Hans-Dieter Schütt
Fontanes
Kriegsgefangenschaft
Wie der Dichter in Frankreich
dem Tod entging
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ebook im be.bra verlag, 2020
© der Originalausgabe:
edition q im be.bra verlag GmbH
Berlin-Brandenburg, 2020
KulturBrauerei Haus 2
Schönhauser Allee 37, 10435 Berlin
post@bebraverlag.de
Lektorat: Gabriele Dietz, Berlin
Umschlag: hawemannundmosch, Berlin (Titelfoto oben: © Theodor-Fontane-Archiv
Potsdam, unten: © Pierre BRYE / Alamy Stock Foto)
ISBN 978-3-8393-2143-0 (epub)
ISBN 978-3-86124-740-1 (print)
www.bebraverlag.de
Vorwort VORWORT Fontane warf seine Reisetasche in die Ecke, sich selber aufs Sofa, kreuzte die Hände über der Brust, atmete hoch auf und sagte das eine Wort: Frei .[1] Endlich! Nach einer wochenlangen Odyssee durch Frankreichs Gefängnisse – von Lothringen bis zum Atlantik – kehrte der Dichter im Dezember 1870 als freier Mann nach Preußen zurück. Seine Reise, die er als Journalist für die Berichterstattung über den noch andauernden Deutsch-Französischen Krieg begonnen hatte, endete in einem Albtraum: Fontane wurde verhaftet, der Spionage verdächtigt und vor ein Kriegsgericht gestellt. Erst rückblickend realisierte er, was bei diesem Abenteuer auf dem Spiel stand: Hier war das Todtschiessen nah .[2] Als Fontane bei seinem »romantischen« Ausflug zum Geburtsort der französischen Nationalheiligen Jeanne d’Arc weit hinter der Front verhaftet wurde, ignorierte er zunächst die Gefahr. Aber schon die erste Nacht in einer Zelle voller Ratten ließ ihn daran zweifeln, dass es sich bei seiner Festnahme nur um einen Irrtum handeln könne. Weil sich die lokale Militärbehörde für nicht zuständig hielt, wurde sein Fall durch die Instanzen gereicht und der vermeintliche preußische Spion unter den Attacken einer aufgebrachten und antipreußisch gesinnten Bevölkerung von einem Festungsort zum anderen transportiert. Die schlimmsten Tage erlebte Fontane in der Zitadelle von Besançon, wo er auf die Entscheidung des Kriegsgerichts wartete. Das Gefühl des äußerlichen Unsauberseins, das mit der Vorstellung einer gewissen innerlichen Unreinheit einherging, raubte ihm allen Mut und alle Zuversicht. Bis er schließlich in der Zitadelle auf der Atlantikinsel Oléron landete, wo er einen privilegierten Gefangenenstatus »genoss«.
Abermals ein KriegsbuchZwischen den Fronten
Kriegsjournalist auf AbwegenVerhaftung
Furchtbare ÄngsteIn Gewahrsam
Weißbrot statt NusstorteGefängnisalltag in Besançon
Es ist ein Unglück passiertAuf der Suche nach dem »verlorenen Freund«
Böse und gute NachrichtenEntscheidungen in Besançon
Irrfahrt durch FrankreichVon Besançon auf die Insel Oléron
Himmlische Ruhe und stürmischer RegenAls officier supérieur auf der Atlantikinsel Oléron
Wer hatte mich befreit?Freilassung
Auf Ehrenwort freiRückkehr
EpilogZur Entstehung und Wirkung von Theodor Fontanes Kriegsgefangen
Anhang
Personenverzeichnis
Stationen der Kriegsgefangenschaft Fontanes
Initiativen zur Rettung Fontanes
Übersichtskarte
Literaturverzeichnis
Anmerkungen
Bildnachweis
Dank
Die Autoren
Fontane warf seine Reisetasche in die Ecke, sich selber aufs Sofa, kreuzte die Hände über der Brust, atmete hoch auf und sagte das eine Wort: Frei .[1] Endlich! Nach einer wochenlangen Odyssee durch Frankreichs Gefängnisse – von Lothringen bis zum Atlantik – kehrte der Dichter im Dezember 1870 als freier Mann nach Preußen zurück. Seine Reise, die er als Journalist für die Berichterstattung über den noch andauernden Deutsch-Französischen Krieg begonnen hatte, endete in einem Albtraum: Fontane wurde verhaftet, der Spionage verdächtigt und vor ein Kriegsgericht gestellt. Erst rückblickend realisierte er, was bei diesem Abenteuer auf dem Spiel stand: Hier war das Todtschiessen nah .[2]
Als Fontane bei seinem »romantischen« Ausflug zum Geburtsort der französischen Nationalheiligen Jeanne d’Arc weit hinter der Front verhaftet wurde, ignorierte er zunächst die Gefahr. Aber schon die erste Nacht in einer Zelle voller Ratten ließ ihn daran zweifeln, dass es sich bei seiner Festnahme nur um einen Irrtum handeln könne. Weil sich die lokale Militärbehörde für nicht zuständig hielt, wurde sein Fall durch die Instanzen gereicht und der vermeintliche preußische Spion unter den Attacken einer aufgebrachten und antipreußisch gesinnten Bevölkerung von einem Festungsort zum anderen transportiert. Die schlimmsten Tage erlebte Fontane in der Zitadelle von Besançon, wo er auf die Entscheidung des Kriegsgerichts wartete. Das Gefühl des äußerlichen Unsauberseins, das mit der Vorstellung einer gewissen innerlichen Unreinheit einherging, raubte ihm allen Mut und alle Zuversicht. Bis er schließlich in der Zitadelle auf der Atlantikinsel Oléron landete, wo er einen privilegierten Gefangenenstatus »genoss«.
Wie es zu Fontanes Festnahme kam und wie er nur knapp dem Tod entging, wird in diesem Buch erzählt. Die dramatische Geschichte seiner Inhaftierung und seiner Rettung wird erstmals aus zwei Perspektiven rekonstruiert: aus der Sicht des Gefangenen und der seiner Helferinnen und Helfer. Denn kaum hatte die Nachricht über Fontanes Gefangennahme Berlin erreicht, setzten seine Frau Emilie und vor allem seine Freunde alle Hebel in Bewegung, um ihn zu retten. Das aktivierte Netzwerk – umfangreicher als bisher bekannt – reichte über die Landesgrenzen hinweg und war mit dem preußischen Ministerpräsidenten Bismarck und dem französischen Justizminister Crémieux prominent besetzt. Da nur wenig über die Hilfsaktionen an die Öffentlichkeit gelangte und sich zum Teil auch überkreuzten, war sich Fontane auch am Ende seines Lebens nicht sicher, wer ihn eigentlich gerettet hatte. Selbst die Forschung kommt zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen, obwohl die Aufarbeitung dieses spannenden biografischen Kapitels seit rund einhundert Jahren andauert.
Dass der Fall bisher nicht gelöst werden konnte, hat mehrere Ursachen. Einerseits trug Fontane selbst nicht viel zur Aufklärung bei. Sein autobiografisches Buch Kriegsgefangen verleitet, das Erlebte – so der Untertitel – als realistischen Bericht seiner Haftzeit zu lesen. Der Text ist zwar die wichtigste und umfangreichste Quelle, aber vorrangig eine literarische. Fontane hat die Wirklichkeit modifiziert und gerafft, wenn es in sein poetisches Konzept passte. Und hat wohl nie damit gerechnet, dass der Wahrheitsgehalt seiner Aussagen jemals überprüft würde.
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