Da wir jetzt ihren Grund und Pfeiler haben!
HEKTOR
Wohl kenn ich Eure Zuge, Fürst Ulyß! –
O Herr, schon mancher Griech und Troer fiel,
Seit ich zuerst Euch sah mit Diomed
In Ilion als Gesandte Griechenlands.
ULYSSES
Da sagt ich Euch vorher, was folgen würde;
Noch weilt auf halbem Weg die Prophezeiung,
Denn jene Mauern, kühn die Stadt umschirmend,
Die Türme, die den Wolken keck sich nähern,
Sie küssen bald den eignen Fuß!
HEKTOR
Ich glaubs nicht!
Da stehn sie noch; bescheiden mein ich auch,
Uns zahlt für jedes phrygschen Steines Fall
Ein Tropfen Griechenblut. Das Ende krönts,
Und jener alte, ewge Richter, Zeit,
Wird einst es enden.
ULYSSES
Lassen wir es ihm!
Höchst edler, tapfrer Hektor, seid willkommen!
Nach unserm Feldherrn bitt ich Euch zunächst,
Mein Gast zu sein und mich im Zelt zu sehn.
ACHILLES
Dawider muß ich Einspruch tun, Ulysses!
Nun, Hektor, hast du meinen Blick gesättigt.
Mit scharfem Aug durchforscht ich dich, o Hektor,
Und prüfte Glied für Glied.
HEKTOR
Ist dies Achilles?
ACHILLES
Ich bin Achilles.
HEKTOR
Ich bitte, stell dich so, daß ich dich schaue.
ACHILLES
Sieh dich nur satt!
HEKTOR
Nun, ich bin fertig schon.
ACHILLES
Du bist zu eilig. Ich durchmustre dich
Noch einmal Zug für Zug, als wärs zum Kauf.
HEKTOR
So wie ein Schwankbuch blätterst du mich durch?
Doch mehr wohl liegt in mir, als du verstehst!
Was will mich so dein Auge niederdrücken?
ACHILLES
Ihr Götter, sagt, an welchem Teil des Körpers
Vernicht ich ihn? Ists hier, dort oder da?
Daß ich genau den Sitz der Wunde nennen
Und scharf das Tor bezeichnen mag, wodurch
Sein großer Geist entflieht. Antwort, ihr Götter!
HEKTOR
Mißziemen würd es heilgen Göttern, Stolzer,
Antwort zu geben solcher Frage. Sprich:
Glaubst du mein Leben so im Scherz zu fangen,
Daß du vorzeichnen willst im scharfen Umriß,
Wo treffen soll der Tod?
ACHILLES
Ja, sag ich dir.
HEKTOR
Und wärst du, solches kündend, ein Orakel,
Nicht glaubt ich dir. Hinfort sei auf der Hut!
Denn nicht hier töt ich dich, noch dort, noch da,
Nein, bei dem Hammer, der Mars' Helm geformt,
Dich töt ich, wo's auch sei; ja über und über.
Verzeiht, ihr weisen Griechen, meinem Prahlen;
Sein Hochmut zwingt mich, Törichtes zu reden.
Doch streb ich, so zu tun, wie ich gesprochen,
Sonst mög ich nie –
AJAX
Kommt nicht in Eifer, Vetter!
Und Ihr, Achilles, unterlaßt dies Drohen,
Bis Zufall oder Vorsatz wahr es macht.
Genug könnt Ihr von Hektor täglich haben,
Wenn es Euch hungert: doch ganz Griechenland
Bringt Euch wohl kaum mit ihm in Hader, denk ich.
HEKTOR
Ich bitt Euch, laßt im Feld uns Euch begegnen;
Es gab nur kleinen Krieg, seit Ihr verließt
Die griechschen Fahnen.
ACHILLES
Du verlangst nach mir?
Dir nah ich morgen, furchtbar wie der Tod –
Heut abend sein wir Freunde!
HEKTOR
Wohl, schlag ein!
AGAMEMNON
Vorerst, Ihr griechschen Herrn, kommt in mein Zelt,
Dort wolln wir Tafel halten; und hernach,
Wie Hektors Muß' und Eure Gastlichkeit
Zusammentrifft, bewirtet ihn dann einzeln.
Nun laßt die Pauken, laßt Trompeten schallen:
Willkommen sei der Troerfürst uns allen!
Sie gehn ab. Es bleiben Troilus und Ulysses.
TROILUS
Ich bitt Euch, Fürst Ulysses, gebt mir Kunde,
In welchem Teil des Lagers Kalchas weilt.
ULYSSES
In Menelaus' Zelt, mein edler Prinz;
Dort speiset Diomed rnit ihm zu Nacht,
Der nicht an Erde mehr noch Himmel denkt
Und, ganz von Lieb entflammt, nur Augen hat
Für Fräulein Cressida.
TROILUS
Erzeigt Ihr mir die Huld, mein werter Fürst,
Wann wir verlassen Agamemnons Zelt,
Mich hinzuführen?
ULYSSES
Schaltet über mich!
Gleich freundlich sagt, mein Prinz, in welchem Ruf
Hielt Troja diese Schöne? Weint ihr dort
Kein Liebster nach?
TROILUS
O Fürst, wer rühmend prahlt mit seinen Wunden,
Verdient nur Spott. Gehn wir zusammen, Herr?
Sie liebt' und ward geliebt und wirds noch heute,
Doch neidschem Glück ward Liebe stets zur Beute.
Sie gehn ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Das griechische Lager. Vor dem Zelt des Achilles
Es treten auf Achilles und Patroklus.
ACHILLES
Mit griechschem Wein durchglüh ich heut sein Blut.
Und mit dem Schwerte kühl ichs morgen ab.
Patroklus, laß uns weidlich mit ihm bechern!
PATROKLUS
Hier kommt Thersites.
Thersites tritt auf.
ACHILLES
Nun, du neidsche Schwäre?
Du der Natur verbrannt Gebäck, was gibts?
THERSITES
Nun, du Bildnis dessen, was du scheinst, du Abgott der Dummheit-Anbeter, hier ist ein Brief für dich.
ACHILLES
Von woher, du Brocken?
THERSITES
Nun, du volle Schüssel Narrheit, aus Troja.
PATROKLUS
Wer blieb in den Zelten?
THERSITES
Soll ich von euern Zeltern und Mäulern Rechenschaft geben, Esel?
PATROKLUS
Nicht übel, Scheelsucht; nun, was soll die Bosheit?
THERSITES
Ich bitte dich, Knabe, schweig still; ich lerne nichts aus deinem Geschwätz. Man hält dich für Achills Mannbuben.
PATROKLUS
Mannbuben, du Schurke? Was soll das heißen?
THERSITES
Ei nun, seine männliche Hure. Mögen doch alle faulen Seuchen des Südwinds, Bauchgrimmen, Brüche, Flüsse, Stein- und Rückenschmerzen, Schlafsucht, Lähmung, triefende Augen, verschleimte Lebern, pfeifende Lungen, Eiterbeulen, Hüftweh, verkalkte Finger, unheilbarer Knochenfraß und das Ehrengeschenk der schäbigsten Krätze fallen und nochmals fallen auf so widernatürliche Entdeckungen!
PATROKLUS
Was, du teuflische Gittbüchse du, was willst du mit all diesen Flüchen?
THERSITES
Fluch ich dir?
PATROKLUS
Nein, du wurmstichiges Faß, du verruchter, hündischer Blendling, das nicht.
THERSITES
Nicht? Worüber ereiferst du dich denn, du lose, fasrige Seidenflocke, du grünflorner Schirm für ein böses Auge, du Quast an eines Verschwenders Geldbeutel du? Ach, wie die arme Welt verpestet wird von solchen Wasserfliegen, solchem Wegwurf der Natur!
PATROKLUS
Pfui über dich, Galle!
THERSITES
Finkenei!
ACHILLES
Liebster Patroklus, ganz durchkreuzt der Brief
Mein großes Wollen für den nächsten Morgen.
Es sendet ihn die Königin Hekuba
Und ihre Töchter, meine schöne Buhlin;
Sie beide tadeln und beschwören mich,
Zu halten meinen Eid; ich brech ihn nicht.
Fallt, Griechen, welke, Ruhm, werd Ehre Spreu!
Mein erst Gelübd ist hier, dem bleib ich treu. –
Thersites, geh und ordne mir das Mahl,
Die Nacht durchjubein wir beim Festpokal.
Komm, mein Patroklus!
[Sie gehn ab. ] Geht mit Patroklus ab.
THERSITES
Bei zuviel Blut und zuwenig Hirn können die beiden noch toll werden; wenn sie's aber bei zuviel Hirn und zuwenig Blut werden, so will ich selbst Narren kurieren. Da ist Agamemnon; eine gute, ehrliche Haut und Liebhaber von jungen Schnepfen; aber Gehirn hat er nicht soviel als Ohrenschmalz. Und nun vollends diese unvergleichliche noble Metamorphose des Jupiter, sein Bruder, der Stier – dieser uranfängliche Prototyp und Musterbild der Hahnreie – dies gedeihliche Schuhhorn an der Kette, das an seines Bruders Schenkel hängt – in welche andere Gestalt als seine eigene könnte Bosheit mit Witz gespickt und Witz mit Bosheit gefüllt den umschaffen? In einen Esel? Das wäre nichts; er ist beides, Ochs und Esel. In einen Ochsen? Das wäre nichts; er ist beides, Esel und Ochs. Müßt ich ein Hund sein, ein Maultier, ein Kater, ein Iltis, eine Eidechse, eine Kröte, eine Eule, ein Fischrabe oder ein Hering ohne Rogen, das sollte mir nichts machen; aber ein Menelaus sein? Da würde ich gegen das Fatum rebellieren. Fragt mich nicht, was ich sein möchte, wenn ich nicht Thersites wäre; denn mir wärs gleichviel, die Laus eines Aussätzigen zu werden, müßt ich nur nicht Menelaus sein. – Heida! Geister und Feuer!
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