Tipp:Sind Sie krankgeschrieben, fühlen sich aber fit und möchten früher als ursprünglich vorgesehen an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sollten Sie sich hierfür das schriftliche Einverständnis Ihres Arztes geben lassen und auch die Krankenkasse entsprechend informieren.
•Arbeitsvertrag, Rechte und Pflichten aus dem
•Entgeltfortzahlung
•Unfallversicherungsschutz
13.Arbeitsverhältnis im kirchlichen Dienst
Fallbeispiel:
Conny L. ist seit Mitte der 1980-er Jahre Leiterin des Kindergartens „St. Elisabeth“, der in der Trägerschaft der katholischen Kirche steht. 1994 trennt sie sich von ihrem Mann und lebt von 1995 an mit einem neuen Partner in einer außerehelichen Beziehung zusammen. Als der kirchliche Arbeitgeber davon erfährt und ihm zudem mitgeteilt wird, dass Conny L. ein Kind erwartet, führt der Dekan der Pfarrgemeinde im Juli 1997 zunächst ein Gespräch mit Conny L. Wenige Tage später spricht die Pfarrgemeinde die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung ab April 1998 aus. Zur Begründung führt sie an, dass Conny L. gegen die Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse verstoßen habe. Indem sie außerhalb der von ihr geschlossenen und noch immer bestehenden Ehe mit einem anderen Mann zusammenlebe und nun ein Kind erwarte, habe sie sowohl Ehebruch begangen als auch sich der Bigamie schuldig gemacht.
Hierauf legt Conny L. Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein. Arbeitsgericht und LAG geben Conny L. Recht. Das BAG verweist die Sache zur erneuten Entscheidung an das LAG, das zu prüfen habe, ob nicht zuvor eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen. Das LAG weist die Klage im Februar 2000 letztlich ab. Die hierauf gerichtete Revision zum BAG bleibt erfolglos. Das BVerfG entscheidet im Juli 2002, die Verfassungsbeschwerde von Conny L. nicht zur Entscheidung anzunehmen. Am 11. 1. 2003 legt Conny L. Beschwerde beim EGMR ein und gewinnt.
(Fall nach EGMR, Urt. vom 23. 10. 2010, Beschwerde-Nr. 1620/03)
Wieso können die Kirchen festlegen, wie ich zu leben habe?
Ein „kirchliches Arbeitsrecht“ im engeren Sinne gibt es nicht. Ebenso wie das Handeln der öffentlichen Hand unterliegt auch das Handeln der Kirchen dem allgemeinen staatlichen Arbeitsrecht, soweit sich diese zur Durchführung ihrer Aufgaben dem Einsatz von AN bedienen. Die Begründung und Ausgestaltung von Arbeitsverträgen folgt auch hier nach den allgemeinen Regeln. Hiervon abzugrenzen ist die Beschäftigung der sog. „Glaubensträger“ (Pfarrer, Ordensschwestern, Diakonissen), die sich nach dem selbst gesetzten Recht der Religionsgemeinschaften richtet (vgl. Art. 137 Abs. 3 WRV). Es ist aber zu beachten, dass die Beschäftigten aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechtes der Kirchen (Art. 4 Abs. 1, 2 GG; Art. 137 Abs. 3 WRV) weitergehenden Loyalitätspflichten unterworfen sind als andere AN. So war bislang in der deutschen arbeitsrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass das außerdienstliche Verhalten einer kirchlichen Angestellten einen Kündigungsgrund darstellen kann, sofern es gegen grundlegende Glaubensüberzeugungen der betroffenen Religionsgemeinschaften verstößt (BAG, NJW 1984 S. 1917).
Ist es denn rechtens, dass die Kirchen ihre eigenen Arbeitsgesetze machen?
Aus dem Gesetz selbst ergibt sich keine Pflicht zur christlichen Lebensführung für AN der Kirchen. Häufig verwenden Kirchen aber detaillierte „Arbeitsvertragsrichtlinien“ oder „Arbeitsvertragsordnungen“. Hierbei handelt es sich nicht um Regelungen mit Gesetzeskraft oder Tarifverträge, sondern um allgemeine Arbeitsbedingungen, die nach allgemeinen gesetzlichen Regeln zum Gegenstand des individuellen Arbeitsvertrages gemacht werden müssen.
Voraussetzung hierfür ist:
1.Im Arbeitsvertrag wird auf diese Sonderregeln Bezug genommen.
2.Die Sonderregeln werden ausdrücklich zum Gegenstand des Arbeitsvertrages gemacht.
3.Beide Seiten unterschreiben den Vertrag.
Der Träger Ihrer Einrichtung kann also eine christliche Lebensführung dann von Ihnen verlangen, wenn Sie sich durch Unterschriftsleistung dazu verpflichtet haben. In diesem Fall arbeiten Sie in einem sog. „Tendenzbetrieb“, der es dem AG erlaubt, die tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre zu beachten und nicht gegen fundamentale Verpflichtungen hieraus zu verstoßen.
Die katholische Kirche verweist zu dieser Thematik auf die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Morallehre: Die Einhaltung dieser Grundsätze sei für kirchliche Mitarbeiter vergleichbar mit der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst. Inhalt und Umfang der kirchlichen Loyalitätspflichten können entsprechend dem kirchlichen Selbstverständnis konkretisiert werden. Auf diesem Wege können Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag bis ins Privatleben hineinreichen und diese beeinflussen. In katholischen Tendenzbetrieben beispielsweise können durch die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ auch nichtkatholische AN dazu verpflichtet werden, die „Wahrheiten und Werte des Evangeliums“ zu achten. Katholische AN werden regelmäßig darauf verpflichtet, die „Grundsätze der katholischen Sitten- und Glaubenslehre“ zu beachten.
Wie sehen denn meine Loyalitätspflichten im Einzelnen aus?
Haben Sie sich in Ihrem Arbeitsvertrag zur Anerkennung der oben erwähnten „Arbeitsvertragsrichtlinien“ oder „Arbeitsvertragsordnung“ bzw. „Grundordnung“ und damit zur christlichen Lebensführung erst einmal verpflichtet, ist diese Verpflichtung bindend. Sie hat zur Folge, dass Sie nur marginale Mitbestimmungsrechte haben und Einschränkungen Ihrer grundgesetzlich verankerten Freiheitsrechte wie beispielsweise das aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht hinnehmen müssen. Diese Einschränkungen gelten gleichermaßen für dienstliches wie außerdienstliches Verhalten, beispielsweise sind Sie verpflichtet, einer bestimmten Konfession zuzugehören, vor Gründung einer Familie zu heiraten, Ihre Kinder christlich taufen zu lassen, die Ehe bis zum Tode fortzuführen, keine Scheidung mit anschließender Wiederverheiratung vorzunehmen etc. Als besonders schwerwiegende Verstöße gegen die christliche Wertordnung und arbeitsvertraglich begründeter Loyalitätspflichten hat das BVerfG anerkannt:
•Kirchenaustritt (BVerfGE 70, 138, 172),
•Abtreibung und deren öffentliche Befürwortung (BVerfGE 70, 138, 147ff.),
•Verstoß gegen das kirchliche Eherecht (BVerfGE 70, 138).
Verstoßen Sie gegen diese Verpflichtungen, kann Ihnen nach vorausgegangener wirksamer Abmahnung gekündigt werden.
Das Pochen auf solcherlei Loyalitätspflichten wird auch keineswegs vom EGMR in Frage gestellt, wie eine jüngst ergangene Entscheidung zeigt: Eine Erzieherin arbeitete in einer Einrichtung in Trägerschaft der evangelischen Kirche. Weil sie in ihrer Religionsgemeinschaft der „Universalen Kirche/Bruderschaft der Menschheit“ Einführungskurse der einschlägigen Lehre anbot und weiterhin als Kontaktperson auf Anmeldeformularen für „Grundkurse für höhere geistige Lehren“ angegeben war, wurde ihr fristlos gekündigt. Ihr Arbeitsvertrag sah vor, dass auf das Arbeitsverhältnis die Arbeitsregelungen für Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter der Evangelischen Landeskirche anwendbar sind. Diese enthalten u. a. Loyalitätspflichten gegenüber der EKD. Danach ist eine Mitgliedschaft oder Mitarbeit in einer Organisation untersagt, deren Grundauffassung oder Tätigkeit im Widerspruch zum Auftrag der Kirche steht. Der EGMR kam einstimmig zu der Überzeugung, dass die fristlose Kündigung mit Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist, der zufolge jeder Mensch das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit hat. Die deutschen Gerichte der Vorinstanzen, die der Klägerin überwiegend nicht Recht gegeben hatten, hätten eine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen – und das allein sei entscheidend. Das Ergebnis dieser Interessenabwägung – Vorrang der Interessen der Evangelischen Kirche im konkreten Fall – stehe mit Art. 9 der Menschenrechtskonvention nicht per se in Konflikt (EMGR, Urt. vom 3. 2. 2011 – Beschwerde-Nr. 18136/02).
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