Für Dirk – natürlich
Andrea Reichart
Rock im Wald
Ein Norbert-Roman
MÖNNIG-VERLAG ISERLOHN
Andrea Reichart ist Buchhändlerin und Literaturwissenschaftlerin (MA). 2008 kam sie ins Sauerland, um das literarische Konzept des Literaturhotel Franzosenhohl umzusetzen, das sie bis heute betreut.
Ihr erster Roman „Nenn mich Norbert“ wurde 2012 für den DeLiA Literaturpreis nominiert – als schönster Liebesroman des Vorjahres. Seit 2012 hat sie mehrere Kurzgeschichten und Liebesromane veröffentlicht, unter einem Pseudonym schreibt sie Jugend-Fantasy. Außerdem arbeitet sie als Lektorin und unterrichtet Schreibwillige in sogenannten Blitz-Workshops. Sie ist seit 2013 DeLiA Vorstandsmitglied (Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautoren und -autorinnen).
„Rock im Wald“ ist ihr zweiter „Norbert-Roman“ – weitere sind geplant. Mehr Infos unter http://www.andrea-reichart.de und http://www.aubrey-cardigan.de
Andrea Reichart lebt mit Mann und Hund Norbert in Iserlohn.
Alle Handlungen und Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
© Mönnig-Verlag, Iserlohn, 2015
Alle Rechte an Bild und Text, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotografischen Wiedergabe und der Vervielfältigung bleiben dem Verlag vorbehalten.
Umschlaggestaltung: Mönnig-Verlag
Buchgestaltung, Textbearbeitung und Produktion: Mönnig-Verlag, Iserlohn. Das Foto ,Saukanzel’ auf der Titelseite wurde freundlicherweise durch die Firma Land- und Forstbetrieb Ernst Kugler in Ertingen-Erisdorf zur Verfügung gestellt.
Gedruckte Ausführung unter www.moennig.de
Print: ISBN 978-3-933519-69-6
E-Book: ISBN 978-3-933519-70-2 EPUB
E-Book: ISBN 978-3-933519-71-9 MOBI
„Und das hier ist der neue Schützenkönig. Erkennst du ihn?“ Catrin klickte auf Vergrößern und Felix erschien in Siegerpose auf dem Bildschirm.
„Meine Güte, hat der noch mehr zugenommen?“ Miriam lehnte sich zurück und trank einen Schluck Wein.
„Ich befürchte, ja.“ Catrin legte den Kopf schief und betrachtete stirnrunzelnd ihren Mann in seiner Schützenuniform, umgeben von den wichtigsten Schützenbrüdern ihres kleinen Dorfvereins.
„Solltest du nicht eigentlich neben ihm da oben auf der Bühne stehen, als seine Königin?“, frotzelte Miriam.
„Um Gottes willen, alles, nur das nicht. Ich habe ihm erlaubt“, Catrin vollführte mit der rechten Hand eine würdevolle Geste und neigte ihren Kopf in erhabener Großzügigkeit, „stattdessen seine Kollegin Sabrina zu adeln.“
„Ganz schön riskant, ihm gleich Körbchengröße D zu gestatten.“ Miriam starrte auf den Bildschirm. „Was hat er denn da am Kragen? Ist das eine Rose?“, fragte sie plötzlich.
„Wo?“ Catrin beugte sich vor. „Tatsächlich.“
„Schick!“
Catrin gähnte. „Wer weiß, wer ihm die ins Knopfloch gesteckt hat.“ Lustlos klickte sie sich durch die Onlinegalerie des Schützenvereins.
„Halt! Geh mal zurück – ja, genau. Was ist das?“ Miriam tippte ein Bild an und wies auf etwas Schwarzes vor einem der zahlreichen Rosensträucher, die den Park am See zierten.
Catrin runzelte die Stirn. Was hatte sich der Fotograf nur dabei gedacht, Abfall aufzunehmen? „Das ist sicher ein Müllsack“, sagte sie und wollte weiterklicken, aber Miriam legte die Hand auf ihre.
„Gib mir mal die Maus!“ Mit wenigen Klicks zoomte sie das Bild heran. Ein elegantes schwarzes Damenjäckchen, zusammengeknüllt und halb unter dem blühenden Rosenbusch verborgen, füllte den Bildschirm. Die benutzten und achtlos fortgeworfenen Papiertaschentücher daneben stachen grell ins Auge.
„Na!“, triumphierte Miriam. „Schützenfest-Quickie – da hatte es aber jemand eilig.“ Sie warf den Kopf zurück und lachte. „Nur blöd, wenn man zu besoffen ist, sich wieder richtig anzuziehen! Oder?“ Gut gelaunt klatschte ihre Hand auf Catrins nacktes Knie.
Catrin antwortete nicht, sondern starrte auf die Damenjacke. Das konnte doch nicht wahr sein! Rasch suchte sie das Foto mit Felix und zoomte ihn heran. Dann klickte sie sich zurück zu dem Bild mit der Jacke.
„Sprich mit mir, Catrin. Was ist los?“ Miriam stieß ihr mit dem Ellenbogen liebevoll in die Seite.
„Das ist los!“, schrie Catrin plötzlich auf und tippte wütend mit dem Zeigefinger auf einen kleinen gelben Punkt am Kragen des eleganten, im Dreck liegenden Boleros.
Miriam zuckte die Schultern. „Ich kann nicht erkennen, was das ist“, murmelte sie.
Wortlos stand Catrin auf und kam mit dem Jackett, das sie heute beim Vortrag getragen hatte, zurück. Es ähnelte dem anderen, war aber dunkelblau. Sie hielt ihrer Freundin den Kragen ihrer Jacke unter die Nase.
„Kannst du es jetzt besser erkennen?“, fragte sie bitter. Der kleine Pin, das Erkennungszeichen ihres Vereins, leuchtete wie eine winzige Sonne auf dem dunklen Blau des Stoffes.
„Ach du Scheiße“, flüsterte Miriam. „Der Quickie-Bolero auf eurem Schützenfest gehört einer von uns?“
„Das kannst du wohl laut sagen. Er gehört mir. Er hing in meinem Schrank, als ich fuhr. Und die Rose an Felix’ Revers stammt aus diesem Busch!“ Catrin schleuderte ihr Jackett gegen den Bildschirm. „Mein Mann hat was mit seiner Königin!“
Wie sie es schaffen sollte, noch drei Tage hierzubleiben, ohne den Verstand zu verlieren, war ihr ein Rätsel.
Wütend rollte sich Catrin auf die Seite und warf einen Blick auf den Wecker. Gerade ein Uhr durch. Miriam war vor einer Stunde gegangen, daheim kroch Felix vermutlich gerade mit Sabrina durchs Gebüsch, auf der Suche nach dem verlorenen Bolero. Und was war mit Diva? Wer kümmerte sich um ihre hochträchtige Hündin? Felix ja ganz offenbar nicht, so, wie es aussah.
Sie hätte sie doch zu Norbert und Claudia geben sollen! Warum hatte sie das eigentlich nicht getan? Immerhin hatte Nobbi Diva gedeckt. Weil sie, Claudia, zu blöd gewesen war, zu erkennen, dass die erste Hitze ihrer Hündin hohe Flammen schlug. Hoch genug, um den lebenslustigen Rüden in Brand zu setzen. Als wenn es nicht schon genug Welpen gäbe.
Verdammt! Wie sie die sanfte Hündin vermisste! Felix hatte so versprochen, gut auf sie achtzugeben. Und jetzt? Jetzt trieb er es hinter ihrem Rücken vermutlich schon seit zwei Tagen mit seiner Kollegin und hatte sicher alles im Kopf, nur nicht Divas Wohl.
Nein, sie musste zurück. Sie war zwar erst heute Morgen angekommen, aber wie man sehen konnte, war sie bereits viel zu lange fort.
Die Tagung würde ohne sie weitergehen müssen. Ganz ausgeschlossen, sich hier mit Autorenkolleginnen zu amüsieren, während Felix ihren Hund vernachlässigte, weil ihm das Hirn im Vollrausch vollends in die Hose gerutscht war.
Entschlossen wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und stand auf. Eilig riss sie die Schränke auf und nahm ihre Kleidung von den wenigen Bügeln darin. Dann hievte sie den Rollkoffer aufs Bett und begann zu packen.
Wo würde sie nur hingehen? Auf keinen Fall konnte sie mit Felix zusammenbleiben. Nicht nach diesem letzten endgültigen Beweis, dass er ein Schwein war.
Sie griff nach einem Informationsflyer auf dem Schränkchen unter der Garderobe und suchte die Nummer eines Taxiunternehmens. Sie würde sich direkt bis zum Hamburger Hauptbahnhof fahren lassen und einfach hoffen, dass es eine schnelle Verbindung nach NRW gab und sie nicht bis zum Morgen warten musste. Notfalls war aber auch das egal. Hauptsache weg von hier.
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