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29 Was bedeutet Elektroneurografie?
Die Elektrografie ist ein Diagnoseverfahren, in dem die Funktionsfähigkeit von motorischen und sensiblen Nerven vermittelt wird. Das Verfahren beruht auf der Stimulation eines motorischen oder sensiblen Nervens durch einen elektrischen Impuls und die Messung der Weiterleitung des Impulses innerhalb des stimulierten Nervens. Bei einer Schädigung von Nerven kann die Geschwindigkeit (Nervenleitgeschwindigkeit) oder das Ausmaß der Impulsweiterleitung (Summenaktionspotenzial) reduziert sein. Zusammen mit der Elektromyografie (EMG,
Frage 24 24 Was bedeutet Elektromyografie (EMG)? Elektromyografie ist ein neurologisches Untersuchungsverfahren, mit dem elektrische Signale der Muskelzelle aufgezeichnet werden. Die elektrischen Eigenschaften (Elektrophysiologie) von gesunden und erkrankten Muskelzellen können Unterschiede aufweisen, die durch eine Ableitung von elektrischen Strömen und Spannungen der Muskelzelle nachweisbar sind. Zur Aufzeichnung der elektrischen Signale des Muskelgewebes ist die Einführung einer feinen Nadel (Nadel-EMG) oder von oberflächlichen Elektroden (Oberflächen-EMG) erforderlich. Die Nadel-EMG-Untersuchung wird in der Diagnosestellung der ALS häufig eingesetzt. Eine Oberflächen-EMG wird derzeit überwiegend in wissenschaftlichen Zusammenhängen verwendet. Bei der Nadel-EMG-Untersuchung führt ein elektrophysiologisch erfahrener Arzt eine spezielle EMG-Nadel (Elektrode) in die Muskulatur ein. Die EMG-Nadel steht über ein feines Kabel mit einem Verstärker und einer Auswerteeinheit (EMG-Gerät) in Verbindung. Das EMG-Gerät liefert dem Neurologen einen visuellen Eindruck vom Muster der elektrischen Potenziale im Gewebsverband der Muskelzellen. Zusätzlich werden die elektrischen Signale als akustisches Signal dargestellt, die dem Neurologen weitere wichtige Hinweise über die elektrischen Eigenschaften und ALS-typische Veränderungen liefern. Eine typische EMG-Untersuchung besteht darin, dass der Neurologe während der EMG-Untersuchung die feine EMG-Nadel an verschiedenen Lokalisationen innerhalb eines und mehrerer Muskeln einführt und dabei den Monitor betrachtet (bildhafte Darstellung der elektrischen Potenziale) und zugleich auf das akustische Signal achtet, dass über die Lautsprecher des EMG-Gerätes hörbar sind. Während der EMG-Untersuchung bittet der Neurologen den Patienten die Muskeln zu entspannen oder in bestimmter Art und Weise anzuspannen. Insbesondere die Anspannung von Muskulatur mit der liegenden Nadel kann als unangenehm oder schmerzhaft erlebt werden. Allerdings ist das Empfinden der untersuchten Patienten gegenüber dieser Empfindung sehr unterschiedlich: Ein Großteil der untersuchten Patienten toleriert die Untersuchung ohne Beschwerden, während andere Patienten die Untersuchung, trotz der Feinheit der Elektrode als belastend erleben oder nur bedingt tolerieren. Insgesamt ist die EMG-Untersuchung ein häufiges diagnostisches Verfahren, das zur Zusatz- und Ausschlussdiagnostik bei der ALS eingesetzt wird.
) und den motorisch-evozierten Potenzialen (MEP,
Frage 30) gehört die Elektroneurografie zur elektrophysiologischen Diagnostik, um die klinische Diagnose einer ALS zu unterstützen. Die Elektroneurografie ist nicht spezifisch für die ALS, sondern wird zur Diagnostik bei einer Vielzahl neurologischer Erkrankungen eingesetzt.
MEP steht für das Untersuchungsverfahren der »motorisch-evozierten Potenziale«, das bei der Diagnosestellung einer ALS häufig eingesetzt wird. Bei der ALS kommt es zu einer Schädigung von Nervenzellen im Rückenmark (zweites motorisches Neuron) und in der motorischen Rinde des Gehirns (erstes motorisches Neuron). Das MEP-Verfahren dient zum Nachweis einer Schädigung des ersten motorischen Neurons. Die Untersuchung wird mit einer Magnetspule (die äußerlich an eine Schaffnerkelle erinnert) durchgeführt, die vom Untersucher an eine bestimmte Stelle des Kopfes gelegt wird, an der sich die motorischen Abschnitte des Gehirns befinden. Die Spule steht mit einem Stimulationsgerät in Verbindung, das innerhalb der Spule einen elektromagnetischen Impuls generiert und (durch die Haut und die Schädeldecke hinweg) einen minimalen Impuls auf das Nervengewebe überträgt. Dieser Impuls wird durch die Nervenbahnen des Gehirns bis zu den Armen und Beinen weitergeleitet. Dort wird durch spezielle Elektroden das Stimulationssignal aufgezeichnet. Durch die Schädigung des ersten motorischen Neurons kann die Weiterleitung des elektromagnetischen Impulses vom Kopf bis zum Messpunkt an Arm oder Bein abgeschwächt oder verlangsamt und mit der MEP-Methode nachgewiesen werden. Die MEP-Untersuchung dient einer Ergänzung der klinischen Diagnose und der Objektivierung einer Betroffenheit des ersten motorischen Neurons. Der MEP-Befund erlaubt keine Prognoseabschätzung. Weiterhin sind Verlaufsformen der ALS bekannt, bei denen der MEP-Befund ohne Auffälligkeiten ist, obwohl eine ALS-Diagnose vorliegt (ALS mit überwiegender Betroffenheit des zweiten motorischen Neurons,
Frage 22).
31 Was bedeutet Liquordiagnostik?
Liquor cerebrospinalis bezeichnet eine Flüssigkeit, die das Rückenmark und Gehirn umgibt (»Nervenwasser«). Der »Liquor« hat eine schützende Funktion, da durch die Flüssigkeitsschicht eine Polsterung der empfindlichen Nervenstrukturen erreicht wird. Weiterhin werden dem Liquor wichtige Funktionen in der Immunabwehr und dem Stoffwechsel des Gehirns zugesprochen. Bei der ALS ist der Befund des Nervenwassers »normal«. Immunzellen oder schädigende Stoffwechselprodukte sind nicht nachweisbar. Die Liquordiagnostik dient daher der Bestätigung eines Normalbefundes und dem Ausschluss von Veränderungen, die für andere Erkrankungen typisch sind (»Ausschlussdiagnostik«). Neben der Ausschlussdiagnostik von immunologischen und metabolischen Veränderungen kommt dem Nachweis von Biomarkern eine zusätzliche und wachsende Bedeutung zu. Das Eiweiß »Neurofilament light chain« (NF-L) ist ein Biomarker (
Frage 33 33 Welche Bedeutung hat der Biomarker Neurofilament Light Chain (NF-L)? Das Protein Neurofilament Light Chain (NF-L) ist durch spezielle Analysemethoden im Blutserum und Liquor (Nervenwasser) nachweisbar. Bei mehr als 80 % der ALS-Patienten zeigt sich eine Erhöhung der Serum- oder Liquorkonzentration von NF-L. Die Erhöhung betrifft insbesondere Patienten, die eine deutliche Beteiligung des ersten motorischen Neurons oder eine mittlere oder höhere Progressionsrate aufweisen. Trotz dieser Korrelation ist der Rückschluss von einem erhöhten NF-L-Wert auf die Diagnose und Prognose einer ALS nicht zulässig. Dabei ist zu bedenken, dass NF-L auch bei zahlreichen anderen neurologischen Erkrankungen (Demenz, Multiple Sklerose, Parkinson-Erkrankung etc.) nachweisbar ist. Allerdings ist bei der ALS – im Vergleich zu vielen anderen neurologischen Erkrankungen – die Konzentration stärker erhöht. Aufgrund der eingeschränkten Spezifität von NF-L ist eine fachkundige ärztliche Interpretation der Befunde unabdingbar.
), der die Schädigung von Nervenfortsätzen (Axon) anzeigt. Bei der Mehrheit der ALS-Patienten liegt eine erhöhte Konzentration von NF-L im Liquor vor. NF-L ist vor allem bei Patienten mit einer überwiegenden Schädigung des ersten motorischen Neurons nachweisbar. Die Analyse von NF-L ist noch keine »Routine-Diagnostik« und vor allem in spezialisierten ALS-Zentren verfügbar. Die Liquordiagnostik setzt eine Lumbalpunktion voraus und ist damit mit Belastungen verbunden. Während der Lumbalpunktion wird auf Höhe der Lendenwirbelsäule eine feine Nadel (Punktionsnadel) durch die Haut und zwischen zwei Wirbelkörpern der Lendenwirbelsäule in den Liquorraum platziert. Über die Punktionsnadel wird Liquor in Diagnoseröhrchen abgelassen und für eine anschließende Analyse gewonnen. Die Prozedur der Lumbalpunktion wird sehr unterschiedlich erlebt: Während einzelne Patienten die Untersuchung als schmerzhaft und belastend wahrnehmen, wird von der Mehrheit der Patienten dieses Verfahren gut toleriert. Vor der Lumbalpunktion erfolgt in jedem Fall eine ärztliche Aufklärung über das konkrete Vorgehen, die Risiken und die zu erwartenden Ergebnisse der Liquordiagnostik.
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