Ists möglich? Wie gewonnen, so zerronnen? Hole der Teufel diesen Antenor! Der junge Prinz wird den Verstand verlieren. Zum Henker mit diesem Antenor! Ich wollte, sie hätten ihm den Hals gebrochen!
Cressida kommt.
CRESSIDA
Was denn? Was gibt es hier? Wer kam vorhin?
PANDARUS
Ach, ach!
CRESSIDA
Was seufzt Ihr so? Wo ist mein Liebster? Fort?
Sagt, lieber Ohm, was ist geschehn?
PANDARUS
Ich wollte, ich wäre so tief unter der Erde, als ich drüber bin!
CRESSIDA
O Götter! Nun, was ist geschehn?
PANDARUS
Ach, geh nur hinein. Wärst du doch nie geboren! Ich wußte es wohl, du würdest sein Tod sein. O der arme, junge Mann! – Verdammter Antenor!
CRESSIDA
Mein bester Ohm, auf meinen Knien beschwör ich,
Ich fleh Euch, sagt, was ist geschehn?
PANDARUS
Du mußt fort, Kind, du sollst fort; du bist für den Antenor ausgewechselt; zu deinem Vater sollst du und den Troilus verlassen. Das wird sein Tod sein, das überlebt er nicht, das bringt ihn um!
CRESSIDA
O ihr Unsterblichen! Ich gehe nicht!
PANDARUS
Du mußt!
CRESSIDA
Ich will nicht, Ohm. Was frag ich nach dem Vater!
Was ist Verwandtschaft mir! – Nein, keine Seele,
Nicht Freundschaft, Lieb und Blut sind mir so nah
Als du, herzliebster Troilus! – O Götter,
Laßt Cressida der Falschheit Gipfel heißen,
Wenn sie dich je verläßt! Zeit, Not und Tod,
Tut diesem Leben euer Äußerstes;
Doch meiner Liebe starker Bau und Grund
Ist wie der Erde ewger Mittelpunkt,
Der alles an sich zieht. Ich will hinein
Und weinen.
PANDARUS
Ja, mein Kind.
CRESSIDA
Zerraufen will ich
Mein glänzend Haar; die schönen Wangen furchen,
Die Stimme heiser schluchzen und mein Herz
Zersprengen mit dem Namen Troilus.
Ich will nicht fort von Troja!
Sie gehn ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Toja. Eine Straße vor Pandarus' Haus
Es treten auf Paris, Troilus, Äneas, Deiphobus, Antenor, Diomedes [und Gefolge ].
PARIS
Es ist schon heller Morgen, und die Stunde,
Sie abzuliefern diesem tapfern Griechen,
Rückt schnell heran. Mein bester Troilus,
Sag du der Dame, was ihr nah bevorsteht,
Und heiß sie eilen!
TROILUS
Geht ins Haus hinein;
Ich sende sie dem Griechen ungesäumt,
Und seine Hand, wenn ich sie überliefre,
Ist der Altar, dein Bruder Troilus
Der Priester, der sein eignes Herz dort opfert.
Troilus ab.
PARIS
Ich weiß, was Lieben heißt, und wünschte nur,
Ich könnte dir, wie Mitleid, Hülfe bieten. –
Beliebts, Ihr Herrn, so geht hinein!
Sie gehn ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Troja. Pandarus' Haus [Garten ]
Pandarus und Cressida treten auf.
PANDARUS
Sei mäßig, Kind, sei mäßig!
CRESSIDA
Was sprecht Ihr mir von Mäßigung? Der Schmerz,
Den ich empfind, ist geistig, tief, erschöpfend
Und ganz so groß und heftig wie die Ursach,
Die ihn erzeugt; wie kann ich ihn da mäßgen?
Wenn meine Liebe mit sich handeln ließe,
Daß sie dem kältern, schwächern Sinn genügte,
So könnt ich ebenso den Schmerz auch kühlen.
Mein Sehnen duldet kein vermittelnd Lindern,
So großes Leid vermag kein Trost zu mindern.
Troilus kommt.
PANDARUS
Hier, hier, hier kommt er. Ach die lieben Täubchen!
CRESSIDA
O Troilus! Troilus!
PANDARUS
Welch ein Schauspiel! Das arme Paar! Laßt mich euch auch umarmen! – O Herz – wie's im alten Liede steht –
O Herz, o volles Herz,
Was seufzest du und brichst nicht?
Und er antwortet hernach:
Weil du nicht lindern kannst den Schmerz,
Drum wendst du dich und sprichst nicht.
Nie gabs einen so wahren Reim. Man muß nichts wegwerfen, denn wir könnens alle erleben, solchen Vers nötig zu haben; wir sehn es, wir sehn es. Nun, meine Lämmchen?
TROILUS
Ich liebe dich mit solcher seltnen Reinheit,
Daß selge Götter, meiner Liebe zürnend,
Die heißer, als Gebet von kalten Lippen
Der Gottheit dargebracht, dich mir entreißen!
CRESSIDA
Sind Götter neidisch?
PANDARUS
Ja, ja! da sieht mans deutlich!
CRESSIDA
Und ist es wahr? Muß ich von Troja scheiden?
TROILUS
Verhaßte Wahrheit!
CRESSIDA
Auch von Troilus?
TROILUS
Von Troja wie von Troilus!
CRESSIDA
Unmöglich!
TROILUS
Und augenblicks, so daß des Schicksals Hohn
Das Lebewohl zurückweist, jede Muße
Grausam versagt, arglistig unsern Lippen
Alle Vereinung wehrt, gewaltsam hemmt
Der Lieb Umarmung und den Schwur erstickt
Im Kreißen und Geburtsschmerz unsres Atems.
Wir beide, die wir uns mit tausend Seufzern
Gewonnen, müssen ärmlich uns verkaufen
Für eines einzgen abgebrochnen Hauch.
Der rohe Augenblick, mit Diebes Hast,
Zwängt ein den reichen Raub fast unbesehn.
So viel Lebwohl als Stern am Himmel, jedes
Mit eignem Kuß und Abschiedswort besiegelt,
Rafft täppisch er zusammen in ein Wort, Und speist uns ab mit einem dürftgen Kuß, Verbittert mit dem Salz verhaltner Tränen.
ÄNEAS
draußen. Prinz, ist das Fräulein nun bereit?
TROILUS
Sie rufen dich! So ruft der Todesengel
Sein »Komm!« dem Mann, der plotzlich sterben soll. –
Heißt jene warten, sie wird gleich erscheinen.
PANDARUS
Wo sind meine Tränen? Regnet, damit dieser Sturm sich lege, sonst reißt es mein Herz mit allen Wurzeln aus.
Pandarus geht.
CRESSIDA
So muß ich zu den Griechen?
TROILUS
's ist kein Mittel!
CRESSIDA
Ein trauernd Mädchen bei den lustgen Griechen?
Wann werden wir uns wiedersehn?
TROILUS
Hör mich, Geliebte, bleibe du nur treu –
CRESSIDA
Ich treu? Wie das? Welch schmählicher Verdacht!
TROILUS
Nein, laß uns freundlich schlichten diesen Streit,
Er scheidet gleich von uns.
Ich sage nicht aus Argwohn: »Sei mir treu«,
Denn selbst dem Tod werf ich den Handschuh hin,
Daß ohne Fleck und Makel sei dein Herz;
Dies »Sei mir treu« war nur, um einzuleiten
Die folgende Beteurung: Sei mir treu,
Und bald seh ich dich wieder!
CRESSIDA
O dann, mein Prinz, wagt Ihr Euch in Gefahren
Zahllos und furchtbar. Doch ich bleib Euch treu!
TROILUS
Dann lockt Gefahr mich. Tragt die Ärmelkrause.
CRESSIDA
Und Ihr den Handschuh. Wann seh ich Euch wieder?
TROILUS
Erkaufen werd ich mir die griechschen Wachen
Und dann dich nachts besuchen. Doch sei treu!
CRESSIDA
O Himmel! Wieder dies: Sei treu!
TROILUS
Hör an,
Geliebteste, weshalb ich dirs gesagt:
Die griechschen Jünglinge sind reich begabt;
Ihr Lieben schmücken sie mit Körperschönheit,
Und Kunst und List vollenden ihren Reiz.
Wie Neuheit rühren mag und Wohlgestalt,
Ach, läßt mich eine fromme Eifersucht
– Ich bitt dich, nenn es tugendhafte Sünde –
Zu sehr befürchten.
CRESSIDA
Oh, Ihr liebt mich nimmer!
TROILUS
Dann mag ich sterben als ein Bösewicht!
Nicht deine Treu und Liebe macht mich zweifeln
So sehr, als was ich bin. Ich kann nicht dichten,
Nicht springen wie ein Tänzer, zierlich plaudern,
Noch feine Spiele spielen; lauter Gaben,
Worin die Griechen meisterlich gewandt.
Allein ich weiß, in jeder dieser Zierden
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