Die Duftstoffe dieser Gruppe heißen Aromaten. Dieser Begriff hat zunächst wenig mit dem alltäglichen Begriff „aromatisch“ zu tun. In diesem Buch wird der Begriff „aromatisch“ stets im Zusammenhang mit Molekülen mit einer bestimmten chemischen Struktur, dem Benzolring, verwendet. Die Intensität der Gerüche aus dieser Gruppe ist noch stärker, sie werden als „schwer“, „tief“, „rauchig“, „aromatisch“, „nussig“ oder „bitter“ beschrieben – wobei besonders „bitter“ im übertragenen Sinne zu verstehen ist, denn „bitter“ ist eine Geschmacksrichtung, eine Wahrnehmung der Zunge, die mit Aromen zunächst einmal nichts zu tun hat.
Paradebeispiel für eine duftintensive aromatische Verbindung ist das BENZALDEHYD, das den typischen Geruch von Bittermandeln erzeugt. Auch das VANILLINder Vanille gehört zu den Aromaten, ebenso wie ANISALDEHYDund ANETHOL, die in Anis vorkommen. Diese Auflistung zeigt, wie breit das Spektrum der Aromaten ist. Die aromatische Carbonsäure „Benzoesäure“ kennen wir aus der Lebensmittelindustrie, da sie beziehungsweise ihre Salze als „Konservierungsstoffe“ zugelassen sind. Sie kommt in Wildkräutern und Beeren, zum Beispiel Preiselbeeren und Heidelbeeren, aber auch in Pflaumen vor und hemmt dort auf natürliche Weise das Wachstum von Bakterien und Pilzen. Ihr Aroma kennt man vielleicht aus der Kirche: Es bestimmt den Duft des Weihrauchs.
GRUPPE 7: PHENOLE, PHENOLDERIVATE, PHENYLPROPANOIDE – ZIMT, MUSKAT UND CO.
CUMARIN süßlich, heuartig, welker Waldmeister oder Gräser, typisch Tonkabohne
EUGENOL süßlich würzig gewürznelkenartig, holzig
Phenylderivate riechen noch intensiver und meist „öliger“ als die Aromaten. Sie definieren fast immer Basisnoten. Kulinarisch am bekanntesten dürften ZIMTALDEHYDund ZIMTSÄUREsein, die Hauptaromenträger des Zimts. Am nützlichsten hingegen ist EUGENOLund sein vielfaches Vorkommen: Nicht nur im ätherischen Öl der Gewürznelken ist es aromabestimmend, es sorgt ebenso in Piment, Zimt, Muskatnuss und deren Blüte Macis für die warmen, eher schweren Düfte. Der Aromastoff befindet sich außerdem in einer ganzen Reihe von Kräutern, etwa in Lorbeerblättern oder verschiedenen Basilikumarten. Selbst in Obst wie Bananen oder Kirschen ist er enthalten. Im Sinne des
Food-Pairings lassen sich daraus variantenreiche Kombinationen ableiten. In gleicher Weise kommt der Aromastoff ESTRAGOLsowohl in Kräutern wie Estragon, Kerbel, Zitronengras und Basilikum als auch in Gewürzen wie Anis, Fenchel, Piment und Muskatnuss vor und schlägt damit mögliche Kräuter-Gewürz-Brücken – etwa in der Kombination von Pastis oder Sternanis mit Basilikum. Auf der Basis von Zitrusfrüchten lassen sich damit ausgefallene Winterdesserts oder Gemüse-Frucht-Salate mit Kräuternoten kreieren. Ein weiteres Beispiel ist 2-PHENYLETHANOL. Der Aromastoff kommt in vielen essbaren Blüten wie Rosen, Geranien und Nelken vor, duftet honigsüß rosenartig und löst auf der Zunge einen stechenden Reiz aus. MYRISTICINwiederum findet sich in Muskatnuss, Dillfrüchten, Petersilie und Liebstöckel. Seine intensiven erdig-muskatartigen Noten lassen sich sehr gut beim „sous-vide“-Garen bei Temperaturen unter 90 °C erhalten, selbst bei Garzeiten von 20 bis 30 Minuten. Eine Dillnote unter die fruchtige Ananas gemischt ergibt neue kulinarische Zusammenhänge, besonders wenn sie zum Beispiel mit weißem Rum serviert wird: Der Alkohol sorgt als Lösungsmittel dafür, dass die Aromen noch besser in der Speise gehalten werden und somit noch deutlicher retronasal wahrgenommen werden.
GRUPPE 8: HETEROCYCLISCHE VERBINDUNGEN, KOHLENWASSERSTOFFE UND AMIDE – RÖSTAROMEN, NICHT NUR AUS DER PFANNE
FURFURAL stark duftend, gebackenes Brot, holzig, mandelartig, leicht süßlich
2-ISOBUTYL-3-METHOXYPYRAZIN sehr erdig, grüne Paprika, grünes Gemüse
Die letzte Gruppe der Duftstoffe besteht vor allem aus Röstaromen. Diese können schon von vornherein in einem Kraut oder Gewürz vorkommen oder bei praktisch jedem Erhitzungsprozess über die Maillard-Reaktion entstehen (
Würzpraxis Rösten, Seite 51).
Ein Beispiel für die von vornherein in Gewürzen enthaltenen Röstaromen ist das nach Karamell und nach Brotkruste duftende FURFURAL. Es trägt etwa zu den dunklen Noten von Gewürznelken bei. Der Aromastoff CUMARINriecht nach Heu und gibt welkem Waldmeister, aber auch Tonkabohnen ihren charakteristischen Geruch. Der Abkömmling des CUMARIN, das UMBELLIFERON, kommt in Liebstöckel vor. Das Kraut weist einen für Pflanzen untypisch hohen Anteil an heterocyclischen Verbindungen auf: Zu diesen gehört auch das SOTOLON, das in hohen Konzentrationen curryartig riecht und ebenfalls in Bockshornklee und Ahornsirup vorhanden ist.
Bei der Maillard-Reaktion entstehen während des Erhitzens neben Bräunungs-auch Röststoffe in Speisen, die vorher gar keine Aromen aus dieser Gruppe aufwiesen. Einer der bekanntesten Vertreter ist das MALTOL, das beim Karamellisieren von Zucker entsteht: Normalerweise riecht Zucker gar nicht und schmeckt rein „süß“. Nach dem Karamellisieren weist er jedoch eine süßliche, malzige Karamellnote auf.
Röstnoten entstehen auch beim Flambieren von Lebensmitteln – bestens bekannt von der Crème brûlée . Gedämpfte Fische oder Gemüse können mit Röstnoten gewürzt werden, wenn sie mit einem Gourmetbrenner punktuell abgeflämmt werden. Dies erzeugt nur winzig kleine Punkte dunkler Stellen, die ein wenig an groben schwarzen Pfeffer erinnern und deutliche, aber kaum aufdringliche Röstnoten hineintragen. Die Moleküle dieser Gruppe definieren die Basisnoten: lang anhaltende Noten, die selbst nach Tagen noch zu riechen sind.
RÖSTNOTEN ALS STECKRÜBEN-„GEWÜRZ“
Einen Teil der Steckrüben in einer Grillpfanne anrösten, den Rest in Gemüsefond und Fett garen. Zusammenmischen und pürieren. Die Röstnoten ergeben einen ausgezeichneten Kontrast zur Süße der Steckrübe.
GRUPPE 9: TRIGEMINALREIZ, NICHTFLÜCHTIGE VERBINDUNGEN
CAPSAICIN trigeminal scharf
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