Wir sammelten noch etwas mehr Ausrüstung zusammen und dann war es an der Zeit, aufzubrechen. Ich behielt die Waffen, die ich als Kriegsbeute an mich genommen hatte, und fragte Ship, ob er mir eines der M16 von der Bank reichen könne, bevor es losging. Er hielt vier Finger in die Luft und ich erwiderte, dass er sich irrte, weil es nur drei M16 waren. Er schüttelte den Kopf und kritzelte einen einzelnen Buchstaben und eine Zahl in sein Notizbuch: M4. Dann deutete er auf meine Waffe. Ich fragte ihn, was denn der Unterschied zwischen einem M4 und einem M16 war. 12 war alles, war er dazu schrieb und ich schwöre, dass ich bis gerade eben nie verstanden habe, was er mir damit sagen wollte.
Er ließ die Tür unverschlossen, hinterließ aber ein paar eklige Überraschungen für die Hillbillys. Welche von der explosiven Sorte. Ich fragte ihn, was passierte, wenn sich irgendein Kind vor den Rednecks hierher verirrte, woraufhin Ship schrieb, dass es immer noch besser wäre, in die Luft zu fliegen, als gefressen zu werden oder zu erleben, was auch immer diese widerlichen Typen anstellen würden. Da musste ich ihm insgeheim recht geben.
Wir verließen den Schuppen und näherten uns einem zweiten. Gemeinsam schafften wir den Schnee vor dem Eingang weg und fanden im Inneren einen für zwei Personen ausgestatteten Motorschlitten vor. Später sollte ich von Ship erfahren, dass er sogar ein Pferd gehabt hatte, dass dieses aber beim Tierarzt gewesen war. Er war gerade auf dem Rückweg vom Arzt gewesen, als er auf mich und meine mich jagenden toten Kumpels gestoßen war. Vermutlich hatte das Pferd als Mahlzeit für einige dieser Dinger gedient, inklusive dem nun untoten Tierarzt.
Nachdem wir das Schneemobil aus dem Schuppen hinausmanövriert hatten, baute Ship noch eine weitere Falle auf. Anschließend startete er die Maschine und bei dem lauten Geräusch machte ich mir vor Schreck fast in die Hose. Wir stiegen beide auf und machten uns aus dem Staub, ohne uns noch einmal umzusehen.
Eine ganze Weile fuhren wir in Richtung Westen. Wie lang genau, konnte ich nicht sagen, aber es war bereits dunkel geworden. Mein Gesicht war wegen der eisigen Kälte taub und wir flogen regelrecht über den Schnee, als mir irgendwann etwas Ungewöhnliches vor uns ins Auge stach. Einzelne Stellen im Schnee wurden für einen kurzen Augenblick erleuchtet. Ich blinzelte ein paar Mal, sah es aber immer noch. Mir fiel jetzt auf, dass die Stellen sich mit uns zusammen bewegten, konnte mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, worum es sich dabei handelte. Erst als ich über meine Schulter blickte, ergab das Ganze plötzlich einen Sinn. Drei Lichter hinter uns durchbrachen in regelmäßigen Abständen die Dunkelheit. Höchstwahrscheinlich waren es Motorschlitten, die sich nur wenige hundert Meter hinter uns befanden.
Ich beugte mich vor und brüllte Ship ins Ohr, dass uns offenbar drei Schwänze gewachsen waren, woraufhin er sich versteifte. Also, sein Körper, den ich ja gerade immerhin umarmte. An dem ich mich auf eine höchst männliche und heterosexuelle Art und Weise fest hielt, während wir über den gefrorenen Boden rasten.
Mein neuer Freund änderte daraufhin spontan die Richtung und fuhr jetzt gen Norden. Die Lichter hinter uns schienen uns zu folgen (Überraschung), da sie dasselbe taten und uns dabei bedrohlich näherkamen.
Stellt euch nur mal kurz zum Spaß vor, ihr hättet eine Gruppe Inzest-Vollpfosten, die eure Sachen stehlen und euch dann inmitten einer Zombie-Apokalypse in einer Hölle aus Eis umbringen wollten, getötet. Lasst das mal kurz sacken. Jetzt stellt ihr euch vor, die Kumpel besagter Vollpfosten wüssten nun über diese Säuberung Bescheid und auf einmal seht ihr Lichter hinter euch im Dunkeln aufblitzen, während ihr flieht. Was würdet ihr denken? Ich sag’s euch. Ihr würdet glauben, dass echt üble Typen gerade auf dem Weg waren, um zu Ende zu bringen, was ihre Freunde begonnen hatten. Trotzdem hältst du an dem vollkommen lächerlichen Hirngespinst fest, dass das Licht doch auch genauso gut zu einer Schar Bikini tragender Supermodel-Nymphomaninnen gehören könnte, die in den Transporttaschen ihrer Schneemobile Bier und Buffalo Wings für dich dabeihaben.
Ja, das ist natürlich einfach nur unfassbar dumm.
Aber verdammt, ich dachte gerade tatsächlich an Bier und Chicken-Wings, als mich die erste Kugel traf. Eigentlich traf sie den Metallschaft des Gewehrs, das auf meinem Rücken befestigt war. Ich war mir erst auch nicht vollkommen sicher, ob es wirklich ein Schuss gewesen war, immerhin fuhren wir gerade mit voller Geschwindigkeit und ich konnte absolut nichts hören wegen des Motors, über dem wir uns befanden, aber ich glaube kaum, dass es ein Bienenstich gewesen ist. Ich begriff in dem Moment, was da ablief, als ich hörte, wie Automatikwaffen abgefeuert wurden. Von den circa fünfzig Kugeln, die von diesen Arschlöchern abgefeuert worden waren, hatte uns exakt eine getroffen, aber das wussten sie ja nicht.
Wir flogen (wir flogen tatsächlich) über eine Erhöhung und auf einmal befanden wir uns auf einer schneebedeckten Straße. Ich wusste nur deshalb, dass es sich um eine Straße handelte, weil ich ein mit Frost überzogenes Geschwindigkeitsschild gesehen habe. Während wir die Straße entlangfegten, stolperte uns jemand genau vor das Schneemobil und Ship fuhr im letzten Moment um ihn herum. Er war definitiv tot, da er uns mit ausgestreckten Armen, auf die für einen Zombie so typische Art und Weise, folgte. Ich sah ein Haus zu unserer Linken vorbeifliegen und dann noch eins, einige davon mit geparkten und zurückgelassenen Fahrzeugen auf der Straße und mir wurde klar, dass wir uns gerade in einer kleinen Ortschaft befanden.
Das Geräusch des Motors, über dem wir uns befanden, war im Vergleich zu der Stille des ausgestorbenen Ortes unfassbar laut. Dementsprechend dauerte es natürlich auch nicht lange, bis Tote auftauchten, um Ausschau nach einem späten Abendessen zu halten und schon kurz darauf kamen immer mehr und mehr aus den Häusern. Über die vereisten Straßen dieser verdreckten Kleinstadt zu kurven, war eines der furchteinflößendsten Erlebnisse meines ganzen Lebens, zumal sich immer mehr Tote wie aus dem Nichts aus der Dunkelheit heraus zu materialisieren schienen und versuchten, mit ihren infizierten Klauen, nach uns zu greifen.
Eines dieser Dinger schaffte es irgendwann tatsächlich, den rechten Lenker zu packen, woraufhin wir mit Gewalt nach rechts gezogen wurden. Ship ergriff die Hand des Dings kurzerhand und zog sie weg, als handele es sich nur um das Körperteil eines Kindes. Ich schwöre euch, ich habe sogar gesehen, wie ein paar gefrorene Finger abbrachen. Das Wesen ließ einfach los und fiel hinter uns zu Boden, aber der Schaden war bereits angerichtet.
Wir streiften irgendwann einen Toyota Camry, was irgendwie albern war. Ich meine, kommt schon, welcher Hillbilly, der was auf sich hält, fährt denn etwas anderes als einen Truck, und dann auch noch von einer ausländischen Marke? Unser rechter Reifen war bei dem Zusammenstoß jedenfalls leider beschädigt worden und fing daher an, dieses Geräusch zu machen. Ihr wisst schon, dieses Geräusch, das jedes Fahrzeug, das ihr jemals gefahren seid, irgendwann gemacht hat. Das einem zuzuschreien scheint: Hier stimmt was nicht, sodass du schließlich anfängst, dir Sorgen über eine fünfhundert Dollar teure Werkstattrechnung für eine neue Wasserpumpe oder Bremsscheiben zu machen.
Unser treues Ross begann offenbar zu lahmen. Wir schafften noch etwa einen Kilometer, bevor der Reifen sich komplett löste und beinahe Ships Bein mit sich riss. Wir rotierten daraufhin unkontrolliert und krachten schließlich frontal in die Ziegelsteinfassade eines Barber-Shops. Ich bin zwar kein Versicherungssachverständiger, aber selbst mir war klar, dass dieses unfassbar teure Schneespielzeug vollkommen am Arsch war und es daher vermutlich keinerlei Schadenszahlung dafür geben würde. Wisst ihr noch, wie ich vor ein paar Abschnitten erzählt habe, dass ich Angst hatte, als wir durch die Straßen gefahren sind? Nun, das war absolut nichts im Vergleich zu dem Moment, als ich das erste kehlige und gurgelnde Stöhnen ganz in unserer Nähe hörte.
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