Sie entnahm ihrer Handtasche ein Taschentuch, drückte es gegen die Augen.
„Den fünften Teil unseres gesamten Vermögens gab ich ihm, und nun muß ich dem Geld nachlaufen.“
Sie sah Margot fast herausfordernd an.
„Sie sind reich, hörte ich bei meinen Erkundigungen. Da ist es wohl nicht mehr als recht und billig, daß Sie mich schadlos halten, daß Sie für das Geld aufkommen.“
Jetzt hatte Margot sich wieder in der Gewalt und erwiderte kühl und zurückhaltend:
„„Ich kenne Sie nicht und brauche das, was Sie mir mitteilten, nicht zu glauben.“
Die Frau antwortete auftrumpfend: „Ich erhielt eine Art Quittung von ihm.“
Sie holte ein Stück Papier aus der Handtasche und reichte es Margot.
Diese las:
„Von meiner lieben zukünftigen Schwiegermutter, Frau Ludwiga Zeidener, erhielt ich heute hunderttausend Mark.
Fred von Lindner.
Lindenhof, den 8. Mai 1949.“
Margot erkannte sofort die Handschrift ihres Mannes und sagte:
„Er hat, wie ich aus dem Datum schließe, das Geld also erst zwei Tage vor seinem Tode erhalten?“
Die Frau nickte.
„Idelchen und ich brachten es ihm nach Lindenhof. Er war sehr vergnügt an dem Tage, fast übermütig, und Idelchen war so sehr, sehr glücklich.“
Sie stöhnte laut auf. „O, wenn wir an dem Tage geahnt hätten, mit was für ‘ner Sorte von Mensch wir zu tun hatten!“
Margot gab hart zurück:
„Wenn Ihnen am Glück Ihrer Tochter lag, hätten Sie sofort, nachdem Fred Lindner behauptet, Ihre Tochter zu lieben, Erkundigungen über ihn einziehen müssen, anstatt die Schwiegermutter eines verheirateten Mannes zu spielen. Er hat Ihnen ja nicht verhehlt, daß er noch nicht geschieden war. Mich geht die ganze Sache nichts an, und ich meine, damit ist unsere Unterredung zu Ende.“
Die Frau zog die Brauen hoch.
„Nein, nein, so geht das nicht! Da Ihr Mann schon zwei Tage nach dem Erhalt des Geldes umkam, ist nicht anzunehmen, daß er es noch verbrauchte. Er schloß das Geld in unserer Gegenwart in einen alten Schrank, der sich nur auf umständliche Art öffnen ließ. Dort wird es sich also wahrscheinlich noch befinden, und weil Sie die Erbin sind, muß ich mich an Sie wenden.“
Margot zuckte die Achseln.
„Ich habe nur Schulden von meinem Manne geerbt; der Grundbesitz ist mit Hypotheken vollständig überlastet, und wenn er das Geld in den betreffenden Schrank schloß, ist bestimmt nichts mehr davon vorhanden.“ Sie betonte den nächsten Satz: „Das Arbeitszimmer Fred Lindners ist beinahe ausgebrannt; jedenfalls ist der Schrank mit allem, was darin war, den Flammen zum Opfer gefallen. In dem Zimmer kam auch Fred Lindner um. Vielleicht hat er gerade das Geld retten wollen.“
Sie vermied nach Möglichkeit, ‚mein Mann‘ zu sagen.
Idelchen weinte jetzt ganz laut; sie zwängte hervor:
„Fred tut mir wirklich so schrecklich leid — und das Geld auch.“
Margot erwiderte achselzuckend:
„Ich habe in meiner Ehe schon Unsummen hergegeben für ihn. Ich denke nicht daran, mich ganz zur armen Frau machen zu lassen. Ich habe Verpflichtungen gegen mein Kind.“
„Und ich Verpflichtungen gegen mein Kind“, gab die Frau zurück und hatte mit einem Male ganz rabiat funkelnde Augen, „Jawohl, Frau von Lindner, so ist es. Und deshalb kann ich mich mit Ihrer Weigerung nicht zufrieden geben. Ich will mein gutes Geld, und wenn ich es nicht bekomme, mache ich einen Mordsskandal. Ich blamiere den Toten, blamiere Sie und erzähle jedermann, was Ihr Mann für‘n Kerl gewesen. Ich kann beschwören, dem Lumpen das Geld gegeben zu haben, und ob das Geld wirklich mitverbrannt ist, weiß keiner. Sie können es ja wo anders als im Schrank gefunden haben. Er kann es ja später rausgenommen haben. Und die Schande, sich an unserem Geld bereichert zu haben, bleibt dann an Ihnen haften. Ich laufe zu einem tüchtigen Rechtsanwalt und klage gegen Sie als Erbin des Toten. Dem Filou kann man nichts mehr tun, aber Sie dürften noch so viel Ärger erleben, daß Sie bereuen werden, das Geld nicht freiwillig gezahlt zu haben.“
Margot sah sofort ein, diese Frau konnte ihr unendlich viel Ärger bereiten; trotzdem wehrte sie ab.
„Nicht einen Pfennig erhalten Sie von mir! Tun Sie, was Sie wollen!“
Idelchen sprang auf und schlug mit der Faust auf den Tisch.
„Schämen Sie sich, meine Mutter betrügen zu wollen! Ich bin sicher, Sie haben das Geld gefunden und möchten sich damit bereichern.“
Margot zuckte es durch den Sinn. Wenn diese beiden unangenehmen Weiber ihre Auffassung hier im Städtchen laut werden ließen, lief der Klatsch hinter ihr her, wie ein häßliches Tier. Und wenn es zu einem Prozeß käme, würde sie überhaupt keine Ruhe mehr finden. Ihr graute davor, die Öffentlichkeit könne sich mit ihr beschäftigen, und sie fürchtete, wenn ihre Tochter groß geworden, schlüge vielleicht noch etwas von alledem an ihr Ohr — in irgendeiner häßlichen entstellten Form.
Um ihres Kindes willen mußte sie nachgeben.
Noch wußte man hier im Städtchen wohl nichts von dem Geschehenen, und wenn sie versprach, das Geld zu ersetzen, würden Mutter und Tochter nach Berlin zurückkehren. Sie hatten dann gar kein Interesse mehr daran, darüber zu Fremden zu reden; denn sie selbst hatten sich ja reichlich blamiert in der Sache.
Sie entschloß sich zu der Antwort:
„Ich möchte nicht, daß der Name, den ich trage, allzusehr durch den Schmutz gezogen wird. Ich will Ihnen deshalb das Geld ohne weitere Nachprüfung durch meinen Anwalt überweisen lassen, nachdem Sie sich einwandfrei ihm gegenüber ausgewiesen haben.“
Idelchen trocknete ihre Tränen.
„Sie scheinen ja vernünftig zu sein.“ Sie konnte schon lächeln. „Die Hunderttausend sind nämlich mein Heiratsgut, und ich brauche sie hoffentlich bald.“
Margot dachte, das Mädchen mit den gewöhnlichen Zügen würde sich rasch trösten und Fred Lindner bald vergessen haben, viel eher als Betty, viel eher!
Sie erhob sich.
„Ich habe nun leider keine Zeit mehr, meine Damen. Alles Weitere wird mein Anwalt für mich in Ordnung bringen. Er wird sich schon morgen mit Ihnen in Verbindung setzen. Ich besitze ja Ihre Adresse.“
Schwerfällig erhob sich Ludwiga Zeidener.
„Es ist gut, und ich danke Ihnen auch, daß Sie uns vor Schaden bewahren wollen.“
„Sie vor Schaden zu bewahren, daran liegt mir nicht das geringste“, gab Margot trocken zurück, „aber ich möchte mich und mein Kind, obwohl wir beide nichts dafür können, nicht in neuen, eklen Kleinstadtklatsch hineinziehen lassen. Mein Kind soll nie erfahren, wie leichtsinnig sein Vater gewesen. Nur darauf kommt es mir an. Nur darauf!“
Sie öffnete die Tür, und die Besucherinnen gingen still und grußlos. Ein scheuer Blick der Jüngeren streifte die Herrin des Nonnenhauses.
Margot aber schlich sich in ihr Schlafzimmer, als hätte sie ein Unrecht begangen. Sie riegelte sich ein und warf sich verzweifelt über das Bett. Hatte Fred ihr denn noch nicht genug Böses und Häßliches im Leben angetan, mußte die Qual auch nach seinem Tode weitergehen?
Es war alles so widerlich, so ekelhaft!
Sie schluchzte in die Kissen hinein. Warum mußte ihr so viel Schmach geschehen? Wodurch hatte sie das verdient?
So glücklich war sie damals gewesen, als Fred von Lindner sie zum Altar geführt. Die strahlendste Braut auf Erden. Sie war in die Ehe getreten, wie ein Kind zum Gabentisch tritt am Heiligabend. In ihrem Herzen war nur Jubel gewesen. Aber bald — ach, so bald! — zerrann ein wunderschöner Traum! Der Mann ihrer Liebe, der Held ihrer Träume, war ein Selbstsüchtling, ein Komödiant, der in ihr nur das reiche Mädel gesehen, nichts weiter. Kurz war ihr Glück gewesen; bald war der Rausch verflogen, und immer häßlicher wurde die Ehe, so häßlich, daß es kein Weiter mehr gab. Sie verließ den Lindenhof.
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