1 ...6 7 8 10 11 12 ...41 27Im Gegensatz dazu findet sich das Schuldverhältnis im engeren Sinne. Das soll gerade nicht das gesamte Verhältnis zwischen den Parteien beschreiben, sondern nur den konkreten einzelnen Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner. 28Als Schuldverhältnis im engeren Sinne ist daher das Recht auf eine Leistung zu verstehen, die sich aus § 241 Abs. 1 Satz 1 ergibt. Gemeint ist damit der konkrete schuldrechtliche Anspruch, also die Forderung, die der Gläubiger gegen den Schuldner hat. Letztlich geht es also beim Schuldverhältnis im engeren Sinne nur um eine einzelne, konkrete Pflicht, nicht jedoch um die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien im Ganzen.
Beispiel: Bei einem Kaufvertrag, den A und B über ein Haus abschließen, bildet dieser die Grundlage für die gesamte Rechtsbeziehung, also das Schuldverhältnis im weiteren Sinne; A hat daraus etwa die Pflicht, den Käufer über bestimmte Umstände aufzuklären, die für den Kauf von Bedeutung sind – bezüglich dieser konkreten Aufklärungspflicht besteht dann ein „Schuldverhältnis im engeren Sinne“.
28Das BGBgebraucht den Begriff des Schuldverhältnisses in der Regel im engeren Sinne. Besonders deutlich wird dies etwa bei § 362, der die Erfüllung behandelt. Ohne bereits hier in die Tiefe zu gehen 29, stellt § 362 einen Untergangstatbestand für eine Leistungspflicht dar: Eine schuldvertragliche Beziehung zwischen Parteien führt dazu, dass der Schuldner dem Gläubiger zur Leistung verpflichtet ist. Wenn nun der Schuldner seine Leistung erbringt, wenn etwa der Käufer seinen Kaufpreis bezahlt, so nennt man dies Erfüllung. Nach § 362 Abs. 1 erlischt dadurch das Schuldverhältnis. Bleibt man nun beim Beispiel des Käufers, der seine kaufvertragliche Pflicht zur Kaufpreiszahlung erfüllt, erlischt hierdurch das Schuldverhältnis – gemeint ist aber vom Gesetz nur das Schuldverhältnis im engeren Sinne! Das heißt, es erlischt ausschließlich die Leistungspflicht des Käufers zur Kaufpreiszahlung. Unberührt davon bleibt der Kaufvertrag als solches. Dieser besteht weiter fort, etwa hinsichtlich verschiedener, sich zusätzlich aus dem Kaufvertrag ergebender Pflichten aus § 241 Abs. 2. 30
29Es geht also nicht das Schuldverhältnis im weiteren Sinne unter, das heißt die kaufvertragliche Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer. Ohne dass dies terminologisch aus dem BGB hervorgeht, muss man daher bei allen Vorschriften, die man im Schuldrecht vorfindet, überlegen, ob es sich hierbei um das Schuldverhältnis im engeren oder um das im weiteren Sinne handelt. So ist auch bei § 397 Abs. 1 Vorsicht geboten, der den Erlass betrifft. Zwar scheint die gesetzliche Formulierung („Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt.“) auf das Schuldverhältnis im weiteren Sinne hinzudeuten. Jedoch ist damit nicht gemeint, dass das gesamte Schuldverhältnis untergehen soll. 31Vielmehr erlöschen nur die aus dem Schuldverhältnis stammenden einzelnen Forderungen, also das Schuldverhältnis im engeren Sinne. Für ein Erlöschen des gesamten Schuldverhältnisses ist in der Regel ein Aufhebungsvertrag notwendig. 32
30Im Regelfallverwendet das BGB im Schuldrecht somit den Begriff des Schuldverhältnisses im engeren Sinne; Ausnahmen gibt es nur wenige, wie etwa § 241 Abs. 2 33, § 425 Abs. 1 34oder § 273 Abs. 1. 35
2.Inhalt: Pflichten und Obliegenheiten
31Ist ein Schuldverhältnis im weiteren Sinnebegründet, haben also die Parteien sich insbesondere vertraglich darauf geeinigt, dass zwischen ihnen eine schuldrechtliche Sonderbeziehung bestehen soll, entstehen hieraus Rechte und Pflichten; zudemkann es verschiedene sog. Obliegenheitengeben, die aus der schuldvertraglichen Beziehung resultieren. Hinsichtlich der entstandenen Pflichten differenziert man zwischen den sog. Primär- und den Sekundärpflichten.
32 a) Primärpflichten.Allgemein gesprochen verpflichtet das Schuldverhältnis den Schuldner zu einer Leistung, d. h. zu einem Tun oder Unterlassen. Das folgt aus § 241 Abs. 1. Diese Pflicht des Schuldners korrespondiert mit dem Recht des Gläubigers, von dem Schuldner gerade diese Leistung verlangen zu können. Der genaue Inhalt dessen, was der Schuldner zu leisten hat, ist bei einem vertraglichen Schuldverhältnis von den Parteien eigens geregelt. Welche Pflichten den Schuldner im Einzelnen treffen, kann daher nur dadurch in Erfahrung gebracht werden, dass man die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien heranzieht. Das Gesetz selbst differenziert hier zwischen sog. Leistungspflichten auf der einen Seite und nicht einklagbaren Obliegenheiten bzw. Schutzpflichten auf der anderen Seite. Innerhalb der Leistungspflichten, die selbstständig einklagbar sind, ist dann noch einmal eine Unterscheidung zu treffen vor allem zwischen den sog. Primär- oder Hauptleistungspflichten auf der einen und den sog. Nebenleistungspflichten auf der anderen Seite.
33 aa) Hauptleistungspflichten.Als Hauptleistungspflichtwird diejenige Leistungspflichtbezeichnet, die für das konkrete Schuldverhältnis wesentlich ist und es zentral ausmacht. Hauptleistungspflichten bestimmen insofern den gesamten Schuldvertragstypen.
Beispiel:A verkauft dem B sein Boot. – In dem abgeschlossenen Kaufvertrag ist die Pflicht des B zur Kaufpreiszahlung ebenso eine Hauptleistungspflicht wie umgekehrt die Pflicht des A zur Übergabe und Eigentumsverschaffung des Bootes. Die jeweiligen Primärpflichten ergeben sich bei den vertraglichen Schuldverhältnissen aus der konkreten Vereinbarung der Parteien und ggf., wenn die Parteien sich für einen der normierten Vertragstypen des BGB entschieden haben, aus den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen. Eine Hauptleistungspflicht bei einem nicht vorgesehenen Vertragstypus des BGB kann allein aus dem Willen der Beteiligten geschlossen werden. Hauptleistungspflicht ist in einem solchen Vertrag dann stets diejenige Pflicht, der nach den Umständen eine wesentliche Bedeutung beigemessen wird. 36
34In einem gesetzlichen Schuldverhältnisist die Hauptleistungspflicht allein dem Gesetz zu entnehmen. Bei einem bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 ist dies etwa die Herausgabe der erlangten Sache.
35Bezüglich der primären Leistungspflicht gilt bei einem Schuldverhältnis noch etwas Besonderes, und zwar dann, wenn es sich um ein sog. synallagmatisches Schuldverhältnishandelt. In einem Synallagmastehen nämlich die Primärpflichten der beiden Parteien in einem Gegenseitigkeitsverhältnis i. S. d. § 320. Was bedeutet das? Am besten lässt sich das an einem bekannten Vertragstypus deutlich machen, etwa am Kaufvertrag: Entsprechend dem soeben genannten Beispielsfall, dem Verkauf des Bootes, ist der Verkäufer dazu verpflichtet, die Kaufsache (das Boot) zu übergeben und das Eigentum an ihr zu verschaffen. Das sind die Primärpflichten des Verkäufers. Umgekehrt ist der Käufer dazu verpflichtet, den Kaufpreis zu bezahlen und die Kaufsache (das Boot) abzunehmen. Das sind die Primärpflichten des Käufers. Diese Primärpflichten stehen nun in einem Gegenseitigkeitsverhältnis und sind eng miteinander verknüpft. Das bezeichnet man als Synallagma. Jede Partei ist hierbei zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen, wenn auch für verschiedene Pflichten: Der Käufer ist Schuldner des Gläubigers, also des Verkäufers, im Hinblick vor allem auf die Kaufpreiszahlung. Umgekehrt ist der Verkäufer seinerseits auch Schuldner (und nicht nur Gläubiger der Kaufpreisforderung), nämlich im Hinblick auf die Eigentumsverschaffung und Übergabepflicht an der Kaufsache. Die Primärleistungspflichten in einem solchen Verhältnis sind eng aneinander gebunden, das folgt aus dem schon genannten § 320: Jeder muss seine Leistungspflicht grundsätzlich nur dann erbringen, wenn der andere seine Leistungspflicht erfüllt. 37
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