1 ...7 8 9 11 12 13 ...27 Der Standartenführer hatte auch schon seine Meinung über sie. Er erachtete sie selbst einer lässig erhobenen Rechten nicht für würdig und polterte gleich los, als stünde er vor einer angetretenen Formation. Er wiederholte, was jeder von ihnen einzeln schon gestern von ihm und von Staatssekretär Frank gehört hatte, und legte dann dar.
«Großdeutschland betrachtet den bestialischen Mord an Elisabeth Baronin von Pommeren als ein Signal von Agenten der verräterischen Londoner Regierung für eine Terrorwelle, die sich gegen alle deutschen Bewohner des Protektorats richtet. Wird der Täter nicht ergriffen, um einer angemessenen Strafe zugeführt werden zu können, ist das Reich zu einer noch härteren und umfassenderen Vergeltung entschlossen, die alles in den Schatten stellen wird, was selbst bloßen Befürwortern des Attentats auf Reichsprotektor Heydrich zuteil geworden ist. Ich bin bevollmächtigt, Ihnen verbindlich zu erklären: Großdeutschland steht unmittelbar vor der endgültigen Wende im totalen Krieg gegen die Plutokraten und jüdischen Bolschewiken, die auf ihrem eigenen Territorium ausgerottet werden. Deshalb wird es ohne Erbarmen alle liquidieren, die sich mit der Absicht tragen, ihm das Messer in den Rücken zu stoßen!»
Eher mit dem Messer den Bauch auszuweiden ... dachte Buback.
«Wir sind entschlossen, diesen urgermanischen Boden mit Bächen von tschechischem Blut zu tränken, falls wir damit einen einzigen Tropfen deutschen Blutes retten. Es liegt in Ihrer Hand, meine Herren ...», man merkte ihm an, wie wenig er sie für Herren hielt, «ob Sie das Unheil, das eine Handvoll ausländischer Abenteurer zynisch plant, von Ihren Landsleuten abwenden oder nicht. Ich befehle Ihnen, eine Sondergruppe für die Fahndung aufzustellen, für deren Ergebnisse Sie die volle Verantwortung tragen. Ich werde darin durch den hiesigen Verbindungsoffizier des Reichskriminalpolizeiamts, Oberkriminalrat Buback, vertreten sein. Er ist mir für eine ständige und genaue Information über den Stand der Untersuchung verantwortlich, wird Ihnen aber auch gegebenenfalls die Unterstützung durch unsere Dienststellen vermitteln. Das ist alles. Nun will ich von Ihnen hören, wer für die Tätigkeit der Gruppe persönlich haften wird.»
Polizeipräsident Rajner verbeugte sich so ehrfürchtig, wie es sein Bauchspeck zuließ, und wandte den Blick, der bis jetzt auf den Standartenführer gerichtet war, zu seinem hageren Nebenmann.
«Hauptkommissar Beran ...»
Das hatte Buback erwartet. Er war gespannt auf die Zusammenarbeit mit dem Mann, der ihm schon in ferner Vergangenheit ein Begriff gewesen war. Beran erntete damals ein von allen Blättern der ehemaligen Republik unisono gesungenes Lob, als er aus dem Belagerungsring der Gendarmen auf einen verbarrikadierten Eifersuchtstäter, der seine Frau samt ihrem Geliebten umgebracht hatte, losgestiefelt war und gerufen hatte, Wenn du mich nicht totschießt, versprech ich dir, daß ich dich gleich vom Knast auf ein Bier abhole! Selbst Jahre später wirkte er hier auf ihn als ein Mann, der Wort hielt und gegen Angst gefeit war. Es war für Buback ein erregendes Gefühl, daß er einen solchen Rivalen durchschauen und unschädlich machen sollte.
Bude to fuška! würde er als Tscheche sagen, das wird eine Mordsarbeit!
Der Genannte nickte auf zivile Art und setzte in annehmbarem Prager Deutsch so unformell hinzu, als plaudere er über das Wetter.
«Die Personalsituation zwingt mich, nebenher auch weiterhin die ganze Prager Kriminalpolizei zu leiten, die voraussichtlich in immer stärkerem Maße durch den Ansturm der Flüchtlinge aus dem Osten belastet wird. Mein bevollmächtigter Vertreter, der ausschließlich für diesen Fall abgestellt wurde, ist Kriminaladjunkt Morava.»
Buback spürte, daß die Reihe an ihm war, Beran in ebenso legerem Ton zu antworten.
«Das liegt in Ihrer Kompetenz. Ich werde in meiner Vollmacht Maßnahmen von Ihnen verlangen, die zur Erfüllung der Aufgabe in kürzester Zeit führen!»
«Das ist sowieso unsere normale Pflicht», erwiderte der Hauptkommissar höflich und sah ihm fest in die Augen.
Ein Blödsinn, daß wir Feinde sind, bedauerte Buback, wir wären ein ideales Paar. Zugleich bemerkte er, daß Meckerle sich unverkennbar, aber sicher zu langweilen begann. Dem Rausschmiß, der auch ihn betroffen hätte, beugte er vor, indem er Haltung annahm, um die Tschechen daran zu erinnern, daß sie hier nicht im Kaffeehaus waren.
«Standartenführer, gestatten Sie, daß ich die Herren zu mir entführe, um den Bericht über den Stand der Ermittlung entgegenzunehmen.»
Jetzt straffte sich auch Meckerle und führte ihnen zum Abschied vor Augen, welch ein Berg von Körper und Willenskraft hinter seinen Worten stand.
«Hier will ich ihn in Kürze sehen!» herrisch wies er auf den Raum zwischen sich und ihnen, «ich will ihn als erster persönlich fragen, warum er das getan hat. Ich denke, wir sparen uns das Henkersalär.»
Dann endlich schoß er den Arm zum deutschen Gruß hinauf.
Sein Lampenfieber verlor Morava wie gewöhnlich schnell, nach ein paar Worten beruhigte ihn das Bewußtsein, gute Arbeit zu liefern. Daß von Beran Zutrauen zu ihm funkte, spornte ihn an.
Die umwälzenden Ereignisse des gestrigen Abends schienen sein Gehirn, das der Kommissar mehr als einmal als «Schrottmühle» bezeichnet hatte, noch mehr geschärft zu haben. Er war, wie er es sich vorgenommen hatte, sogar nach seiner ersten Liebesnacht um fünf aufgewacht. Eine Weile hatte er in ungläubiger Verzückung das Mädchen neben sich betrachtet, das selbst im Schlaf seine liebreizende Miene nicht verlor. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß er nicht träumte, fand er in der ihm unbekannten Küche im Erdgeschoß Zichorie und bereitete sich einen einigermaßen annehmbaren Kaffee. Beim Trinken schrieb er in nicht nachlassender Glückseligkeit in Schönschrift nieder, was bereits auf seine Weisung hin geschehen war, was gerade unternommen wurde und was alles in nächster Zukunft zu geschehen hatte.
Abhaken konnte er die Besichtigung des Tatorts und die Obduktion. Einen detaillierten Bericht, aus dem unter anderem hervorging, daß der Mörder konsequent Handschuhe benutzte und keine Spuren hinterließ, hatte er Jitka noch gestern abend im Büro diktiert, zur alten Zeitrechnung! dachte er lächelnd, bevor das große Licht sich über sie beide herabgesenkt hatte ... der Kommissar hatte ihn noch in der Nacht ins Deutsche übersetzen lassen, so daß der Gestapomann jetzt nur staunen konnte.
Die Verbreitung einer genauen Information lief auf vollen Touren, der Telegraf tickerte sie an alle Polizeireviere im Protektorat, oder Kuriere leiteten sie weiter. Sie schloß mit der Anweisung, sämtliche Dienstjournale sorgfältig durchzusehen und alle gleichgearteten Fälle, selbst wenn sie nur entfernt ähnlich waren, nach Prag durchzugeben. Bei diesem Punkt verstummte Morava und blickte seinen Chef an.
«Ich ersuche um Ihre Zustimmung», sagte der Hauptkommissar zu dem Deutschen, «daß die Erlaubnis erteilt wird, zu diesem Behuf auch die Journale aus der Zeit der ehemaligen Republik zu öffnen.»
Der antwortete, ohne zu zögern.
«Ich gestatte es unter dem Vorbehalt, daß ein Mitarbeiter der zuständigen Reichssicherheitsbehörde anwesend ist und anschließend die sofortige Wiederversiegelung vorgenommen wird.»
Er versteht zu denken und hat Vollmachten! benotete ihn Morava. Dann fuhr er in der namentlichen Aufzählung der Ermittlungsbeamten und Techniker fort, die für die das ganze Land erfassende Auswertung der eingegangenen Informationen vorgesehen waren, und schloß mit der Frage, ob der Herr Oberkriminalrat einen ergänzenden Vorschlag habe.
«Untersagen Sie der Presse, selbst die geringste Nachricht über den Fall zu bringen!»
Morava war erfreut, daß dieser offenbar erfahrene Fachmann keine andere Lücke in seinem Konzept gefunden hatte und daß er auch diese sofort zu füllen vermochte.
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