen wiederbelebten Abtei Engelthal leben heute 16 Nonnen. Neben Gebet, Gottesdienst und Fürbitte ist das oberste Lebensziel der Benediktinerinnen die Pflege der Gemeinschaft und der Gastfreundschaft. Ihren Unterhalt verdienen sie mit zwei Gästehäusern, in denen etwa 6.000 Besucher jährlich logieren. Jeder und jede, die für eine Weile der Rushhour des Lebens entkommen möchte, ist willkommen. Mit offenen Armen werden vor allem junge Frauen empfangen, die sich für die spirituelle Lebensweise der Benediktinerinnen interessieren. In einer professionellen Werkstatt haben sich einige Nonnen darauf spezialisiert, Gemälde und Skulpturen zu restaurieren, vorrangig Objekte aus dem Mainzer Dom- und Diözesanmuseum. Eine wahre Fundgrube stellt die Buch- und Kunsthandlung gleich hinter dem Eingang zum Geviert der Klostergebäude dar. Dort gibt es keineswegs nur geistlich-geistigen Lesestoff, sondern auch Devotionalien, Kerzen, handgemachte Seifen, Keramik, Goldschmiedekunst, allerlei Teesorten, Dinkelkissen, Marmeladen, Wein, Ringelblumensalbe und sogar Honigbärchen. Ein friedvoller Ort. Das war nicht immer so: Archäologen fanden in einer barocken Schuttgrube 800 Jahre alte Glasfensterscherben – Reste von Plünderung und Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg. Für ihr modernes Ökologiekonzept erhielten die Nonnen den Umweltpreis des Bistums Mainz. Sie heizen mit Holzpellets, nutzen Regenwasser und Sonnenlicht, und ein »Maximum-Wächter« kappt schon mal den Strom. 6 Benediktinerinnenabtei Kloster Engelthal Klosterstraße 2 63674 Altenstadt 06047 96360 www.abtei-kloster-engelthal.de
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