Máté schaute in diesem Moment zum Hausherrn und nahm selbst das Zittern in seiner Stimme wahr.
„… dass ich Sie als Schwager nicht enttäuschen werde. Es ist schön, wieder im Kreise der Familie zu sein.“
Dominik hob sein Glas und prostete:
„Auf die Familie, lieber Máté. Ich denke, an dieser Stelle sollten auch wir beide auf eine vertraute Ansprache wechseln und uns beim Vornamen nennen dürfen.“
„Gerne, verehrter Schwager.“
Máriska schenkte auch Orsolya ein Glas Wein ein und die gesamte Familie stieß an.
„Ich habe für jeden ein kleines Geschenk mitgebracht“, kündigte der Besucher an und stellte hurtig sein Glas auf dem Tisch ab.
Er bückte sich, um den am Boden stehenden Koffer zu öffnen. Dominik überreichte er, fast unterwürfig, eine Flasche Wein und ein paar gute Zigarren sowie eine wertvoll gearbeitete Gürtelschnalle. Der Hausherr kommentierte dies wortlos durch das anerkennende Hochziehen seiner Augenbraue und einem Schmunzeln.
„Eine sehr gute Wahl, Schwager. Ich fühle mich geehrt. Vielen Dank.“
Dann griff Máté wieder in den Koffer und kniete sich vor Bianká. Er legte ihr zwei Stücke Haarseife in die Hände, die einen besonderen Duft verströmten und eine große Schatulle auf ihren Schoß. Bedächtig streichelte er über ihre schönen, langen Haare.
„Deine Mutter hat mir geschrieben, dass du wunderschöne Haare hast, die du gerne frisierst und in besonderem Maße pflegst. Das ist für dich, liebe Nichte.“
Verschämt roch sie mit einem Lächeln an den Seifen. Unsicher sah sie zu ihrem Vater, der ihr ermunternd zunickte und somit signalisierte, das Geschenk annehmen zu dürfen. Sie legte vorsichtig die Seife zur Seite und öffnete die wunderschöne Schatulle. Diese enthielt einen vergoldeten Kamm mit wertvollen Verzierungen, eine ebenso mit Edelsteinen verzierte Haarbürste, passend dazu zwei Steckkämme und einen Reif für die Haare. Die Augen seiner Nichte strahlten. Sie strich mit ihren Händen über die funkelnden Accessoires. Überrascht über den wertvollen Inhalt, starrten alle wortlos auf die Schatulle.
„Aber lieber Onkel, das ist doch viel zu kostbar für mich. Das hat Sie doch ein Vermögen gekostet.“
Er hielt einen Finger vor ihren Mund und sprach:
„Es kommt von Herzen und allein das ist wichtig. Ich hoffe, es gefällt dir.“
„Es ist wunderschön“, hauchte sie gerührt.
„Es ist vergoldetes Silber mit echten Steinen. Es wird dir sehr gut stehen. Solltest du, warum auch immer, einmal in Not geraten, kannst du es verkaufen. Oder irgendwann an deine Kinder weitergeben. Ich war so viele Jahre weg. Ich habe etwas gutzumachen.“
Sie fiel, ungeachtet ihrer üblichen Zurückhaltung, ihrem Onkel um den Hals und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er erwiderte die Umarmung und blickte seine Nichte entzückt an. Biankás Gesichtszüge erinnerten ihn sehr an die seiner Mutter Boglarká, als sie noch jung gewesen war. Bálint war erheitert über die Reaktion seiner Schwester und mimte, wie sie ihre Haare demnächst kämmen würde. Máriska schubste ihn mit dem Zeigefinger an. Ihr Blick forderte ihn klar auf, dies gefälligst zu unterlassen.
„Jetzt bist du dran, mein lieber Neffe.“
Er zog ein Paar Reitstiefel und eine Kassette aus dem Koffer.
„Über dich habe ich gehört, dass du ein ausgezeichneter Reiter bist und schon viele Preise gewonnen hast. Nicht nur, dass deine alten Stiefel abgetragen sind, laut deiner Mutter dürften sie auch etwas eng geworden sein.“
Er hielt dem jungen Mann die Reitstiefel entgegen, der diese mit freudigem Blick entgegennahm.
Die Stiefel waren aus feinem Leder gearbeitet und hatten an der Seite Riemen mit Metallverzierungen. Dann übergab ihm sein Onkel die Schatulle.
„Ruhig Blut, es ist kein Haarschmuck.“
Der Neffe lachte.
„Hu, da bin ich aber beruhigt.“
In der Kassette war ein Schreibset aus Ebenholz und vergoldeten Metallteilen. Es bestand aus einem Brieföffner, verschiedenen Federn und einem Tintenfässchen. Auch Wachs und ein Siegel mit den Initialen von Bálint Utazási lagen im Inneren. Máté klopfte ihm auf die Schulter und meinte:
„Du bist ehrgeizig und wissbegierig. Schreibe und lerne, soviel du nur kannst.“
Bálint war überwältigt, bedankte sich und umarmte seinen Onkel voller Freude.
Dann wendete sich dieser mit einem tiefen Seufzer an Orsolya.
„Ich weiß, dass du sehr bescheiden bist und es vieles gibt, das man dir schenken könnte. Du würdest es dankend annehmen, aber es würde dich nicht wirklich glücklich machen. Also habe ich gegrübelt und mir gedacht, ich schenke dir etwas von sehr ideellem Wert, das du auch nutzen kannst und mit dem du etwas verbindest. Ich hoffe, es ist in deinem Sinne.“
„Oh, du hast auch an mich gedacht, junger Herr? Das wäre nicht nötig gewesen. Mir ist das wirklich unangenehm“, äußerte sich die Haushälterin beschämt.
Dominik nippte an seinem Glas und konnte sich einen zynischen Kommentar nicht verkneifen.
„Das stimmt. Es wäre wirklich nicht nötig gewesen.“
Máté ignorierte die Bemerkung und zog fünf wunderschöne Kleider aus dem großen Koffer. Diese breitete er liebevoll über den freien Stühlen am Tisch aus. Alle waren sehr fein gearbeitet und mit Spitzen verziert. Drei von ihnen stachen durch eine besondere Eleganz hervor, die anderen zwei waren ebenso hochwertig gewebt, aber traditionell geschnitten und eher für den Alltag gedacht.
„Sie gehörten einst unserer Mutter. Ich habe ein paar ihrer schönsten Kleider aus Sentimentalität aufgehoben. Die anderen habe ich verschenkt.“
Orsolya war gerührt und wischte sich die Tränen von der Wange.
„Boglarká war viel schlanker als ich. Ich befürchte, die Kleider werden mir gar nicht passen“, schluchzte sie.
„Mama hatte in den letzten Jahren etwas an Fülle zugelegt. Du kannst dir sicher sein, dass ich die Kleider nicht mitgebracht hätte, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass sie passen würden.“
Orsolya kämpfte gegen ihre Gerührtheit an, aber verlor. Ungehindert brach sie in Tränen aus und fiel dem jungen Herrn in die Arme.
„Jetzt geht das wieder los“, brummte der Graf.
„Bitte, Dominik. Es gibt Menschen, die sind sensibel“, forderte Máriska ihren Mann zur Zurückhaltung auf.
„Ja, genau. Ich bin sensibel, und mir ist das peinlich, wenn jemand so nett zu mir ist“, jammerte die Haushälterin in einem herzzerreißenden Tonfall.
Máté fühlte sich unbeholfen und wusste so gar nicht, wie er die alte Dame wieder freudig stimmen konnte. Nun erinnerte er sich wieder daran, dass Orsolya schon immer sehr mitfühlend und nah am Wasser gebaut war. So streichelte er ihren Arm, während er sein Taschentuch reichte.
„Orsolya, beruhige dich doch. Ich wollte dir doch nur eine Freude machen. So bringst du mich ganz in Verlegenheit.“
Wieder weinte sie, schnäuzte und klammerte sich an Máté.
„Ich freue mich doch. Ich freue mich sogar sehr …Vielen Dank. Ich bin nur so gerührt. Diese Kleider sind so wunderschön, und dass ich sie nun tragen darf, ehrt mich sehr.“
Dominik bemerkte mit einem garstigen Lachen:
„Wenn sie für jede Träne, die sie in diesem Haus schon vergossen hat, ein Gramm abgenommen hätte, könnte sie vor Leichtigkeit an der Zimmerdecke herumfliegen.“
Schlagartig verstummte die Haushälterin und setzte sich aufrecht auf den Stuhl, tupfte sich stolz ihre Tränen weg und schwieg. Sie schluchzte noch einmal und erklärte beleidigt:
„So wird man in diesem Haus gezwungen, seine wahren Gefühle zu unterdrücken.“
„Geht’s denn jetzt wieder?“, wollte der junge Herr wissen.
Die Getroffene nickte wehleidig. Bianká tätschelte ihre Hand und hielt sie tröstend fest.
Jetzt waren alle gespannt, was Máté für Máriska mitgebracht hatte. Er überreichte seiner Schwester eine große Schmuckschatulle und legte dann mehrere Stapel Briefe, die mit Stoffschleifen zusammengebunden waren, auf den Tisch. Die Gräfin ahnte, um welche Briefe es sich handelte und um welchen Schmuck. Bedächtig strich sie über die Sachen. Bedrückt sprach er:
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