Für Corinna
Joachim Steidel
Silbergrau
mit
Wellengang
Eine High on Life Geschichte
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
© Mönnig-Verlag, Iserlohn, 1. Auflage, 2019
Deutsche Erstveröffentlichung
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet.
Buchgestaltung, Textbearbeitung und Produktion: Mönnig-Verlag, Iserlohn
Titelfoto: Fotolia Nr. 238107883
Informationen unter www.moennig.de
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2019
ISBN 978-3-933519-87-0 (Print)
ISBN 978-3-933519-88-7 (epub)
ISBN 978-3-933519-89-4 (mobi)
Cover
Titel Joachim Steidel Silbergrau mit Wellengang Eine High on Life Geschichte
Impressum © Mönnig-Verlag, Iserlohn, 1. Auflage, 2019 Deutsche Erstveröffentlichung Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet. Buchgestaltung, Textbearbeitung und Produktion: Mönnig-Verlag, Iserlohn Titelfoto: Fotolia Nr. 238107883 Informationen unter www.moennig.de E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2019 ISBN 978-3-933519-87-0 (Print) ISBN 978-3-933519-88-7 (epub) ISBN 978-3-933519-89-4 (mobi)
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Epilog
Wir waren inzwischen wieder seit Stunden unterwegs – und nun fuhr ich.
Gestatten? Dr. med. Alexander Alexander.
Nein, kein Witz, sondern der Beleg für die Hölle, in die ich hineingeboren worden war.
Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben?
Blödsinn. Nicht mit Eltern, die sich als gebildete Säufer für keine Geschmacklosigkeit zu schade waren: Die Drs. Alexander und Alexander freuen sich, die Geburt ihres Sohnes Alexander bekanntzugeben . Wer macht denn sowas?!
Nun, die Täter waren lange tot und ich vor wenigen Wochen endlich der Arztpraxis-Tretmühle entkommen, nur um meinen Vorruhestand mit einer weiteren Absurdität zu beginnen. Denn gegen meinen Willen lenkte ich gerade einen Bus mit fünf ausgeflippten Senioren Richtung Portugal. Dort hatten sie sich eine Finca gekauft, mitten in der Pampa. Sie meinten, sie hätten sich damit einen letzten Traum erfüllt.
Ich meinte, sie waren verkappte Selbstmörder.
Die Gegend, in der ihr Traumhaus stand, hatte ich gegoogelt. Die letzten Lebewesen waren vor zwei Jahren bereits fortgezogen, Ratten inklusive. Jetzt gab es dort nur noch Ameisen.
Lisbeth, die selbsternannte Chefin der Truppe, so eine Art Rapunzel auf Speed, hatte neben mir Platz genommen.
Rolf, der übergewichtige (ehemalige) Fahrer, lag auf der Bank hinter uns, die anderen drei hatten ihm Platz gemacht und teilten sich die Rückbank.
Jeder normale Mensch hätte Rolf nach seinem Schwächeanfall, den ich noch immer für einen milden Herzinfarkt hielt, einfach in diesem französischen Krankenhaus gelassen, aber Lisbeth war ebenso hartnäckig wie Rolf stur war, und so hatte sie ihn überredet, sich auf eigenes Risiko entlassen zu lassen. Nun ließ er sich von ihr den Schweiß von der Stirn tupfen.
Unser Gespann bestand aus einem alten VW Bus und einem ebenso alten Anhänger. Wie oft hatte ich inzwischen an Tankstellen Luft in dessen Reifen nachgefüllt? Zehnmal? Zwanzigmal? Und was hatte es geholfen? Gar nichts. Schlaff wie ein absterbendes Körperteil schlingerte er seit Hunderten von Kilometern mit seinem Schleichplatten hinter uns her.
Auf der Rückbank wurde gerade wieder gekotzt. Bea hielt sich die Tüte vor den Mund und versuchte, möglichst wenige Geräusche zu machen. Mit ihrer Nickelbrille bediente die Mittsiebzigerin perfekt das Klischee der pensionierten Biologielehrerin, die hartnäckig eine Safari nach der anderen buchte, bis das Geld aufgebraucht war.
Neben ihr saß Sonja, die mollige, gutgelaunte Krankenschwester. Sie holte immer dann, wenn jemand zu würgen begann, ihr Banjo raus, um die Stimmung aufzulockern.
Der letzte im Bund war Schorschi, ein in Ehren ergrauter Handwerker mit gichtgeplagten großen Händen. Er versuchte schon seit Paris, mit einem überdimensionierten Schraubendreher sein mikroskopisch kleines Radio auseinanderzuschrauben, das trotz frischer Batterien keinen der lokalen französischen Sender empfangen wollte. Immer wieder rief er: „Fahr nicht so ruckelig!“
Er trieb mich in den Wahnsinn.
Sie alle trieben mich in den Wahnsinn.
* * *
Es musste inzwischen weit nach Mitternacht sein. Hätte ich einen Bus voller Kinder durch die Nacht gefahren, wäre inzwischen Ruhe und sie würden schlafen. Aber da meine Reisebegleiter, die ausnahmslos die Siebzig hinter sich hatten, ihrer ungewissen, wenngleich überschaubaren Zukunft entgegenfieberten, floss in ihren Adern zu viel Adrenalin, als dass sie hätten eindösen können. Vielleicht hatten sie auch einfach keine Lust, ihre knapp bemessene Restlebenszeit mit Schlafen zu verschwenden.
Meine Hände taten inzwischen entsetzlich weh, so sehr krallten sich meine Finger schon seit ungezählten Kilometern ums Lenkrad. Meine Füße brannten wie die Hölle. Der Rücken schmerzte, mein Magen krampfte, meine Augen brannten vor Tränen der Wut, denen ich unter keinen Umständen vor diesen Leuten freien Lauf lassen wollte.
So ging das nicht weiter. Ich brauchte eine Pause.
Kommentarlos setzte ich den Blinker und steuerte von der Autobahn hinunter auf einen Rastplatz. Etliche Reisende hatten bereits dieselbe Idee gehabt, erst ganz am Ende des Parkstreifens fand ich eine Lücke, die groß genug war, den Busveteran samt Anhänger hineinzumanövrieren.
Als ich den dicken Schalthebel ein letztes Mal in den knarzenden ersten Gang wuchtete und den Schlüssel drehte, erstarb der Motor mit einem Zittern, als wäre er erleichtert, es endlich hinter sich zu haben.
„Ich weiß genau, was dir nun guttun würde“, sagte Lisbeth mit einem entschlossenen Blick auf mich. Sie hatte ihre Tür bereits aufgestemmt und stieg aus.
Hinter uns raschelte es, als die Rentnergang ihre Knochen sortierte.
„Los, hilf mir mal“, kommandierte Lisbeth und machte sich an der klemmenden Seitentür zu schaffen, um die anderen herauszulassen.
Vergeblich.
So ruhig wie möglich ging ich um den Bus, dann atmete ich tief durch und sagte: „Geht zur Seite!“
Inzwischen hatte ich den Dreh raus. Ich übte den nötigen Druck aus und das Türschloss gab nach.
Während die anderen aus dem Wageninneren an die frische Luft drängelten, half Lisbeth Rolf ins Freie.
„Alles gut?“, fragte sie fürsorglich.
Er nickte und stützte sich auf sie. „Alles bestens, Lisbeth! Danke, dass ihr mich nicht zurückgelassen habt!“
Während er sprach, griff ich nach seinem Handgelenk und kontrollierte unauffällig seinen Puls. Alles im grünen Bereich.
Ich ging um den Bus herum, öffnete die Heckklappe, nahm eine Sprudelflasche aus der Wasserkiste und reichte sie ihm.
Neben mir kramte Lisbeth in einer Tüte. „Ah, da ist sie!“, sagte sie zufrieden und hielt triumphierend eine Sprühdose in die Höhe.
„Was ist das?“, fragte ich eher aus Höflichkeit als aus echtem Interesse.
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