GERANIAL süßlich, floral, fruchtig, rosenartig, Zitruschschale, leicht wachsig
MYRCEN süßlich-würzig, balsamisch, pfefferig, terpentinartig
Die Gruppe der acyclischen Terpene (ohne Ringstruktur) bestimmt den Großteil der leicht flüchtigen, blumigen Aromastoffe in Kräutern und Gewürzen. Moleküle dieser Familie zeichnen sich durch Düfte nach Blumen, Rosen und Zitrusfrüchten aus und tragen in unterschiedlichsten Konzentrationen zu einem blumigen, zitrusartigen Gesamteindruck bei. So kommen GERANIALund NERAL, deren Gemisch oft CITRALgenannt wird, nicht nur in Zitrusfrüchten vor, sondern bestimmen auch einen Teil des Wacholderdufts. Dieses Wissen kann man beim Würzen nutzen. Zum einen lässt sich eine wohlschmeckende Zitronenkonfitüre mit Wacholder ausgezeichnet verfeinern, zum anderen setzt Wacholder als Beigabe beim Räuchern von Speck oder Schinken gegen die tiefen Raucharomen einen erstaunlich frischen Akzent. Aus diesen Beispielen lassen sich zwei allgemeingültige „Würzregeln“ ableiten: Bei der Konfitüre werden gleichartige Aromen gepaart, beim geräucherten Speck werden Kontraste gesetzt. Die Paarung von Zutaten mit ähnlichen Duftstoffen nennt man
„Food-Pairing“ – ergänzen sich hingegen die Aromenspektren wie bei Räucherspeck und Wacholder, spricht man vom „contrasting“ oder
„Food-Completing“. Beide Ansätze tragen dazu bei, ein Gericht zu einem intensiven Erlebnis werden zu lassen.
Ein wohlschmeckendes Beispiel dafür ist etwa in Butter und etwas Gemüsefond geschmorter Lauch, dem systematisch Ocimen mittels einiger Lavendelblüten zugeführt wird. Der blumige Hauch des Lavendels hebt das dominant schweflige Aroma des Lauchs, der so „gewürzt“ ausgezeichnet allein oder zu Fischgerichten mundet.
Die Einsatzmöglichkeiten der Moleküle aus dieser Gruppe sind vielseitig, solange man den richtigen Würz-Zeitpunkt beachtet. Wegen der hohen Flüchtigkeit verliert sich ihre Wirkung, wenn sie gekocht werden: In blumig wirkenden Kräutersorten, etwa Basilikum oder Lavendel, spielt das nach Zitrus und gleichzeitig nach Kiefernharz riechende OCIMENeine wesentliche Rolle, ebenso in Thymianblüten. Werden sie kurz vor dem Fertigstellen von Saucen darin untergehoben – rein chemisch betrachtet stellt so eine Öl-in-Wasser-Emulsion ein perfektes Lösungsmittel für wasser- und fettlösliche Moleküle dar –, werden sie mit den blumig duftenden acyclischen Monoterpenen des OCIMENexzellent aufgehellt, ohne den mediterranen, kräuterigen Charakter zu stören.
Auch bei den acyclischen Monoterpenen verändern kleine Modifikationen der chemischen Struktur den Geruch. Der Monoterpenalkohol GERANIOLriecht blumig, das Aldehyd GERANIALzitronenartig – nur, weil sich eine funktionelle Endgruppe ändert (
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GRUPPE 4: CYCLISCHE TERPENE – BALSAMISCH, KAMPFERARTIG
(R)-( +)-LIMONEN frische Zitrone, orangenartig
1,8-CINEOL Eukalyptus, herbal, kampferartig
Monocyclische Terpene (mit einer Ringstruktur) wie das zitrusartige LIMONENwerden noch zu den Kopfnoten gezählt, sind also recht flüchtig und sollten, wenn überhaupt, nur kurz mitgekocht werden. Sie tragen vor allem zum Duft minzartiger Kräuter bei, spielen aber auch im Aromenspektrum von Kümmel, Fenchel oder Eukalyptus eine große Rolle.
Höher- oder bicyclische Terpene, etwa 1,8-CINEOLoder PINEN, sind dagegen bereits etwas beständiger, sie sind in ihrem Duft „schwerer“ und machen die Herznoten eines Gewürzes aus. Höhercyclische Terpene sorgen für warme, holzige, balsamische, kampferartige oder leicht harzige Töne. Häufig finden sie sich sowohl in Kräutern als auch in Gewürzen und sind daher Aromen-„Bindeglieder“ zwischen beiden. Diese Erkenntnis hilft etwa bei Fragen, welche Kräuter und Gewürze sich optimal ergänzen oder wie das eine oder andere sogar ersetzt werden kann. THUJONetwa riecht eher mentholig und ist vor allem aus Wermut bekannt, findet sich aber gleichfalls in den ätherischen Ölen von Thymian, Rosmarin, Beifuß und Salbei. 3-CARENist in den Gewürzen Schwarzer Pfeffer, Wacholder, Kubebenpfeffer und in Tannennadeln vorhanden. Die Gewürze Koriander und Muskat enthalten BORNEOL, das auch in den Kräutern Salbei und Rosmarin vorkommt.
GRUPPE 5: SESQUITERPENE – DUNKEL, SCHWER-FLORAL
FARNESEN zitrusartig, bergamotteartig, kräuterig, tief florale Lavendelnoten, Myrrhe
GERMACREN sehr holzig, würzig
Sesquiterpene sind von ihrer Struktur her noch komplexer und damit noch weniger flüchtig. Zu ihnen zählen etwa CADINENund CARYOPHYLLEN. Bei den Gerüchen herrschen dunkle, warme Töne vor, wie sie in der Küche etwa mit Gewürznelken und Pfeffer oder mit den wärmebeständigen Kräutern Rosmarin und Oregano assoziiert werden können. Weiterhin gehören hierher die acyclischen Sesquiterpenverbindungen NEROLIDOLoder FARNESOL, die den starken, tiefen und beständigen Duft von Orangenblütenwasser und Maiglöckchen definieren, sowie auch das veilchenartig duftende β -IONON. Diese Komponenten bestimmen die Herznote des Aromenspektrums, mitunter sogar die Basisnote: Sie duften nachhaltig auch im heißen Essen. Daher werden zum Beispiel in Gerichten der arabischen Küche mit Orangenblüten- oder Rosenwasser lang anhaltende, tiefe und schwere, florale Düfte erzielt, die durch Monoterpene oder gar durch aliphatische Kohlenwasserstoffe – vor allem wegen deren stärkerer Flüchtigkeit – nicht erreicht werden können.
GRUPPE 6: AROMATISCHE VERBINDUNGEN – TIEF UND AROMATISCH
THYMOL stark thymianartig, sehr aromatisch, phenolisch-medizinal (Hustensaft), Kampfernote
4-ETHYLGUAJACOL rauchig, sojasaucig, süßlich-würzig, ein Hauch Schinken
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