CRESSIDA
Von einem, der mich mehr geliebt als du;
Doch nun es dein, behalt es.
DIOMEDES
Wessen wars?
CRESSIDA
Bei Diana selbst und ihren Nymphen dort,
Das werd ich dir nicht sagen.
DIOMEDES
Ich trag es morgen früh an meinem Helm
Und kränk ihn, ders nicht wagt, zurückzufordern.
TROILUS
Wärst du der Teufel, der es trüg am Horn,
Gefordert soll es werden.
CRESSIDA
Nun gut, 's ist aus, vorbei! Nein, doch nicht aus!
Ich will mein Wort nicht halten!
DIOMEDES
Leb denn wohl!
Du neckst den Diomed zum letztenmal.
CRESSIDA
So bleibe doch! Sagt man auch nur ein Wort,
Gleich fährst du auf!
DIOMEDES
Ich hasse solche Possen.
THERSITES
Ich auch, beim Pluto! Doch was dir mißfällt,
Behagt mir just am besten.
DIOMEDES
Nun, soll ich kommen? Wann?
CRESSIDA
Ja, komm. O Zeus,
Komm nur! Schlimm wird mirs gehn!
DIOMEDES
Leb wohl so lange!
[Geht ab. ]
CRESSIDA
Gut Nacht! – Ich bitt dich, komm! –
Diomedes geht ab. Ach, Troilus, Noch blickt mein eines Auge nach dir hin, Das andre wandte sich, so wie mein Sinn. Wir armen Fraun, wir dürfens nicht verhehlen: Des Augs Verirrung lenkt zugleich die Seelen. Was Irrtum führt, muß irrn; so folgt denn, ach: Vom Blick betört, verfällt die Seel in Schmach. Ab.
THERSITES
Das sind untrüglich folgerechte Sätze;
Noch richtger: Meine Seele ward zur Metze!
ULYSSES
So wars denn aus!
TROILUS
Ja, aus!
ULYSSES
Wozu noch bleiben?
TROILUS
Um mirs im Geist recht tief noch einzuprägen,
Silbe für Silbe, was ich hier gehört.
Doch, sag ich, wie die beiden hier gehandelt,
Werd ich, das Wahre kündend, dann nicht lügen?
Denn immer noch wohnt mir ein Glaub im Herzen,
Ein Hoffen also fest und unverwüstlich,
Das leugnet, was mir Aug und Ohr bezeugt;
Als wenn die Sinne, uns zum Trug erschaffen,
Nur als Verleumder tätig hier gewirkt.
Wars Cressida?
ULYSSES
Denkst du, ich banne Geister?
TROILUS
Gewiß, sie wars nicht!
ULYSSES
Ja, gewiß, sie wars.
TROILUS
Nun, mein Verleugnen schmeckt doch nicht nach Tollheit?
ULYSSES
Auch meins nicht. Cressida war eben hier.
TROILUS
Um aller Frauen Ehre, glaubt es nicht!
Denkt, daß wir Mütter hatten, laßt nicht zu,
Daß rohe Lästrer, die auch ohne Grund
Die Fraun erniedern, jedes Weib nun messen
Nach Cressida! Eh'r denkt, sie war es nicht!
ULYSSES
Was tat sie, unsre Mütter zu beflecken?
TROILUS
Nichts, gar nichts, wenn dies Cressida nicht war.
THERSITES
Will er seinen Augen einen blauen Dunst vormachen?
TROILUS
Dies wäre sie?
Nein, dies ist Diomedes' Cressida!
Hat Schönheit Seele, dann war sie es nicht.
Wenn Seele Eide zeugt, wenn Eide heilig,
Wenn Heiligkeit den Göttern Wonne ist,
Wenn Maß und Ordnung in der Einheit walten,
Dann war sie's nicht. O Wahnsinn der Gedanken,
Der Gründe aufstellt für und gegen sich!
Zweideutige Gewalt! Wo sich Vernunft
Empört und nicht vernichtet, wo Verlust
Alle Vernunft mit fortreißt ohn Empörung,
So war dies Cressida und war es nicht!
In meiner Seele hebt ein Kämpfen an
Seltsamster Art, das ein unteilbar Wesen
Mehr voneinander reißt als Erd und Himmel!
Und doch gewährt die weitgespaltne Kluft,
Um einzudringen, nicht den kleinsten Zugang
Für einen Punkt, fein wie Arachnes Faden.
Beweis, Beweis, so fest wie Plutos Pforte:
Ein Himmelsband schließt mich an Cressida –
Beweis, Beweis, fest wie der Himmel selbst:
Das Himmelsband ist mürb, erschlafft, gelöst.
Ein andrer Knoten, den fünf Finger knüpften,
Schlingt jetzt die Trümmer ihrer Lieb und Treu,
Den Abhub, Nachlaß, Rest und ekle Brocken
Der abgestandnen Lieb, um Diomed.
ULYSSES
Und kann der würdge Troilus nur halb
Das fühlen, was der Wahnsinn aus ihm spricht?
TROILUS
Ja, Griech, und offenkundig solls erscheinen
In Lettern purpurrot wie Mavors' Herz,
Entflammt von Venus! Nimmer liebt' ein Jüngling
Mit so unendlich ewig fester Treu!
Hör, Grieche, wie ich Cressida geliebt,
Ganz so unendlich haß ich Diomed.
Die Kraus' ist mein, die er am Helm will tragen;
Und war der Helm ein Schmiedewerk Vulkans,
Mein Schwert zerschnitt' es; nicht der grause Schall
Des Meers, den Schiffer Hurricano nennen,
Durch den allmächtgen Sol zum Berg verdichtet,
Betäubt mit mehr Gekrach das Ohr Neptuns
Im Niedersturz, als meines Schwertes Wucht
Einschmettern soll auf Diomed.
THERSITES
Er wird ihn kitzein für seine Fleischeslust!
TROILUS
O falsche Cressida! O falsch, falsch, falsch!
Zu deinem schnöden Namen hingestellt,
Glänzt alle Untreu rein!
ULYSSES
Bezähmt Euch, Prinz!
Eur Toben wird gehört!
Äneas tritt auf.
ÄNEAS
Seit einer Stunde such ich Euch, mein Prinz;
Hektor legt schon die Waffen an in Troja,
Und Ajax, Eur Geleitsmann, harrt auf Euch.
TROILUS
Ich steh zu Dienst. – Mein gütger Fürst, lebt wohl! –
Falsche, fahr hin! Und stürze, Diomed,
Ob auch ein Turm auf deinem Haupte steht!
ULYSSES
Ich bring Euch bis ans Tor.
TROILUS
Empfangt verwirrten Dank.
Troilus, Äneas und Ulysses ab.
THERSITES
Käme mir nur der Schurke Diomed in den Wurf, ich wollte krächzen wie ein Rabe! Dem wollt ich – dem wollt ich prophezeien! Patroklus gibt mir, was ich will, wenn ich ihm von dieser Hure sage; kein Papagei tut mehr für eine Mandel, als er für eine willige Metze. Unzucht, Unzucht; lauter Krieg und Liederlichkeit; die bleiben immer in der Mode. Daß ein brennender Teufel sie holte!
Er geht ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Troja, vorm Palast des Priam
Hektor und Andromache treten auf.
ANDROMACHE
Wann war mein Gatte je so schlimm gelaunt,
Sein Ohr zu schließen einer Warnungsstimme?
Leg ab die Waffen, kämpfe heute nicht!
HEKTOR
Du zwingst mich, hart zu sein; geh nun hinein!
Bei allen ewgen Göttern, ich will kämpfen!
ANDROMACHE
Mein Traum weissagt ein Unglück diesem Tag!
HEKTOR
Nichts weiter, sag ich!
Kassandra kommt.
KASSANDRA
Wo ist mein Bruder Hektor?
ANDROMACHE
Bewaffnet, Schwester, und auf Blut gestellt.
Stimm ein mit mir in lautem, heftgem Flehn!
Beschwören wir ihn kniend; denn mir träumte
Von blutgem Wirrwarr, und die ganze Nacht
Sah ich Phantome nur und Mordgestalten.
KASSANDRA
Oh, das trifft ein!
HEKTOR
Laß die Trompete schallen!
KASSANDRA
Kein Ton zum Angriff; Gott verhüt es, Bruder!
HEKTOR
Hinweg, die Götter hörten meinen Schwur!
KASSANDRA
Taub sind die Götter raschen, törgen Eiden;
Das sind entweihte Spenden, mehr verhaßt
Als fleckige Lebern eines Opfertiers!
ANDROMACHE
O laß dir raten! Acht es nicht für heilig,
Durch Rechttun schaden. Gleich erlaubt ja wärs,
Was wir als Dieb errungen, zu verschenken,
Und aus barmherzger Liebe Raub begehn.
KASSANDRA
Der gute Vorsatz leiht dem Eid die Kraft,
Nicht Eid auf jeden Vorsatz darf uns binden.
Entwaffne dich, mein Hektor!
HEKTOR
Laßt mich, Fraun,
Denn meine Ehre trotzt des Schicksals Sturm.
Das Leben gilt uns teuer, doch teurer Mut
Читать дальше