»Nennt mich Frenchy wie alle anderen auch.«
»Ich interessiere mich sehr für das Pelzgeschäft.«
»Habt Ihr schon Tiere gefangen?«
»Oh nein. Ich weiß nichts darüber. Ich habe es noch nie gesehen, aber ich würde gern mehr darüber erfahren. Immerhin«, sagte Paul vorsichtig, »geht es in diesem Krieg doch darum.«
Doucett, ein stämmiger Mann mit langen Haaren und dunkelbraunen Augen, starrte Paul an. Der Franzose trug einen kurzen Bart und schien immens stark zu sein, auch wenn er nicht besonders groß war. Ein Auge war durch eine ziemlich große Narbe zu einem Schlitz verengt, was ihm ein recht finsteres Aussehen verlieh. »Ich weiß alles über den Biber und andere Tiere, Leutnant. Was wollt Ihr wissen?«
»Erzählt mir davon. Kommt. Ich spendiere eine Flasche, wenn Ihr gleichzeitig trinken und erzählen könnt.«
»Ich kann alles tun und gleichzeitig trinken«, prahlte Doucett.
Frenchy Doucett war ein hervorragender Geschichtenerzähler. Er trank den Wein, den Paul ihm anbot, wie Wasser, und er schien keinerlei Wirkung auf ihn zu haben. Paul hörte mehr als zwei Stunden lang aufmerksam zu, während Doucett die Berge und die Tiere beschrieb, die dort gefangen wurden. »Ich habe vor, reich zu werden, Leutnant.«
»Werdet Ihr Eure Felle an die Franzosen oder an die Briten verkaufen?«
»Ich bin ein Trapper, kein Politiker oder Soldat. Ich werde die Felle an die verkaufen, die mir das meiste Geld dafür geben.«
Paul lachte. Der Bursche gefiel ihm. »Ich finde das sehr klug, Frenchy.«
Dies war das erste von mehreren Gesprächen. Paul interessierte sich immer mehr für das Fellgeschäft und fragte schließlich: »Kann man damit reich werden?«
» Oui , wenn man klug ist und seine Felle richtig verkauft. Und manchmal braucht man die Tiere sogar nicht einmal zu fangen!«
»Wieso das? Woher bekommt Ihr die Felle dann?«
»Von den Indianern. Sie stellen hervorragende Fallen. Man gibt ihnen für ein Biberfell eine Handvoll Glasperlen, die vielleicht zehn Pence kosten und verkauft es für zwanzig Pfund.«
Paul war erstaunt. »Wissen sie es denn nicht besser?«
»Sie lernen sehr schnell, aber wenn man mit guten Handelswaren zu ihnen kommt, kann man ein Vermögen machen.« Er betrachtete Paul Wakefield. »Zu schade, dass Ihr Soldat seid, Leutnant. Offensichtlich habt Ihr gute Ideen – genau wie ich.«
Paul antwortete nicht, aber er vergaß nicht, was Doucett gesagt hatte. Häufig dachte er darüber nach und wurde besessen von diesem Gedanken. Doch zwei Tage später wurde Paul von seinem Bestreben, durch Fellhandel reich zu werden, abgelenkt, weil General Wolfe einen Verzweiflungsschritt unternahm. Seit einem Monat lag die Armee nun bereits in der Nähe von Quebec, ohne etwas vorweisen zu können. Wolfe rief seinen Stab zusammen und gab einen direkten Befehl.
»Wir werden angreifen, Gentlemen«, verkündete er. Ohne nach ihrer Meinung zu fragen, erklärte er seinen Plan. »Wir werden die Männer stromaufwärts an Land bringen und übermorgen angreifen.« Er war zwar recht klein, verfügte jedoch über innere Stärke, und während er auf der Karte die Truppenbewegungen erklärte, wurde Paul ganz aufgeregt. Endlich geht es los – und ich werde ganz bestimmt dabei sein!
Doch die drei Brigadegeneräle stellten sich gegen Wolfes Plan. »Das wird nie gelingen, General Wolfe«, protestierte General Monckton. »An dieser Stelle werden die Männer bergauf stürmen müssen, genau in das Feuer des Feindes hinein. Sie werden abgeschlachtet werden, Sir!«
Townshend und Murray stimmten ihm zu, doch Wolfe blieb fest. »Der Angriff wird stattfinden – und ich erwarte einen Sieg«, war sein letzter Kommentar.
»Wir werden niedergemetzelt werden!«, murmelte Townshend. Seine Lippen waren weiß vor Wut. »Wolfe ist ein Dummkopf!«
Am 31. Juli gehörte Paul zu den Männern in den Behelfsbooten, die die Truppen seiner Majestät den Saint Lawrence River an der Stadt Quebec vorbei flussaufwärts brachten. Er war aufgeregt, doch seine gute Laune wurde getrübt, als er einen halben Tag lang zusammen mit den schwitzenden Soldaten in diesem Ruderboot sitzen musste. Amüsiert entdeckte er Frenchy in seinem Boot und fragte: »Was macht Ihr hier, Frenchy? Das ist doch nicht Eure Seite.«
»Meine Seite bin ich!«, verkündete Doucett. »General Wolfe hat mich dafür bezahlt, dass ich mitkomme – um den Truppen zu zeigen, wo sie landen können. Ich kenne den Fluss in- und auswendig!«
Der Angriff kam für Paul unerwartet. Er war eingeschlafen, und als die Boote ans Ufer gesteuert wurden, war es Frenchy Doucett, der ihn wach rüttelte und flüsterte: »Ihr wacht besser auf, Leutnant –«
Paul war sofort hellwach. Als er hochfuhr, fiel er beinahe aus dem Boot; nur der starke Arm von Doucett bewahrte ihn davor. Als er den Blick hob, entdeckte er die roten Jacken seiner Einheit, die vorstürmte. Hauptmann Monday führte das Kommando. Er rief: »Kommt, Männer – für König und Vaterland!«
Paul zog sein Schwert und rannte zum Berg. Er war kaum drei Meter gekommen, als das Gewehrfeuer begann, und als er den Berg hinaufsah, entdeckte er die Gewehre, mit denen die Stadtmauern verteidigt wurden. Die Soldaten gingen in Scharen zu Boden, und wenn dies auch seine erste Schlacht war, so erkannte er doch, dass sie keine Chance hatten! Aber unbeirrt rückte er mit der kleinen Gruppe unter Mondays Kommando vor. Dann hörte er eine Stimme, die sagte: »Leutnant – kommt zurück!«
Als er sich umdrehte, entdeckte er Doucett hinter sich. »Zurück, Doucett!« In diesem Augenblick begann eine Gruppe französischer Soldaten mit dem Gegenangriff. Wie aus dem Nichts stand einer davon plötzlich vor Doucett und richtete sein Bajonett auf dessen Bauch. Ohne zu zögern, sprang Paul vor, schlug das Bajonett mit seinem Schwert beiseite und trieb seine Klinge direkt in das Herz des französischen Soldaten. Der Mann blieb stehen, ließ seine Muskete fallen und starrte auf die Klinge, die seine Brust durchstochen hatte. Mit traurigem Blick sah er auf, fast schien es so, als wolle er sich entschuldigen. Paul zog die Klinge zurück. Er fühlte sich elend – und betrachtete das Gesicht des jungen Mannes näher. Er schien kaum älter als achtzehn Jahre zu sein. Ein Vorhang schien sich über die Augen des jungen Mannes zu legen und plötzlich strömte Blut über seine Lippen. Langsam kippte er nach vorne und sackte zu Boden. Dort blieb er reglos und mit starrem Blick liegen.
»Kommt, Ihr werdet getötet!«
Paul wurde von Doucett buchstäblich den Berg hinuntergezerrt. Als sie den Schutz der Truppen erreicht hatten, musste Paul sich übergeben. Doucett schützte ihn vor den Blicken der anderen Soldaten. Als Paul sich aufrichtete und ihn mit leichenblassem Gesicht anstarrte, fragte er sanft: »Der erste Mann, den Ihr getötet habt?«
»J-ja!«
»Ihr habt hervorragend reagiert, Paul Wakefield. Ihr habt mein Leben gerettet – und so etwas vergesse ich nie!«
Nach der Schlacht wurde Doucett Paul gegenüber noch offener. Er zeigte ihm einige Biberfelle und erklärte ihm, wie man Hüte daraus machte. »Wer weiß schon, wie die Mode im folgenden Jahr oder gar im folgenden Monat sein wird. Der Punkt ist, die Biber zu fangen, sie zu verkaufen und reich zu werden. Dann kann ein anderer die Tiere fangen. Aber der beste Weg ist immer noch, sie von den Indianern zu kaufen.«
»Kennt Ihr denn Indianer?«
Ein listiger Ausdruck trat in das Gesicht des Franzosen. »Ich bin mit der Tochter eines der Häuptlinge des Ojibway-Stammes verheiratet. Ein großer Stamm. Sie vertrauen mir wie keinem anderen Weißen. Sie wissen, dass ich ihnen gute Ware anbiete. Keinen Whisky und keine Glasperlen. Aus unserer Sicht verlangen sie nicht viel. Ihr und ich, Leutnant, wir könnten einige Boote mit Tauschware beladen, sie gegen Biber- und Nerzfelle eintauschen und reich werden! Wie würde Euch das gefallen?«
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