Die folgenden Aufsätze untersuchen Übergänge zwischen Sprachen und besondere kommunikative Funktionen von Übersetzung.
Die Komplexität der dichterischen Übersetzung steht im Mittelpunkt von Kai KauffmannsBeitrag. Er untersucht die wechselseitigen Übersetzungen bei Stefan George und Wacław Rolicz-Lieder und geht dabei auch auf die Besonderheiten der symbolistischen Literatur ein, in deren Auffassung die Übersetzungen ureigene literarische Funktionen übernehmen, eine übliche Praxis um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert, bei der auch die imitierende und variierende Nachdichtung in einer anderen Sprache künstlerisch genutzt wurde. Daneben stellt Kai Kauffmann auch die Motive der beiden Dichter zur weiteren Vernetzung und je eigenen Positionierung, aber auch zur Pflege ihrer Freundschaft heraus.
Bettina Klugeanalysiert ein bisher selten untersuchtes Verfahren der audiovisuellen Übersetzung, der sogenannten Voice-over-Übersetzung in den TV-Nachrichten, bei denen versetzt nach einer kurzen Spanne des Originaltons eine auditive Übersetzung diesen überlagert, ein Verfahren, das besonders in dokumentarischen Produktionen zur Herstellung einer größeren Authentizität eingesetzt wird, das aber sowohl auf Produktions- wie auch auf Rezeptionsseite hochkomplex ist. Bettina Kluge wählt einen Video-Beitrag von Spiegel Online aus dem Jahr 2015 zu einem mass shooting an einem US-amerikanischen College und legt den Fokus auf die Kombination sprachlicher und außersprachlicher Ressourcen und das Verhältnis des übersetzten Texts zum Originalton, wobei insbesondere auch Verfahren des Medienwechsels berücksichtigt werden.
Drei sehr unterschiedliche Gesprächstypen werden in den nächsten Beiträgen analysiert. Heike Knerichund Julia Sacherzeigen, wie subjektiv außergewöhnliche Begebenheiten konversationell dargestellt werden und interaktiv hergestellt und ausgehandelt werden. Dazu werden die unterschiedlichen Verläufe zweier Gespräche der Call-in-Sendung „Domian“, die von 1995 bis 2016 im WDR-Radio und -Fernsehen ausgestrahlt wurde, vergleichend analysiert. Die Anrufer*innen inszenieren den „point“ ihrer Beiträge durch verschiedene kommunikative Mittel, der Moderator der Sendung wiederum versucht mit spezifischen konversationellen Aktivitäten, die aus Hörersicht unterschiedlich ausgeprägte Außergewöhnlichkeit der berichteten persönlichen Erlebnisse herauszuarbeiten oder herzustellen.
Peter Menkeanalysiert gesprächsorganisatorische Strategien in Proberunden zum Erlernen von Gesellschaftsspielen. Diese Proberunden bieten Gesprächssituationen, die diverse, ganz besondere Bewältigungs- und Problemlösungsstrategien erfordern, wobei neben den Verhandlungen und Klärungen zu Spielregeln interessanterweise auf der metadiskursiven Ebene gerade auch Gesprächsregeln wie Turn-taking verhandelt werden. Peter Menke geht dabei insbesondere auch der Frage nach, inwieweit die verschiedenen Ebenen verbal, prosodisch oder multimodal spezifisch gestaltet werden.
Hugo von Hofmannsthals „Erfundene Gespräche“ zu Keller, Goethe und Wassermann sind Gegenstand von Jan Andres’Untersuchung, die sich mit den dialogischen Verfahren in der literarischen Schriftlichkeit auseinandersetzt und die verschiedenen Strategien wie auch Vorbilder und Bezüge der gewählten Texte, die bis in die Antike zurückreichen, und denen die Reflexion über die Rezeption von Dichtung gemein ist, kritisch-reflektierend herausarbeitet und dabei inszenierte Rezeptionshaltungen der auftretenden Figuren, die selbst allerdings kaum individualisiert sind, analysiert.
Der letzte Abschnitt des Bandes ist der Kommunikation im medizinischen Kontext gewidmet.
Birte Schaller, Mia Schürmann, Yvonne Filliesund Joachim Oppstellen aus dem Kontext der Bielefelder Arbeitsgruppe „Kommunikation in der Medizin“ die Fallstudie eines Anamnesegesprächs vor, in der die Gesprächsäußerungen mit eigenen Schilderungen von Anfällen einer jungen Narkolepsie-Patientin mit dem Ziel der Diagnose analysiert werden. Der Ansatz beruht auf einem von Elisabeth Gülich und Martin Schöndienst entwickelten Verfahren der Gesprächsanalyse von Anamnesegesprächen und der Beobachtung, dass bestimmte konversationelle Muster erkrankungsspezifisch sind und heute in der Praxis insbesondere in der Neurologie und Psychotherapie differentialdiagnostisch eingesetzt werden. Sie schlagen Modifikationen des Verfahrens zur verbesserten Berücksichtigung der noch nicht ausgereiften sprachlichen Kompetenzen der kindlichen und jugendlichen Patient_innen vor.
Der Band schließt mit Elisabeth GülichsArbeit zur Berücksichtigung der Kommunikation in den verschiedenen Auflagen von 1979 bis 2016 des Lehrbuchs der Psychosomatischen Medizin von Thure von Uexküll, eines Wegbereiters der Psychosomatik, der schon früh sprachliche und kommunikative Aspekte für die Anamnese und Therapie heranzieht. Ihr gelingt es dabei anhand einer Analyse der Gliederung und der Behandlung kommunikativer Aspekte in verschiedenen Kapiteln zu zeigen, dass das Gespräch im Lauf der Zeit erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Sie plädiert für eine enge Zusammenarbeit zwischen Sprachwissenschaft und Medizin.
Auch wenn die persönliche Übergabe im Rahmen einer Feier in diesem von COVID-19 überschatteten Jahr womöglich schwierig zu realisieren sein wird, so möchten wir Barbara Job doch mit der Herausgabe dieses Bandes ehren.
Neben ihrer interdisziplinär offenen, fachlich immer fundierten und theoretisch und intellektuell anspruchsvollen Perspektive schätzen wir Barbara als warmherzige, humorvolle und kluge Lehrerin, Kollegin und Wegbegleiterin und wünschen uns von ihr, dass sie auch in Zukunft neue Terrains erobern möge und wir sie dabei begleiten dürfen.
Abschließend möchten wir dem Narr-Verlag und Ulrich Eigler danken für die Aufnahme dieser Festschrift in die Reihe ScriptOralia, die im Bereich der medialen Übergänge aber eben auch für Barbaras wissenschaftlichen Werdegang einen ganz besonderen Stellenwert einnimmt, Urgozo Ceballos Beitia, Antonia Lins, Nora Scheid und ganz besonders Gabriele Schaller für ihre Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts – und Tillmann Bub, Verena Stuhlinger und Corina Popp für die freundliche und kompetente Betreuung der Redaktion.
Bettina Kluge, Wiltrud Mihatsch und Birte Schaller
Literaturverzeichnis Barbara Frank-Job
Monographien
1994 |
Die Textgestalt als Zeichen. Lateinische Handschriftentradition und die Verschriftlichung der romanischen Sprachen, Tübingen: Narr (ScriptOralia 67). |
1998 |
Untersuchungen zum schriftkulturellen Ausbau des Französischen. Habilitationsschrift, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. |
2020 |
La Migración como Proceso: el Concepto de Temporalidad en Blogs de Migrantes Latinoamericanos a Quebec. Bielefeld: Kipu Verlag (Ensayos InterAmericanos 3). |
Im Druck |
Immigration as a Process: Temporality Concepts in Blogs of Latin American Immigrants to Québec. New Orleans: University of New Orleans Press. (Inter-American Studies/Estudios Interamericanos 27). |
Handbuch
1997 |
Frank, Barbara (mit Jörg Hartmann): Inventaire systématique des premiers documents des langues romanes, 5 Bde., Tübingen: Narr (ScriptOralia 100/I–V). |
Herausgeberschaften
1992 |
(mit Maria Selig und Jörg Hartmann): Le passage à l'écrit des langues romanes. Tübingen: Narr (ScriptOralia 46). |
1997 |
(mit Thomas Haye und Doris Tophinke): Gattungen mittelalterlicher Schriftlichkeit, Tübingen: Narr (ScriptOralia 99). |
2006 |
(mit Martina Drescher): Les marqueurs discursifs dans les langues romanes: approches théoriques et méthodologiques. Frankfurt/Main: Peter Lang. |
2013 |
(mit Alexander Mehler und Tilmann Sutter): Die Dynamik sozialer und sprachlicher Netzwerke. Wiesbaden: Springer – VS Verlag. |
2015 |
(mit Esme Winter-Froemel, Araceli López Serena und Álvaro Octavio de Toledo y Huerta): Diskurstraditionelles und Einzelsprachliches im Sprachwandel – Tradicionalidad discursiva e idiomaticidad en los procesos de cambio lingüístico. Tübingen: Narr Francke Attempto (ScriptOralia 141). |
2015 |
(mit Philippe Blanchard, Andy Lücking, Alexander Mehler, und Sven Banisch): Towards a Theoretical Framework for Analyzing Complex Linguistic Networks. Berlin: Springer (Understanding Complex Systems). |
2020 |
(mit Joachim Michael): Angstsprachen: Interdisziplinäre Zugänge zur kommunikativen Auseinandersetzung mit Angst. Wiesbaden: Springer. |
Aufsätze
Читать дальше