Seit 2005 gilt das Alterseinkünftegesetzund verändert grundlegend die Besteuerung von Ruhestandseinkommen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 hat die Gesetzesänderung ausgelöst. Mit dieser Rechtsprechung wurde die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes gewertet. Das Bundesverfassungsgericht forderte den Gesetzgeber auf, die Besteuerung der Renten und Pensionen gleichzustellen. Das daraufhin eingeführte Alterseinkünftegesetz enthält eine Übergangszeit und im Jahr 2040 wird die Gleichbehandlung umgesetzt sein. Während der Übergangszeit können Arbeitnehmer die Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung und gleichgestellte Versicherungen in wachsendem Umfang und ab 2025 zu 100 Prozent abziehen. Gleichzeitig steigt jedes Jahr der Besteuerungsanteil für „Neurentner“ (vereinfachtes Beispiel
Seite 30).
Wer 2005 Rentner war oder wurde, muss 50 Prozent seiner damaligen Rente versteuern. Für die Steuererklärung 2020 fallen bei diesen „Altrentnern“ bis zu einer Jahresrente von rund 19 000 Euro (alte Bundesländer) und 17 750 Euro (neue Bundesländer) keine Steuern an. Rentnerehepaare erhalten das Doppelte steuerfrei. Voraussetzung ist aber, dass zur gesetzlichen Rente keine weiteren Einkünfte hinzukommen. Wer zum Beispiel Miete, eine Werkspension oder den Arbeitslohn des berufstätigen Ehepartners zu versteuern hat, muss schon bei weit geringeren Renteneinkünften mit dem Finanzamt rechnen (
Seite 168).
Rentnerjahrgänge mit einem Rentenbeginn nach 2005 müssen auch ohne weitere Einkünfte bereits bei niedrigeren Rentenbezügen mit dem Fiskus rechnen. Jeder neue Jahrgang muss etwas mehr von seiner Rente versteuern als der Vorgängerjahrgang. Bei einem Rentenbeginn im Januar 2020 kann beispielsweise bereits ab einer Jahresrente von 1 3815 Euro eine Steuerbelastung auftreten. Rentner mit einem Rentenbeginn zwischen 2005 und 2020 können den Wert auf der Tabelle
Seite 162 ablesen.
Auch Altrentner mit höherem Rentenfreibetrag, die bisher keine Steuererklärung abgeben mussten, sollten ihre steuerliche Situation beispielsweise anhand der Tabelle auf Seite 162 überprüfen. Die jährliche Rentenanpassung, die auf Grundlage der Entwicklung der Beschäftigungen und Löhne erfolgt, ist nicht nur anteilig steuerpflichtig, sondern in voller Höhe. Dadurch wächst bei den Ruheständlern regelmäßig der steuerpflichtige Anteil der Renten und bewirkt, dass immer mehr Senioren in die Steuerpflicht „rutschen“. Jährlich müssen mehrere Zehntausend Rentner (rund 51 000 im Jahr 2020) erstmals eine Steuererklärung bei ihrem zuständigen Finanzamt einreichen. Anfänglich ist es nur eine geringe Steuerlast im zweistelligen Bereich.
Zum Beispiel Paul P.
Der alleinstehende 80-jährige Paul aus Leipzig ist seit 2005 Rentner. Im Jahr 2019 erhielt er Rentenbezüge von insgesamt 17 720 Euro. Steuern musste P. bisher nicht zahlen, weil sein steuerpflichtiges Einkommen innerhalb des steuerfreien Existenzminimus blieb. Dazu reichten bereits Pauls Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Mit der Rentenanpassung im Jahr 2020 änderte sich jedoch die Situation. Von Januar bis Juni 2020 betrug Pauls Monatsrente 1 505 Euro und stieg ab Juli 2020 um 4,2 Prozent auf 1 568 Euro. Dadurch erhöht sich sein Einkommen im Jahr 2020 auf 9 787 Euro. Zwar wächst 2020 auch das steuerfreie Existenzminimum, der Grundfreibetrag auf 9 408 Euro. Das Einkommen von Paul steigt jedoch etwas stärker, sodass seit Rentenbeginn erstmals eine Einkommensteuer anfällt, 54 Euro für das Jahr 2020.
Der steuerpflichtige Anteil der Rente wird bei mit dem Rentenbeginn festgelegt. Wer 2019 erstmals eine Rente bezieht, muss 78 Prozent versteuern (
Seite 160). Während sich der Prozentsatz nach dem Kalenderjahr des Renteneintritts richtet, wird der persönliche Rentenfreibetrag erst im Folgejahr endgültig festgelegt. Beim Rentenbeginn 2019 erfolgt das mit der Jahresrente 2020, wie das Beispiel zeigt:
Zwei Beispielrechnungen
|
2019 |
2020 |
Renteneinnahmen |
17 720 |
18 439 |
ab Rentenfreibetrag |
– 6 504 |
– 6 504 |
ab Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschale |
– 138 |
– 138 |
ab Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (10,9 %) |
– 1 931 |
– 2 010 |
Einkommen |
9 147 |
9 787 |
Grundfreibetrag |
9 168 |
9 408 |
Steuern |
0 |
54 |
Zum Beispiel Regina R.
Die 66-jährige verheiratete Bankangestellte aus Berlin ging am 1. Juli 2019 in Rente, sie erhielt 1 000 Euro Monatsrente. Davon muss sie 78 Prozent versteuern. Damit ist zwar der Prozentsatz klar, nicht aber die Höhe des persönlichen Rentenfreibetrags. Der Freibetrag wird immer auf der Grundlage der Rente des Folgejahres ermittelt. Das ist für Regina R. vorteilhaft. Da sich die Rente zum 1. Juli 2020 um 4,2 Prozent erhöht hat (also um 252 Euro), wächst auch ihr Rentenfreibetrag ein klein wenig mit: nämlich auf 2 696 Euro. Dort bleibt er stehen, egal welche Rentenanpassungen danach noch kommen. Das bedeutet für sie auch: Jede Rentenerhöhung nach 2020 ist nicht nur anteilig, sondern voll steuerpflichtig.
Bruttorente Januar bis Juni 2020 |
6 000 |
plus Bruttorente Juli bis Dezember 2020 |
+ 6 252 |
Bruttorente 2020 |
12 252 |
davon 22 Prozent steuerfrei (alle Angaben in Euro) |
2 696 |
Die sogenannte Mütterrente für vor 1992 geborene Kinder ist ebenfalls eine Rentenerhöhung. Die nachträgliche Anrechnung von Kindererziehungszeiten wird jedoch steuerlich nicht wie die regelmäßige Rentenanpassung behandelt, sondern bleibt zumindest teilweise steuerfrei. Der Rentenfreibetrag für die gesamte Altersrente wird von der Rentenversicherung neu ermittelt.
Tod des Partners
Wer seinen Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner verliert, sollte sich nach dem Trauerjahr den steuerlichen Fragen zuwenden. Haben die Eheleute bereits bisher eine Steuererklärung eingereicht, erwartet den Hinterbliebenen keine Veränderung.
Wenn beide Partner aufgrund ihrer Rentenhöhe bisher keine Steuererklärung einreichen mussten, sollte der Hinterbliebene steuerlichen Rat suchen. Die Rentenbezüge des alleinstehenden Ruheständlers sind häufig höher als das steuerfreie Existenzminimum, wenn neben der Altersrente nun auch noch eine Witwen-/Witwerrente oder Pensionszahlungen gezahlt wird. Allerdings gewährt das Finanzamt etwas Aufschub:
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