1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 »Ich bin immun!«
Ship schüttelte seinen riesigen Schädel, um meine Aussage zu verneinen, woraufhin ich ihm erklärte, dass es schon über eine Woche her war, seit ich gebissen worden war. Ich befand mich außerdem seit über zwölf Stunden in seiner Gegenwart und war, wie er sehen konnte, nach wie vor gesund. »Niemand, der gebissen wurde, konnte je so lange durchhalten, ohne krank zu werden«, schwor ich ihm, während ich meine Hände hob. »Du kannst darauf vertrauen, dass ich mich nicht mehr verwandeln werde.«
Er schien das Gesagte einen Moment lang abzuwägen, während sich sein Blick auf eine andere Stelle fokussierte, dann ließ er endlich die Schrotflinte sinken und setzte sich neben mich. Er kritzelte etwas in sein Buch und reichte es mir.
Erklär es mir.
Ich erzählte ihm daraufhin alles, was mit mir passiert war, allerdings so leise wie möglich, da ich schon wieder Schlurfgeräusche im Schnee unter uns hören konnte, obwohl wenigstens das Gestöhne ein wenig abgenommen hatte. Ich zeigte ihm daraufhin die Wunde an meinem Bein genauer und auch die andere oberhalb meines Schlüsselbeins. Diese wies zwar Anzeichen einer Infektion auf, aber nicht wie bei jenen, die sich angesteckt hatten. Ship erkannte den Unterschied ebenfalls und säuberte die Wunde für mich. Zu meiner ewig währenden Schande muss ich gestehen, dass ich wie ein Baby losschrie, als er mir das brennende Zeug auf die Wunde schmierte, woraufhin das Gestöhne natürlich wieder in voller Lautstärke anfing.
Baby formte er mit den Lippen.
Das war ebenfalls gemein.
Er verstaute das Desinfektionsmittel wieder und legte noch ein Scheit ins Feuer. Ich verband in der Zeit meine Schulter und er fing an, in sein Notizbuch zu schreiben. In der Tat schrieb er so lange, dass ich schon dachte, er arbeitete gerade an einem neuen Buch. Nachdem er fertig war, reichte er mir die Seiten und ich fing an, zu lesen. Auf der rechten Seite sah ich viele Fragezeichen.
Mein Lesefluss wurde allerdings von draußen abgefeuerten Waffen unterbrochen.
Viele Woo-hoo’s und Yee-ha’s begleiteten die Schüsse. Außerdem wurde auch aus automatischen Waffen geschossen. Das Ganze war in weniger als einer Minute wieder vorbei und anschließend hörten Ship und ich Stimmen.
»Das hier is‘ ja echt ‘ne feine Idee. Wir wären vom Boden weg und …«
»Jed! Clem hat‘s erwischt!«
Großartig? Yee-ha? Jed? Clem? Ich sah Ship an, der mir bereits einen vielsagenden Blick zuwarf. Die wortkarge Natur meines großen Freundes trat wieder zutage, als er mit seinem Mund ein einzelnes Wort formte:
Rednecks!
Diesmal war ich allerdings ebenso sparsam mit Worten: Scheiße!
»Wie oft muss ich‘s dir noch sagen, Junge, unterbrich mich nich‘, wenn ich am Reden bin!«
»Aber Clem is‘ gebissen worden!«
Ein einzelner Schuss durchbrach jetzt die Stille des Waldes, gefolgt von vereinzeltem Gelächter. »Jetzt wird er keinen nich beißen. Hab ihn eh nie gemocht, stank wie ‘ne Beutelratte.«
Er stank wie eine Beutelratte? Jetzt gab es für mich endgültig keinen Zweifel mehr. Ich hatte noch die vage Hoffnung gehabt, dass diese Landeier freundlich wären, in Anbetracht des Untergangs der Menschheit und so. Doch mit der Erwähnung der Beutelratte und der äußerst schnell gefällten Entscheidung, jemandes Leben zu beenden, weil dieser wie besagte Kreatur gerochen haben soll, löste sich diese Hoffnung in Luft auf. Diese Arschlöcher würden uns, ohne mit der Wimper zu zucken, erschießen.
Ich spähte nach unten und musterte ihre Waffen. Militärniveau. M-irgendwas, alles in Schwarz gehalten und wirklich fies aussehend.
Jed rief fragend nach oben, ob wir hier drin seien . Ich sah zu Ship, der den Kopf schüttelte, während er nach etwas griff. Kurz darauf hielt er etwas Grünes in die Höhe, das mit einem schwarzen Kabel umwickelt war, welches er jetzt zu entwirren begann. Er war fast damit fertig, als der erste Schuss durch den Boden seines Hauses drang. Wir duckten uns unwillkürlich, wobei ich gegen den Tisch stieß, woraufhin die Pyramide aus leeren Bierdosen, die ich gestern darauf errichtet hatte, in sich zusammenfiel. Ships finsterer Blick übertraf sogar den meines Dads, als der mich mit dreizehn Jahren beim Rauchen erwischt hatte. Ich zuckte verlegen mit den Schultern.
»Kommt ihr Jungs jetzt runter?«
Ship hatte mir sein Notizbuch gereicht. Dort stand: Die oder wir. Ship hielt das grüne Klickerding jetzt in die Höhe. Das Kabel schlängelte sich durch die Wand in der Nähe des Bodens am Computer. Er betätigte nun einen kleinen silbernen Schalter und eine einzelne Träne rann dabei über seine linke Wange.
Zehn oder fünfzehn Kugeln schossen nun gleichzeitig durch den Boden und die Wände des Häuschens, alle von einer Automatikmaschine abgefeuert. Ich konnte das Kordit deutlich riechen, und das, obwohl ich nach wie vor im Haus war. Ich sah zu Ship hinüber und dachte noch, dass wir ganz schön tief im Schlamassel steckten, als mir auffiel, dass er auf dem Rücken lag. An seinem Kopf befand sich Blut und er rührte sich nicht mehr. Sie hatten meinen neuen Kumpel erwischt! Ich sagte ihm, dass es mir leidtat, und griff dann nach dem grünen verkabelten Ding.
Oh, und ganz nebenbei erwähnt brannte es mittlerweile in dem Häuschen. Die Kugeln mussten irgendetwas Entzündliches erwischt haben, denn Flammen züngelten an der gegenüberliegenden Wand hoch und verteilten sich ebenfalls über dem Boden.
Ich rief nun zu den Übeltätern hinunter: »Hey Jed! Warum lutschst du nicht ein paar Schwänze, du schafefickender Redneck!« Dann betätigte ich den Schalter und wartete darauf, dass irgendetwas Weltbewegendes geschah. Doch nichts passierte.
Draußen konnte ich Jeds aufgebrachte Stimme hören. »Hat der Hurensohn mich grad ‘ne Schwuchtel genannt?«
Ich betätigte den Schalter noch einmal und zum zweiten Mal geschah nichts, weswegen ich in einer Panikreaktion doppelt darauf klickte und plötzlich machte draußen etwas Boom . Es ließ die Wände erzittern und verursachte ein extrem lautes Geräusch. Obwohl ich mich drinnen befand, klingelten meine Ohren. Von draußen drangen von Schmerz und Schrecken durchtränkte Schreie hier hoch. Jeder davon fühlte sich an wie ein Nagel, der sich in meine Seele bohrte, sodass ich es schließlich wagte, einen vorsichtigen Blick nach draußen zu werfen. Das hätte ich wohl lieber sein lassen sollen. Diejenigen, die noch lebten, würden dies nicht mehr lange tun, da wichtige Teile von ihnen über den Schnee verteilt worden waren, der sich mehr und mehr rot verfärbte. Einer der Rednecks versuchte gerade, mit nur einem Arm seine Innereien an Ort und Stelle zu halten, während ein anderer einen schwachen Versuch unternahm, mit einem halben Bein davon zu kriechen, wobei er Stückchen seiner selbst in der roten Spur zurückließ, die er hinter sich durch das Weiß zog. Er kam allerdings nicht weit und die Schreie wurden innerhalb einer Minute zu Gewimmer. Nun hatte ich bereits lebende Männer, tote Frauen und einen Renner getötet, oder wie auch immer man sie nennen möchte. Mir schoss gerade durch den Kopf, dass ich zwar ein Jahr lang im Gefängnis gesessen hatte, bis vor etwa einer Woche jedoch noch nie etwas anderes als Käfer und ein besonders armes Streifenhörnchen getötet hatte, als ich plötzlich hinter mir eine Bewegung wahrnahm.
Ship setzte sich auf, und er war dabei so gigantisch, dass er selbst im Sitzen mehr als halb so groß war, wie ich im Stehen. Sich um einen riesigen Zombie zu kümmern, während man sich in einem kleinen Raum befand, der noch dazu in Flammen stand, dürfte wohl ein klitzekleines Problem darstellen. Vor allem, wenn man bedachte, dass sein zweihundert Kilo schweres Bein gerade direkt über der Falltür lag. Da der Hüne bereits auf die Füße kam, hechtete ich in Richtung der Schrotflinte, die immer noch gegen den Tisch gelehnt dastand. Ich bewegte mich so schnell ich konnte, packte sie und lud sie durch. Allerdings fiel dabei die einzige Patrone aus dem Magazin und rollte unter das Foltergerät, das Ship Couch genannt hatte. Furchtbarerweise feuerte die Waffe aber nicht. Wie ein Ninja wirbelte ich sie am Lauf herum und stürzte mich mit einem Kriegsruf auf ihn, der Conan alt aussehen hätte lassen, während ich die Waffe wie einen Knüppel in einem Winkel gegen seine Rübe schwang, von dem ich hoffte, dass er ihm direkt den Kopf von den Schultern reißen würde.
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