„Nun, solche jungen Herren und ihr Gelehrten habt natürlich verschiedenen Umgang, darum bist du ihm wohl nicht begegnet. Er ritt im Monat April zur Königsstadt — aus freien Stücken, aber gegen den Willen seiner Mutter. Er hatte es nicht nötig, denn das Kriegsaufgebot traf ihn nicht, weil seine Mutter Witwe ist. Aber er wollte fort. Man sagt, es sei Ane Mettes wegen — kannst du dich ihrer noch erinnern?“
Das konnte Michel.
„Ane Mette ist eine bildsaubere Dirn geworden“, sagte Der alte Thöger fast verwundert und mit runden Augen, „so sauber, wie ich noch keine gesehen hab’! Sie hat’s von ihrer Mutter; du wirst sie ja zu sehen bekommen. Ihre Mutter war die Tochter des starken Knud, der im Bauernkrieg erschlagen wurde. Damals wurden viele erschlagen. Jens Sivertsen aber hatte die schönste Frau in der ganzen Gegend. Ja, ja, wir waren beide schon bei Jahren, als wir uns eine Frau nahmen — deine Mutter und sie waren sich übrigens nicht grün, hei, nein, nein... na, jetzt sind sie beide tot und begraben. Ja, ach ja.“
…Was Jens Sivertsen dazu sage? Was solle er sagen. Könne doch keinen Stock nehmen und den jungen Edelherrn vor die Tür jagen. Seltsam, wie der junge Herr an ihr hinge und sie auf ihn lauere. Er habe ihr wohl versprochen, mit allen Schätzen der Welt heimzukehren und sie dann zu heiraten. Wer weiss, wer weiss; die Gutsherrin sei dem allen nicht wohlgesonnen.
„Lass uns zu Jens Sivertsen rudern und ihm guten Tag sagen; er möchte dich gern wiedersehen“, schlug Thöger am nächsten Tag vor, „ich werde mich wohl zu ihm hinschleppen können, wenn wir den Bach hinunterrudern.“
Thöger band sich für den Ausflug ein wollenes Tuch um den Hals. Michel ruderte den Prahm den Bach hinunter, und nachdem sie ihn bei der Mündung vertäut hatten, legten sie das letzte Stück bis zu Jens Sivertsens Haus zu Fuss zurück.
Und Michel sah Ane Mette. Bis zu dem Augenblick, wo sie vor ihm stand, hatte er sie sich nur als das kleine blondhaarige Mädchen mit der klaren Hautfarbe vorstellen können, und nun sah er sie wie durch ein Wunder zu einer schlanken, vollentwickelten Jungfrau verwandelt; ihr Haar leuchtete durch die stille Stube, sie war noch weiss und rein wie ein Kind, mit einem roten Mund und klaren, hellblauen Augen. So musste Freyja ausgesehen haben.
Ane Mette gab Michel die Hand; er sah sie an, bis sie die Augen niederschlug. Entzückend war sie. Michel war es, als hätte er sich die Hand verbrannt: Otte Iversen! dachte er — jetzt will ich es dir heimzahlen.
Thöger führte das Wort; es wurde von allem möglichen gesprochen, auch von intim persönlichen Dingen, das Verhältnis zwischen Ane Mette und dem jungen Edelmann aber wurde mit Keinem Wort erwähnt. Man konnte ihr auch nichts anmerken, sie war ein sanftes und zurückhaltendes Mädchen wie andere Jungfern. Aber sie sah aus wie ein Mensch, den das Glück über alle anderen emporgehoben hat; ihre von Natur seinen Züge hatten den Freimut einer Achtzehnjährigen und leuchteten von innerem Gleichgewicht. Michel begriff, dass Otte Iversen Himmel und Erde in Bewegung letzte, um sie zu erringen — desto besser war die Gelegenheit, ihn unglücklich zu machen. Der Entschluss umspann Michels Herz wie mit einem Gürtel.
„Du hättest Ane Mette heiraten sollen“, sagte der alte Thöger halb im Scherz auf dem Heimweg, „ihr beide hättet gut zueinander gepasst, das darf ich wohl sagen. Jens Sivertsen ist nicht geldgierig, alles was recht ist. — Ich hab’ dir ja nicht viel geben können. Aber wenn du mit Ane Mette nach Rom reisen könntest — davon hast du ja neulich gesprochen... Jens Sivertsen hat in seinem Leben viele tausend geräucherte Aale zur Stadt gesetzelt!“
Da Michel den Scherz übel aufzunehmen schien, schwieg Thöger. Nach einer Weile aber rundete er seinen Traum doch mit folgender Bemerkung ab: „Ane Mette ist noch immer nicht zu verachten. Man sagt ja, dass sie sich lieben. Du bist vielleicht noch nicht alt genug, um zu begreifen, was das sagen will. Aber ein jeder kann sehen, dass sie bis zum heutigen Tag noch unberührt ist... ja, ja, Klein-Michel, lass uns nach Hause zurückkehren.“
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