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Mein Arbeitgeber will mich versetzen, darf er das?
Nicht selten wollen AG die Arbeitsbedingungen, zu denen sie eine AN eingestellt haben, einseitig abändern. In Arbeitsverträgen finden sich daher häufig Klauseln, meist Versetzungs- oder sog. „Jeweiligkeitsklauseln“, denen zufolge dem AG diese Abänderungen zugebilligt werden. Einer rechtlichen Überprüfung halten allerdings nur die wenigsten stand, denn:
Jeder Arbeitsvertrag muss hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der zu leistenden Arbeit hinreichend bestimmt sein. Die Kehrseite der Medaille ist freilich, dass der AG damit festgelegt ist. Zwar hat er sein aus § 1056 GewO folgendes
Direktionsrecht, dieses ist aber durch den
Arbeitsvertrag und auch durch
Tarifvertrag oder
Betriebsvereinbarung eingeschränkt. Ist eine AN in Berlin beschäftigt, kann sie nicht nach München versetzt werden. Dies kann nur durch eine entweder einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages oder durch eine Änderungskündigung erreicht werden. Eine Änderungskündigung ist für den AG jedoch schwierig zu bewerkstelligen, da er sich mit ihr immer an § 2 KSchG messen lassen muss, an den das BAG hohe Anforderungen stellt. Weisungen hingegen unterliegen nicht so starken Kontrollen.
Ist die Arbeit aber erst einmal hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit vertraglich festgelegt, können diese Bestandteile nur geändert werden, indem eine Versetzungsklauselgreift. Doch auch eine solche unterliegt der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach Empfehlung des BAG sollten Versetzungsklauseln stets vorsehen, dass der AG nur nach „billigem Ermessen“ oder „unter Wahrung der Interessen der AN“ handeln darf (BAG, NJW 2006 S. 3303). Selbst dann darf eine andere Tätigkeit aber überhaupt nur dann zugewiesen werden, wenn diese gleichwertig ist. Fehlt die „Gleichwertigkeitsgarantie“, ist die gesamte Versetzungsklausel unwirksam (BAG, NZA 2007 S. 145). Selbst wenn die Vergütung unverändert bleibt, darf keine geringwertigere Arbeit zugewiesen werden. (BAG, NZA 1996 S. 440). Sind örtliche Versetzungen innerhalb des Betriebs– etwa in einen anderen Betriebsteil – noch relativ unproblematisch zulässig, werfen örtliche Versetzungsklauseln innerhalb des Unternehmens, wie im Fallbeispiel, Probleme auf. Dina M. soll ja nicht den Betriebsteil, sondern den Betrieb wechseln. Solche Versetzungen sind durch das vom AG einzuhaltende „billige Ermessen“ stark eingeschränkt. Die sozialen, familiären und persönlichen Bedürfnisse der AN sind dabei stets mit zu berücksichtigen. Im Fallbeispiel wird man jedoch davon ausgehen müssen, dass die Versetzung in einen angrenzenden Stadtteil von Dina M. noch hinzunehmen sein wird.
Auch Jeweiligkeitsklauselnsind in Arbeitsverträgen nicht selten zu finden. Dies sind dynamische Verweisungen auf ein Regelwerk außerhalb des Arbeitsvertrages, beispielsweise einen Tarifvertrag. Derartige Klauseln sind uneingeschränkt zulässig, sofern sie global auf einen einschlägigen Tarifvertrag, etwa den TvöD verweisen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass hier eine Änderung der Arbeitsbedingungen nicht einseitig durch den AG, sondern im Konsens der Tarifparteien erfolgt. Daher ist nicht zu befürchten, dass sich die Arbeitsbedingungen einseitig zu Lasten der AN erheblich verschlechtern.
Hingegen sind Verweise auf die jeweils geltende „Urlaubsordnung“ oder das „Mitarbeiterhandbuch“ bereits unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle von
AGB fragwürdig und stellen regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung der AN i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar: Sie sind deswegen nichtig. Dies gilt erst recht, wenn sich der AG durch die Klausel ein Recht zur Leistungsbestimmung hinsichtlich wesentlicher Vertragsbestandteile wie Zeit, Ort und Inhalt des Arbeitsverhältnisses, Dauer des Jahresurlaubes oder Vergütung vorbehält.
Die allgemeine Bezugnahme auf allgemeine Arbeitsanweisungen, wie z. B. die Richtlinien der Unfallkassen oder zum Verhalten im Betrieb, sind hingegen unproblematisch. Die einseitige Änderung eines Mitarbeiterhandbuches ist hingegen in der Regel unwirksam, da sie je nach Regelung der zwingenden Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliegt.
Tipp:Sie sollen versetzt werden? Dann ist es ratsam, Ihren Arbeitsvertrag zu prüfen bzw. durch eine Fachfrau prüfen zu lassen: Eine Versetzung ist nur dann rechtmäßig, wenn sie im Arbeitsvertrag festgeschrieben ist, Ihre Interessen angemessen berücksichtigt und eine Gleichwertigkeitsgarantie beinhaltet.
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•Arbeitsvertrag, Rechte und Pflichten aus dem
•Betriebsvereinbarungen
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•Direktionsrecht
•Tarifvertrag
8.Anerkennung von Berufsnachweisen ausländischer AN
Fallbeispiel:
Solveig T. ist Erzieherin mit schweizerischer Staatsbürgerschaft. Als sie wegen ihrer Heirat mit einem Deutschen nach Deutschland zuwandert und hier eine Stelle in ihrem Beruf sucht, muss sie bestürzt feststellen, dass ihr schweizerischer Berufsabschluss zur Erzieherin in Deutschland nicht anerkannt wird.
Welche Aussichten habe ich, dass mein Abschluss hier anerkannt wird?
Die Berufsausübung und auch der Zugang zu den entsprechenden Anerkennungsverfahren waren lange Zeit bei zahlreichen Berufen an die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaates geknüpft. Die guten beruflichen Qualifikationen und Abschlüsse, die Angehörige von Drittstaaten nicht selten haben, wurden nicht anerkannt, obwohl sie auf dem Arbeitsmarkt dringend gebraucht werden. Dies wurde mit dem seit 1.4.2012 gültigen sog. „Anerkennungsgesetz“ geändert. Das Anerkennungsgesetz umfasst das sog. Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz sowie Anpassungen in bereits bestehenden Regelungen zur Anerkennung von Berufsqualifikationen in rund 60 auf Bundesebene geregelten Berufsgesetzen und Verordnungen für die reglementierten Berufe, also z. B. für die akademischen und nichtakademischen Heilberufe und die Handwerksmeister.
Damit stehen AG und Betriebe nachvollziehbare und bundesweit möglichst einheitliche Bewertungen zu beruflichen Auslandsqualifikationen zur Verfügung. Das Gesetz schafft auch die Kopplung an die Staatsangehörigkeit weitgehend ab. Ausschlaggebend sind in den meisten Berufen lediglich der Inhalt und die Qualität der Berufsqualifikationen, nicht aber die Staatsangehörigkeit oder Herkunft.
Ein zentrales Element des Gesetzes ist die Einführung eines Rechtsanspruchs auf ein Bewertungsverfahren für die rund 350 nicht reglementierten Berufe (Ausbildungsberufe im dualen System nach dem Berufsbildungsgesetz und im Handwerk). Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz schafft damit für Unionsbürger und Drittstaatsangehörige einen allgemeinen Anspruch auf eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung, den es bis dahin nur für Spätaussiedler gab. Für diese Berufe wird die Frage, ob die mitgebrachte Qualifikation gleichwertig ist, nach einheitlichen Kriterien und in einem einheitlich geregelten Verfahren beurteilt.
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