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Kann der AG einen Teil seiner Aufgaben auf mich als Leiterin übertragen?
Ja. Wahrscheinlich wird sich Linda J. im Fallbeispiel nicht vorrangig als Unternehmerin bzw. Arbeitgeberin sehen und im Prinzip stimmt das auch. In Kindertageseinrichtungen sind damit in erster Linie die Sachkostenträger gemeint. Diese haben resultierend aus dem Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsgesetz und aus den Vorschriften der Gesetzlichen Unfallkassen einige Verpflichtungen, so z. B.:
•Durchführung von
Gefährdungsbeurteilungen für die Mitarbeiter,
•Beurteilung und notwendige Maßnahmen müssen dokumentiert werden,
•regelmäßige, mindestens jährliche Unterweisungen der Mitarbeiterinnen,
•geltende Vorschriften zum Gesundheitsschutz müssen zugänglich gemacht werden,
•Bestellung eines Betriebsarztes und einer Fachkraft für Arbeitssicherheit,
•Bestellung eines Sicherheitsbeauftragten sowie dessen Aus- und Fortbildung.
Der AG kann einen Teil dieser Verantwortungsbereiche an die Leitung einer Kindertageseinrichtung delegieren, da die Leiterin die gesetzliche Vertreterin einer Einrichtung ist. Im Fallbeispiel möchte dies der AG tun und hiergegen ist auch rechtlich nichts einzuwenden, solange er auch die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellt. Im Fallbeispiel wäre für den Aufgabenbereich „Sicherheitsbeauftragte“ ein Budget von etwa 500 Euro angemessen. Mit 500 Euro könnte man beispielsweise vier Gesundheitsstühle erwerben, wenn eine
Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass das derzeitige Mobiliar für die Belegschaft rückenschädlich ist.
Warum muss ich das unterschreiben?
§ 7 ArbSchG bestimmt:
„Bei der Übertragung von Aufgaben auf Beschäftigte hat der AG je nach Art der Tätigkeiten zu berücksichtigen, ob die Beschäftigten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten.“
Und § 12 GUV-V A 1 schreibt vor:
„Hat der Unternehmer der AN hinsichtlich der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren obliegende Pflichten übertragen, so hat er dies unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Die Bestätigung ist von der Verpflichteten zu unterzeichnen; in ihr sind der Verantwortungsbereich und die Befugnisse zu beschreiben. Eine Ausfertigung der schriftlichen Bestätigung ist dem Verpflichteten auszuhändigen.“
Mit der Aufforderung an Linda J., das Papier zu unterschreiben, kommt ihr Träger daher seinen Verpflichtungen aus den genannten Vorschriften nach. Indes: Linda J. muss nicht unterschreiben, wenn sie dies nicht will, denn niemand kann gegen seinen Willen beauftragt werden. Freilich wären dann in arbeitsrechtlicher Hinsicht wohl Weiterungen zu erwarten, indem sie über kurz oder lang mit einer Zurückstufung rechnen müsste, denn insgesamt ist festzustellen, dass der Aufgabenbereich, der ihr zugewiesen werden soll, dem beruflichen Anforderungsprofil einer Leiterin absolut entspricht und sich nichts „Unzumutbares“ dahinter verbirgt. Es handelt sich durchwegs um Tätigkeiten, die zu den Management-Aufgaben einer Leiterin gehören und die es rechtfertigen, dass sie ein höheres Gehalt bezieht als ihre Gruppenleiterinnen.
Tipp:Ein Mustervordruck für die „Bestätigung der Übertragung von Unternehmerpflichten“ kann beim für Ihre Einrichtung zuständigen Unfallversicherungsträger unter der Bestell-Nr. DGUV Information 211-003 bezogen werden.
•Arbeitsstättenverordnung
•Gefährdungsbeurteilung
•Jugendarbeitsschutzgesetz
•Kündigungsschutz
•Mutterschutz
•Unterweisung
11.Arbeitsstättenverordnung
Fallbeispiel:
Der Kindergarten „Villa Kunterbunt“ befindet sich in kommunaler Trägerschaft. Die dreigruppige Einrichtung hat insgesamt zehn Mitarbeiterinnen. Als der Stadtrat beschließt, das Angebot der Einrichtung um eine Kinderkrippe zu erweitern, ist wegen der damit einhergehenden Erhöhung des Personals die Planung eines Sozialraumes erforderlich.
Was bringt mir die Arbeitsstättenverordnung?
Die novellierte ArbStättV vom 12. 8. 2004 zählt neben der
BildscharbV, der
LasthandhabV und der BiostoffVO (
Beschäftigungsverbot) zu den wichtigsten Arbeitsschutz-Verordnungen in Kindertageseinrichtungen. Sie verfolgt in erster Linie das Ziel, zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten beizutragen und dient der menschengerechten Gestaltung der Arbeit.
Mit der Novellierung vom 18.10.2017 wurde die EG-Arbeitsstättenrichtlinie 89/654/EWG sowie andere EU-Normen umgesetzt und einheitlich die Anforderungen an das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten im Interesse des Arbeits- und des Betriebsschutzes geregelt. Auf konkrete Maßzahlen und Detailanforderungen wurde verzichtet, um die Materie zu deregulieren und dem AG mehr Freiheit einzuräumen, wie er den gesetzgeberischen Vorgaben nachkommen und wie er seinen Betrieb und die Arbeitsstätten gestalten will.
Die VO betrifft Arbeitsstätten, d. h. Orte in Gebäuden oder im Freien, die zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind (§ 2 ArbStättV). Arbeitsstätten müssen danach so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen (§ 3 ArbStättV)). Als Arbeitsstätte gelten auch Verkehrs- und Fluchtwege, Notausgänge, Sanitär- und Nebenräume sowie Pausen- und Erste-Hilfe-Räume. Der AG hat für Nichtraucherschutz zu sorgen (§ 5 ArbStättV) sowie Sanitär-, Pausen- und Bereitschaftsräume zur Verfügung zu stellen (§ 6 ArbStättV).
Einzelheiten regelt der Anhang der VO:
1. Abschnitt: regelt die allgemeinen Anforderungen an die Beschaffenheit der Arbeitsstätte (z. B. Raumabmessungen, Fußböden, Dächer, Fenster, Türen, und Verkehrswege etc.);
2. Abschnitt: regelt den Schutz vor besonderen Gefahren wie Absturz und Entstehungsbränden sowie die Vorgaben für Flucht- und Rettungswege;
3. Abschnitt: regelt die wesentlichen Arbeitsbedingungen (z. B. Bewegungsfläche, Anordnung und Ausstattung der Arbeitsplätze, klimatische Verhältnisse mit Raumtemperatur und Lüftung, Beleuchtung, Lärm etc.);
4. Abschnitt: Vorschriften für Sanitär-, Pausen- und Erste-Hilfe-Räume.
Tipp:Viele Kindergärten, die im Zuge des Ausbaus der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige eine Krippe eingerichtet haben, müssen aufgrund des damit verbundenen Personalzuwachses nach § 6 Abs. 3 ArbStättV nun auch einen Sozialraum vorhalten, da sie wie im Fallbeispiel plötzlich mehr als zehn Beschäftigte haben. 4.2 des Anhangs zur ArbStättVO besagt dann Näheres zur Beschaffenheit eines solchen Raumes.
•Arbeitsschutzgesetz
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