NEU:Der Grundfreibetrag erhöht sich 2020 von 9 168 auf 9 408 Euro pro Person und Jahr. Für Ehepaare und eingetragene Lebenspartner verdoppelt er sich somit auf 18 816 Euro.
Neben dem Arbeitslohn erhalten Angestellte manchmal Lohnersatzleistungen. Die heißen so, weil sie anstelle von Arbeitslohn gezahlt werden, zum Beispiel Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Mutterschafts-, Eltern- oder Krankengeld (
Seite 189). Solche Leistungen sind steuerfrei, können aber unter dem Strich trotzdem zu höheren Steuern führen. Das funktioniert über den sogenannten Progressionsvorbehalt. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich für Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Lohnersatzleistungen folgender Vorgang: Zum zu versteuernden Einkommen wird eine im Jahresverlauf bezogene Lohnersatzleistung hinzugezählt und auf dieser Grundlage der durchschnittliche Steuersatz ermittelt. Danach zieht man die Lohnersatzleistung wieder ab und wendet den so ermittelten Steuersatz auf das ursprüngliche zu versteuernde Einkommen an. Das führt in der Regel zu einer höheren Steuerbelastung als vorher. Hätte beispielsweise Ariane A. zu ihrem zu versteuernden Einkommen von 23 938 Euro noch 2 000 Euro Kurzarbeitergeld erhalten, wäre ihr Durchschnittssteuersatz (
Seite 258) von 14,26 Prozent auf 15,35 Prozent gestiegen. Sie müsste auf dasselbe zu versteuernde Einkommen von 23 938 Euro „dank Progressionsvorbehalt“ 260 Euro mehr Einkommensteuern zahlen.
Den laufenden Steuerabzug von Lohn und Gehalt übernimmt der Arbeitgeber im Auftrag des Finanzamts. Das funktioniert über sechs unterschiedliche Lohnsteuerklassen. Vor allem die familiäre Situation entscheidet darüber, welcher Lohnsteuerklasse Arbeitnehmer angehören.
Alleinstehende.Ohne Kinder sind sie in Klasse I. Haben sie mindestens ein Kind, kann es auch Steuerklasse II sein.
Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften. Sie können wählen. Dabei ist die Kombination der Steuerklassen IV/IV in der Regel erste Wahl, wenn beide Partner etwa gleich viel verdienen. Liegen die Löhne weit auseinander, sorgt die Kombination III/V für den geringsten laufenden Steuerabzug (Klasse III für den Partner mit dem höheren Gehalt,
ab Seite 245). Bei großen Lohnunterschieden müssen Ehepaare jedoch mit zum Teil erheblichen Nachzahlungen rechnen. Um dies zu vermeiden, besteht für Paare eine Alternative unter dem Begriff „Faktorverfahren“. Ein Faktor gleicht den Verdienstunterschied aus und mindert die Steuerbelastung im Vergleich zur Steuerklassenwahl IV/IV („vier-vier“). Die jährliche Gesamtbelastung nach Abgabe der Steuererklärung ändert sich nicht. Der Faktor kann ebenso wie die anderen Steuerklassen aber die Höhe von Lohnersatzleistungen, etwa von Elterngeld, beeinflussen (
Seite 205).
Die Lohnsteuerklasse VI gilt für ein zweites und für jedes weitere Arbeitsverhältnis – unabhängig von familiären Verhältnissen. Die Zuordnung zu Lohnsteuerklassen beeinflusst die Abzüge vom Bruttolohn und damit die Höhe des laufenden Nettolohns. So ist zum Beispiel ein Bruttomonatsgehalt von 3 000 Euro in den Klassen I und IV mit rund 405 Euro Lohnsteuer belastet (ohne Solidaritätszuschlag und ohne Kirchensteuer). In der Klasse III sind es nur rund 159 Euro und in der Klasse V rund 725 Euro Lohnsteuer. Die Unterschiede kommen daher, dass die einzelnen Steuerklassen unterschiedliche Freibeträge und Pauschalen enthalten. So drücken der in Klasse III eingearbeitete doppelte Grundfreibetrag und ein teilweise höherer Abzugsbetrag für Vorsorgeaufwendungen (das sind hier die Beiträge für die Renten- und Kranken- und Pflegeversicherung) die laufende Steuerlast erheblich (
Seite 243).
Der Steuerabzug über die Lohnsteuerklasse erfolgt im Jahresverlauf pauschal nach einem ziemlich groben Raster. Dadurch kann der laufende Lohnsteuerabzug von der tatsächlichen Steuerschuld erheblich abweichen. Von mehr als 20 Millionen Arbeitnehmern und Beamten holt sich der Fiskus auf diese Weise mehr oder weniger als ihm zusteht. In fast 90 Prozent aller Fälle ist es mehr: Im Bundesdurchschnitt zahlen die Finanzämter Arbeitnehmern pro Steuererklärung rund 1 000 Euro zurück.
Welche Steuerklassenkombination für Ehe- und Lebenspartner am günstigsten ist, finden Sie im Internet unter test.de/Steuerratgeber-Extraoder auf der BMF-Homepage unter bundesfinanzministerium.de(Suchbegriff „Steuerklassenwahl“).
Und noch etwas Formales: Aufgrund der Gesetzesänderung für gleichgeschlechtliche Paare wird durchgängig in allen Formularen ein Partner regelmäßig als „Person A“ bezeichnet, der andere als „Person B“. Alle in diesem Ratgeber genannten Bestimmungen gelten für alle Ehen und eingetragene Lebenspartner gleichermaßen. Es wird im Buch aber nicht überall gesondert erwähnt. Weitere Infos finden Sie ab Seite 37.
Warum die meisten Arbeitnehmer zu viel Steuern zahlen
Für die Staatseinnahmenist die Lohnsteuer besonders wichtig. Sie gehört zu den mit Abstand größten Einnahmeposten. Fast 264 Milliarden Euro brachte sie 2019 brutto in die Staatskasse. Der Fiskus kann sofort über diese sichere Einnahmequelle verfügen.
Was den Finanzminister freut, ist für Lohnsteuerzahler ein Nachteil, und der beginnt genau an dieser Stelle: Der Sofortabzug der Lohnsteuer funktioniert nämlich wie zuvor beschrieben zunächst pauschal und berücksichtigt die konkrete Lage des einzelnen Arbeitnehmers nur zum Teil. Das führt dazu, dass das Finanzamt in den weitaus meisten Fällen zunächst mehr Geld kassiert, als ihm zusteht.
So wird der Arbeitnehmerpauschbetrag in den Lohnsteuerklassen I bis V in jedem Monat mit 83,33 Euro berücksichtigt (1 000 durch 12, Ergebnis gerundet). Hat ein Arbeitnehmer beispielsweise aber nur sechs Monate eines Jahres gearbeitet, etwa weil er im Juli erstmals einen Job angetreten hat, weil er in den anderen Monaten arbeitslos war oder weil er am 1. Juli in Rente ging, konnte er nur für sechs Monate den Arbeitnehmerpauschbetrag nutzen, also 500 Euro. Die restlichen 500 Euro stehen ihm aber trotzdem zu, weil es ein Jahresbetrag ist. Ein Arbeitnehmer erhält ihn auch dann ohne zeitanteilige Kürzung, wenn er nur an einem einzigen Tag des Jahres gearbeitet hat. Die Berechnung, nach der ein Arbeitgeber die Lohnsteuer einbehält, geht aber davon aus, dass ein Angestellter volle zwölf Monate des Jahres beschäftigt ist. Wer kürzer gearbeitet hat, zahlt somit zwangsläufig im Jahresverlauf zu viel Lohnsteuer für den Arbeitslohn.
Solange sich die Werbungskosten im Rahmen des Arbeitnehmerpauschbetrags bewegen, bleibt der Nachteil für Arbeitnehmer meist überschaubar. Liegen sie höher, etwa durch eine größere Entfernung zwischen Wohnung und Betrieb, durch häufige Dienstreisen, ein Heimbüro, einen zweiten Haushalt am Arbeitsort, Fortbildungsaufwand oder höhere Ausgaben für Arbeitsmittel, kann ein Angestellter übers Jahr ein paar Hunderter oder gar Tausender zu viel Steuern bezahlen. Grund: Die Lohnsteuerberechnung beim Arbeitgeber berücksichtigt grundsätzlich nur den Arbeitnehmerpauschbetrag. Höhere Ausgaben senken die laufende Steuerlast nur, wenn Arbeitnehmer und Beamte dafür Freibeträge beantragt haben (
Seite 183). Ansonsten können sie erst in der Steuererklärung die Kosten geltend machen, vorausgesetzt, man gibt eine ab. Wer keine abgibt, beschenkt die Staatskasse nicht nur zeitweise, sondern auf Dauer.
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