Bettina Kluge / Wiltrud Mihatsch / Birte Schaller
Kommunikationsdynamiken zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Festschrift für Barbara Job zum 60. Geburtstag
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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© 2020 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
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ISBN 978-3-8233-8353-6 (Print)
ISBN 978-3-8233-0260-5 (ePub)
Der sechzigste Geburtstag von Barbara Job ist für uns Anlass, mit diesem Band zu zeigen, wie überaus anregend ihre sprachwissenschaftlichen Analysen in kommunikativen und medialen Spannungsfeldern innerhalb und außerhalb der romanischen Sprachwissenschaft auch interdisziplinär wirken und zukunftsweisende Inspirationen bieten.
Wir Herausgeberinnen haben selbst in unterschiedlichen Qualifikationsphasen von Barbara die entscheidenden Impulse erhalten: Bettina Kluge (Hildesheim) im Rahmen ihrer Habilitation zu generischen Lesarten von Pronomina der zweiten Person im Kontext sprachlicher Interaktion, Wiltrud Mihatsch (Tübingen) ebenfalls im Rahmen der Habilitation zu Approximationsverfahren und ihren kommunikativen Funktionen in romanischen Sprachen und Birte Schaller (Bielefeld) in ihrer von Barbara betreuten Dissertation zur computervermittelten und face-to-face-Interaktion in aufgabenorientierten Gesprächen.
Barbara hat in ihrem wissenschaftlichen Werdegang, der sie über Zwischenstationen in Tübingen, Berlin und Regensburg von Freiburg nach Bielefeld führte, stets auch die disziplinären Grenzen überschritten. Dabei nutzte sie ihre historische Expertise und romanistische Perspektive, um innovativ, intellektuell anspruchsvoll und für die Sprach- und Kommunikationswissenschaften wegweisend neue Terrains zu erobern.
Nach ihrem Studium in Freiburg und Toulouse-le-Mirail und dem Staatsexamen in den Fächern Deutsch und Französisch begann Barbara ihre Promotion im Rahmen des SFB-Projekts „Die Verschriftlichung der romanischen Sprachen“ unter der Leitung von Wolfgang Raible und Hans-Martin Gauger im Freiburger Sonderforschungsbereich 321 „Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit“, der weit über die deutschsprachige Romanistik hinaus prägend war und ist. Barbara promovierte bei Wolfgang Raible zum Thema Die Textgestalt als Zeichen. Lateinische Handschriftentradition und die Verschriftlichung der romanischen Sprachen , erschienen als Band 67 in der renommierten und aus dem SFB hervorgegangenen Reihe ScriptOralia, deren Mitherausgeberin sie heute neben Ulrich Eigler ist. Für ihre weiteren Forschungsarbeiten zentral sind dabei die diachronen medialen, kommunikativen und kulturellen Übergänge zwischen mündlicher Kultur und Schriftkultur. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Umgestaltungsprozessen durch Schreiber früher romanischer Texte, die die ihnen vertrauten Konventionen der Textgestaltung und auch der Textgattungen nun für eine bisher nur mündlich realisierte Sprache innovativ weiterentwickeln.
Im Anschluss an die Promotion forschte sie im von Wolfgang Raible und Paul Gerhard Schmidt geleiteten SFB-Projekt „Entwicklung europäischer Gattungssysteme im Vergleich“ zur Ausdifferenzierung schriftlicher lateinischer und romanischer Diskurstraditionen im mittelalterlichen Europa. Die Problematik der sprachlichen Praxis im Übergang zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit verfolgte Barbara auch in ihrer Freiburger Habilitationsschrift zum Thema des schriftkulturellen Ausbaus des Französischen, deren Schwerpunkt auf Verschriftlichungsprozessen des Französischen von den Anfängen im 9. und 10. Jahrhundert bis zum 13. Jahrhundert liegt. In dieser Arbeit stehen die sprachlichen Akteure mit ihren Reflexionen und ihren schriftlichen Zeugnissen im Mittelpunkt, die im sprachlichen und kulturellen Spannungsfeld zwischen den lateinischen Texttraditionen und der oralen volksprachlichen Praxis nun genuin volkssprachliche Texte schaffen. Bemerkenswert sind dabei insbesondere die Aushandlungsprozesse und die Herauskristallisierung von Konventionen. Dabei greift die Arbeit auf das monumentale Inventaire systematique des premiers documents des langues romanes zurück, das sie gemeinsam mit Jörg Hartmann herausgab und das alle belegten schriftlichen Dokumente der romanischen Sprachen katalogisiert, die bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden, und das damit nicht nur eine unverzichtbare Grundlage zur Erforschung von Verschriftung und Verschriftlichungsprozessen der Romania ist, sondern auch für Historiker oder Literaturwissenschaftler im Bereich der Mediävistik ein herausragendes Instrumentarium darstellt.
Bis heute spielen die Spätantike und die Frühphase der romanischen Sprachen eine besondere Rolle im Werk von Barbara Job, insbesondere auch im Bereich der Textsorten bzw. Diskurstraditionen und immer auch im Hinblick auf die Einbettung in kulturelle Kontexte und auf der Grundlage von Textkorpora. Besonders hervorzuheben ist dabei das interdisziplinäre BMBF-Verbundprojekt „Computational Historical Semantics“ mit Alexander Mehler (Informatik), Bernhard Jussen (Geschichtswissenschaft), Peter Koch (†), Sarah Dessì-Schmid und Maria Selig (alle Romanische Sprachwissenschaft). Im Rahmen dieses Projekts im Bereich der Digital Humanities untersuchte sie die Möglichkeiten der aktuellen netzwerkanalytischen und texttechnologischen Forschung zur qualitativen und quantitativen Analyse spätlateinischer Korpora. Ein Fokus liegt dabei auf der Entstehung und den langfristigen Veränderungen neuer grammatikalischer Techniken, insbesondere in den kognitiv-semantischen Bereichen „Situation, Bestimmung und Besitz, zeitliche Orientierung“ sowie auf der Verortung dieser Prozesse in sozialen Kontexten.
Als Barbara Job 2004 als Lehrstuhlinhaberin für den Bereich „Sprache und Kommunikation sowie Linguistik romanischer Sprachen“ an die Universität Bielefeld wechselte, zeigte sich auch in ihrer eigenen Forscherinnentätigkeit, wie ein Übergang und ein Spannungsfeld erfolgreich zu einem Innovationsschub und einer Neujustierung führen können – ausgehend von einer historisch arbeitenden, vergleichenden und traditionsverbundenen (und zugleich innovativ und interdisziplinär arbeitenden) Romanistik in Freiburg zu einer jungen Universität, einer Reformuniversität. An der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft übernahm sie den Lehrstuhl von Elisabeth Gülich, deren Arbeiten im Bereich der Konversationsanalyse nicht nur national, sondern auch international prägend waren und sind. Gülichs Arbeiten erschlossen die diagnostische Nutzung der Konversationsanalyse im medizinischen Bereich. Barbara gelang es, in Zusammenarbeit mit Elisabeth Gülich, Ulrich Krafft und Ulrich Dausendschön-Gay ihre Expertise in diesem neuen Umfeld der Kommunikationsanalyse fruchtbar zu machen. Darüber hinaus sind jedoch auch intensive Kooperationen außerhalb der damaligen Romanistik im Bereich der quantitativen Korpuslinguistik entstanden, wie die bereits oben erwähnte Zusammenarbeit mit Alexander Mehler (jetzt Frankfurt/Main).
In den letzten Jahren haben sich ausgehend von ihrem Interesse und ihrer Expertise für Medienumbrüche und die Dynamiken kommunikativer sprachlicher Interaktion im inspirierenden Bielefelder Kontext so verschiedene neue Gebiete erschlossen:
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