(D) Klinische und elektrophysiologische Remission ca. 2 min. nach Abschluss der Injektion (Gesamtmenge 6 mg Lorazepam). Der Patient wacht auf und will aufstehen (Artefakte).
Das Wichtigste im Überblick
Beim Status epilepticus handelt es sich um einen prolongierten epileptischen Anfall von über fünf Minuten Dauer bzw. rezidivierende Anfälle ohne zwischenzeitliche vollständige Restitution zum vorbestehenden neurologischen Befund. Für den NCSE gelten längere Zeitangaben, und zwar zehn Minuten für den fokalen Status mit Bewusstseinsstörung, 10–15 Minuten für den Absencenstatus.
Die Behandlung des tonisch-klonischen Status epilepticus muss unverzüglich eingeleitet werden. Sie orientiert sich stufenadaptiert an vier klinisch definierten Phasen.
Stufe 1: In der Initialphase (oft prähospital) ist die möglichst rasche Gabe von Benzodiazepinen ausreichend hochdosiert entscheidend.
Stufe 2: In der Phase des etablierten Status erfolgt eine antiepileptische intravenöse Schnellaufsättigung.
Stufe 3: Beim refraktären Status ist die Einleitung einer Narkosebehandlung unter EEG-Monitoring erforderlich. Medikamente erster Wahl sind dafür Midazolam und Propofol.
Stufe 4: In der Phase des superrefraktären Status können prinzipiell alle enteral und parenteral verfügbaren AED eingesetzt werden. Es gibt keine evidenzbasierten Empfehlungen.
Wenn Anfälle nach Behandlung in Stufe 2 nicht sistieren, ist die Diagnose zu überprüfen und ein Status psychogener nichtepileptischer Anfälle zu erwägen.
Entscheidend für die rasche und erfolgreiche Statusbehandlung ist die Etablierung eines einheitlichen klinikinternen Behandlungsalgorithmus.
Die Diagnosestellung erfolgt zunächst nach klinischen Gesichtspunkten. Da das klinische Bild aber oft, besonders bei subtilem Status epilepticus, beim Absencenstatus und bei einem fokalen Status mit Bewusstseinsstörung, nicht eindeutig ist, ist die EEG-Ableitung, idealerweise mit einer Videoaufnahme, heranzuziehen. Hier kann sich ein typisches EEG-Muster zeigen, z. B. generalisierte 3 Hz Spike-Wave-Komplexe beim Absencenstatus. Das EEG-Muster kann aber auch enzephalopathischen Mustern ähneln und damit unspezifisch sein. Insbesondere in diesen Fällen kommt es auf die komplementäre Bewertung von klinischem Bild und EEG an. Bei einem Aura-Status kann das EEG komplett unauffällig sein. Lateralisierte periodische Entladungen (LPD, früher als periodische lateralisierte epileptiforme Entladungen, PLED bezeichnet) sind für sich genommen, also ohne korrespondierendes klinisches Bild, unspezifisch. Zu den »Salzburg-Kriterien« für den nichtkonvulsiven Status epilepticus siehe Kasten 2.1 (Beniczky et al. 2013).
Kasten 2.1: Salzburg-Kriterien des NCSE (adaptiert nach Beniczky et al. 2013)
Patienten ohne bekannte epileptische Enzephalopathie
• Epilepsietypische Potentiale > 2,5 Hz oder
• Epilepsietypische Potentiale ≤ 2,5 Hz oder rhythmische Delta- bzw. Theta-Aktivität (> 0,5 Hz) UND eins der Folgenden:
• EEG und klinische Besserung nach i. v. Antiepileptika oder
• subtile klinische iktuale Phänomene oder
• typische Evolution
Patienten mit bekannter epileptischer Enzephalopathie
• Zunahme in Ausprägung oder Frequenz im Vergleich zur Baseline, gekoppelt mit beobachtbarer klinischer Veränderung
• Besserung der Klinik und des EEG nach i. v. Antiepileptika
EEG-Verbesserung ohne klinische Besserung oder eine Fluktuation ohne eine definitive Evolution sollte zur Diagnose eines möglichen NCSE führen.
Subtiler Status epilepticus
Dieser ist gekennzeichnet durch eine Bewusstseinseinschränkung mit nur sehr milden motorischen Phänomenen. Hier ist die EEG-Ableitung unverzichtbar. Die Erkennung des subtilen Status ist wichtig, weil die Prognose schlechter ist als beim konvulsiven Status epilepticus (CSE) (Treiman et al. 1998). Es muss besonders darauf geachtet werden, ob nach der klinisch erkennbaren Besserung eines CSE das Geschehen in einen subtilen Status übergeht, der dann entsprechend zu behandeln ist.
Epilepsia partialis continua (EPC)
Es handelt sich um eine seltene Form eines fokalen Status epilepticus mit vaskulären, immunvermittelten, neoplastischen oder metabolisch-toxischen Ursachen. Sie ist definiert als spontanes regelmäßiges oder unregelmäßiges klonisches Muskelzucken, das einen begrenzten Teil des Körpers betrifft, manchmal verschärft durch Aktion oder sensorische Reize; die Dauer beträgt mindestens eine Stunde. Die Zuckungen treten in Abständen von nicht mehr als zehn Sekunden auf und wiederholen sich in Abständen von nicht mehr als zehn Sekunden (Bien und Elger 2008). Eine EPC tritt häufig bei einer Rasmussen-Enzephalitis auf, aber auch bei Multipler Sklerose und Steroid-responsiver Enzephalopathie mit Autoimmunthyreoiditis. Differenzialdiagnostisch kommen myoklonische Staten bei progressiven Myoklonus-Epilepsien, klonische Anfälle mit fokalem March, Myoklonien bei anderen Epilepsieformen und Tremor in Betracht.
Die Erkennung eines Status psychogener nichtepileptischer Anfälle ist zur Vermeidung iatrogener Komplikationen wichtig. 
Differenzialdiagnostische Überlegungen haben eine besondere Bedeutung, da einerseits zumindest der CSE eine lebensbedrohliche Notfallsituation darstellt, andererseits aber die Fehleinschätzung einer anderen Ursache als Status epilepticus iatrogene Schädigungen nach sich ziehen kann. Hier ist insbesondere die Abgrenzung des CSE gegenüber dem Status psychogener nichtepileptischer Anfälle (»Pseudo-Status«) zu nennen. Zum einen wird auf die allgemeine Differenzialdiagnose zwischen epileptischen und nichtepileptischen Anfällen im Kapitel 10 dieses Buchs verwiesen. Zum anderen waren Patienten mit psychogenen nichtepileptischen Staten bei einer Studie auf der Neurologischen Intensivstation in der Berliner Charité im Vergleich zu Patienten mit refraktärem CSE jünger, hatten häufiger ein implantiertes venöses Portsystem und erhielten höhere Dosen von Benzodiazepinen bis zum Durchbrechen des Status oder bis zur respiratorischen Komplikation. Sie hatten niedrigere Serumwerte für die Creatinkinase, nämlich im Mittel 38 U/l (Bereich: 16–90), als Patienten mit (refraktärem) CSE (Mittelwert: 699 U/l, Bereich 57–2625) (Holtkamp et al. 2006).
Zu allgemein stabilisierenden Maßnahmen siehe Kasten 2.2.
• Sichern der Atemwege (ggf. Entfernung von Zahnersatz)
• Überwachung von Herzaktionen, Atmung, Sauerstoffsättigung, Blutdruck, Temperatur
• Ggf. Sauerstoffapplikation über Nasensonde
• Anfallsbeobachtung
• i. v.-Zugang (möglichst großlumig)
• Labor incl. BZ und AED-Serumspiegel
• bei Hypoglykämie Gabe von Glucose 40 %, 50 ml i. v.
• bei erhöhter Temperatur über 37,5° C symptomatische Senkung der Temperatur
Wichtig ist die Unterscheidung eines Status als Erstmanifestation einer Epilepsie von einem Status bei bekannter Epilepsie. Bei Erstmanifestation ist eine weiterführende Diagnostik inkl. Bildgebung und Liquoruntersuchung erforderlich.
2.4 Therapie des konvulsiven Status epilepticus (CSE, synonym: tonisch-klonischer Status)
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