Bekämpfen? Oder wird der Streit geschieden
Durch irgendein Gebot und Kampfgericht?
So fragt Euch Hektor.
AGAMEMNON
Was ist Hektors Wunsch?
ÄNEAS
Ihm gilt es gleich, er fügt sich der Bestimmung.
ACHILLES
Ganz Hektorn ähnlich, doch sehr zuversichtlich,
Ein wenig stolz, und überaus mißachtend
Den Gegner.
ÄNEAS
Wenn Achilles nicht, mein Fürst,
Wer seid Ihr?
ACHILLES
Wenn Achilles nicht, dann nichts.
ÄNEAS
Achilles also. Doch was auch, vernehmt:
In beiden Äußersten von groß und klein
Sind Mut und Stolz in Hektor unerreicht;
Der eine fast so endlos wie das All,
Der andre leer wie nichts. Erwägt ihn recht,
Und was Euch stolz scheint, ist nur Höflichkeit:
Held Ajax ist von Hektors Blute halb,
Zuliebe dem bleibt Hektor halb zu Hause;
Halb Herz, halb Hand, halb Hektor naht er, wo er
Den Bastardhelden sucht, halb Griech, halb Troer.
ACHILLES
Ein Scheingefecht also! Ha, ich versteh Euch!
Diomedes tritt auf.
AGAMEMNON
Hier kommt Fürst Diomed. Auf, edler Ritter,
Stellt Euch zu unserm Ajax; so wie Ihr
Und Lord Äneas ordnen dies Gefecht,
So sei es: ob ein Anlauf, ob ein Gang
Auf Tod und Leben; weil die zwei verwandt,
Ist halb der Kampf erloschen, eh entbrannt.
Ajax und Hektor steigen in den Ring.
ULYSSES
Sie stehn sich gegenüber.
AGAMEMNON
Wer ist der Troer, der so finster schaut?
ULYSSES
Des Priam jüngster Sohn, ein echter Ritter;
Kaum reif, schon unvergleichbar; fest von Wort,
Beredt in Tat und tatlos in der Rede;
Nicht bald gereizt, doch dann nicht bald besänftigt;
Sein Herz wie Hand gleich offen, beide frei:
So gibt er, was er hat, spricht, was er denkt;
Doch gibt er nur, lenkt Urteil seine Güte.
Nie adelt er durch Wort unwürdges Denken;
Mannhaft wie Hektor, doch gefährlicher;
Denn Hektor, selbst in Zornes Glut, bleibt immer
Noch schonungsvoll; doch dieser, kampfentflammt,
Ist rachedurstiger als die Eifersucht.
Man nennt ihn Troilus und baut auf ihn
Die zweite Hoffnung, stark, wie Hektor selbst;
So spricht Äneas, der den Jüngling kennt
Ganz durch und durch und in Geheimgespräch
Im großen Ilion mir ihn so geschildert.
Trompeten. Hektor und Ajax kämpfen.
AGAMEMNON
Der Kampf beginnt.
NESTOR
Nun, Ajax, halt dich brav!
TROILUS
Hektor, du schläfst,
Wach auf!
AGAMEMNON
Er führt den Degen gut. So, Ajax!
[Die Trompeten hören auf zu blasen. ]
DIOMEDES
Ihr dürft nicht weiter!
Die Trompeten hören auf zu blasen.
ÄNEAS
Prinzen, 's ist genug!
AJAX
Ich bin kaum warm, tun wir noch einen Gang!
DIOMEDES
Wie's Hektor wünscht.
HEKTOR
Nun gut denn, sei's geendet!
Du, Fürst, bist meines Vaters Schwestersohn,
Ein Freund und Vetter Priams großem Stamm,
Und der Verwandtschaft Heiligkeit verbietet,
Daß sich der Kampf des Ruhms mit Blut entscheide.
Wär Gräcien dir und Troja so gemischt,
Daß du könntst sagen: Diese Hand ist griechisch,
Und troisch jene; dieses Schenkels Bau
Griechisch, der troisch; meiner Mutter Blut
Rinnt in der rechten Wange, das des Vaters
In jener Unken: beim allmächtgen Zeus,
Hinweg von mir trügst du kein griechisch Glied,
Dem nicht mein Schwert hätt eingeprägt ein Mal
Blutigen Streits! Doch hindern das die Götter,
Daß nur ein Tropfen deines Mutterbluts,
Geheiligt mir, von meinem Todesstahl
Vergossen sei. Laß dich umarmen, Ajax!
Bei dem, der donnert, du hast tüchtge Arme!
Gern läßt sich Hektor so von ihnen fassen!
Dir, Vetter, aller Ruhm!
AJAX
Ich dank dir, Hektor!
Du bist ein Mann, zu frei und hoch gesinnt!
Dich töten wollt ich, Vetter, und an Ehre
Durch deinen Fall mir reichen Zuwachs ernten.
HEKTOR
Selbst Neoptolemus, der Wunderheld,
Von dessen Helm lauttönend Fama ruft:
Das ist er selbst, hegt nicht den Wahngedanken,
Daß Ruhm, Hektorn entrissen, seinen mehrte.
ÄNEAS
Von beiden Seiten fragt Erwartung jetzt,
Was ferner ihr beginnt?
HEKTOR
Dies unsre Antwort:
Der Ausgang ist Umarmung. – Leb wohl, Ajax!
AJAX
Wenn ich Erfolg der Bitte könnt erwarten,
Der selten mir zuteil wird, lüd ich Euch,
Ruhmvoller Vetter, zu den griechschen Zelten.
DIOMEDES
's ist Agamemnons Wunsch; auch Held Achilles
Möcht ohne Wehr den tapfern Hektor sehn.
HEKTOR
Ruf meinen Bruder Troilus, Äneas,
Und melde diesen friedlichen Besuch
Der Troer Schar, die meiner Rückkunft harrt;
Sie solln heimkehren. – Gib die Hand mir, Vetter;
Ich speis in deinem Zelt mit euern Rittern.
Agamemnon und der Rest der Griechen treten vor.
AJAX
Der Herrscher Agamemnon naht sich uns.
HEKTOR
Sag mir die Namen aller Würdigsten;
Nur den Achilles laß mein spähend Aug
An seiner Hochgestalt und Wucht erkennen.
AGAMEMNON
Streitbarer Held! Willkommen mir, wie einem,
Der solches Feindes gern entledigt wäre.
Doch das ist kein Willkomm; drum red ich klarer:
Vergangnes und Zukünftiges verdeckt
Formloser Schutt und Trümmer des Vergessens;
Doch in der gegenwärtgen Stund entbietet
Dir Treu und Glaub in frommster Lauterkeit,
Abwendig aller schiefen Nebendeutung,
O großer Mann, herzinnige Begrüßung.
HEKTOR
Ich dank dir, hocherhabner Agamemnon.
AGAMEMNON
Zu Troilus Erlauchter Troilus, nicht mindres Euch.
MENELAUS
Ich grüß Euch wie mein königlicher Bruder;
Du kriegrisch Brüderpaar, sei uns willkommen!
HEKTOR
Wer spricht zu uns?
ÄNEAS
Der edle Menelaus.
HEKTOR
O Feldherr, Dank, bei Mavors' Eisenhandschuh!
Verargt mir nicht den seltsamlichen Schwur;
Eur weiland Weib schwört stets bei Venus' Handschuh;
Wohl ist sie – doch sie schickt Euch keinen Gruß.
MENELAUS
Nennt sie nicht jetzt; sie mahnt an tödlich Weh.
HEKTOR
Verzeihung! Ich vergaß mich!
NESTOR
Ich sah dich oft, du tapferer Trojaner,
Wenn du, in Arbeit für den Tod, dir Bahn
Durch unsre Jugend wütig brachst; ich sah dich,
Wie Perseus heiß dein phrygisch Schlachtroß spornend,
Auf vollen Sieg und Kampfpreis oft verzichten.
Vordringend schwangst du hoch ums Haupt dein Schwert,
Und nicht auf den Gefallnen durft es fallen,
So daß ich sprach zu meinen Schlachtgenossen:
Seht Jupiter, wie er dort Leben spendet! –
Dann sah ich dich verschnaufend Atem schöpfen,
Wenn dich ein Kreis von Griechen rings umschloß,
Wie ein olympischer Ringer. Solches sah ich;
Doch dies dein Antlitz, stets in Stahl verriegelt,
Schau ich erst heut. Mit deinem Ältervater
Focht ich einmal; er war ein guter Streiter,
Allein, beim Kriegsgott, unser aller Haupt,
Dir nimmer gleich. Nimm eines Greisen Kuß,
Und unserm Zelt sei, tapfrer Fürst, willkommen!
ÄNEAS
Er ist der alte Nestor.
HEKTOR
Laß dich umarmen, gute, alte Chronik,
Die mit der Zeit so lang schritt Hand in Hand!
Ehrwürdger Nestor, froh umschließ ich dich.
NESTOR
O daß mein Arm dirs gleichtun könnt im Kampf,
Wie er nun kämpft mit dir in Freundlichkeit!
HEKTOR
Ich wünscht es gleichfalls.
NESTOR
Ha,
Bei diesem weißen Bart, ich föchte mit dir morgen.
Willkommen denn, willkomm'n! Ich sah die Zeit –
ULYSSES
Mich wundert nur, wie jene Stadt noch steht,
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