06
FÄRÖER
Die Insel der Wikinger
07
JUIST
Die Insel der Spätzünder
WISSEN
Wie entstehen eigentlich Inseln?
HELGOLAND
Die deutscheste aller Inseln. Ein Insel-Abc
GEDICHT
Die Insel von James Krüss
SIEBEN LIEDER ÜBER INSELN
08
ROCKALL
Der Felsen
09
WANGEROOGE
Die Insel mit dem Zug
DEUTSCHLANDS GRÖSSTE INSELN
10
RUNGHOLT
Die versunkene Insel
ISLAND
33 Fakten
11
AMELAND
Die Insel mit dem Pferderettungsboot
12
JERSEY
Die Insel der Schmuggler
DIE EINSAMSTEN INSELN
13
SPIEKEROOG
Die Geschichte vom Drinkeldodenkarkhoff
14
SPITZBERGEN
Die Insel der Eisbären
15
USEDOM
Ein Strandfoto
DIE 20 GRÖSSTEN INSELN DER ERDE
16
LANGEOOG
Die Geschichte der Familie Leiß
17
VLIELAND
Im Abendboot nach Lummerland
18
BORKUM
Die Strandräuber von Borkum
DIE GETEILTEN INSELN
19
KEY WEST
Die Insel der freien Geister
20
RÜGEN
Von Störtebeker und Bernstein
ÜBER UNSERE INSELN
REIF FÜR DIE INSELN
Wer das Meer mag, der liebt auch eine Insel. Ein kleines Stück Land inmitten der Welt, und doch weit weg von allem. Inseln stehen für Sehnsucht, für Wind und Weite und Wellen, für eine eigene Romantik. Inseln sind Rückzugsgebiete, und wenn wir auf unserer liebsten Insel sind, dann stellen wir auf der Fähre die Telefone aus und haben das Gefühl, dass der Alltag hinter dem Horizont verschwindet.
Darum soll es in diesem Buch gehen: um dieses besondere Inselgefühl.
Dieses Buch soll eine kleine Flucht bieten. Immer mal aufblättern, eine Insel besuchen, für die Lesezeit der Geschichte in eine andere Welt abtauchen. Diese Idee liegt allen Büchern der neuen Reihe „Kleines Buch vom Meer“ zugrunde. Mit den Inseln fängt alles an.
Die Inseln in diesem Buch sind eine Auswahl unserer liebsten Inseln. Mit Ausnahme des versunkenen Rungholt und des lebensfeindlichen Felsens Rockall haben wir alle besucht. Dieses Buch ist gewissermaßen die Essenz unserer Insel-Erfahrungen, nach mehreren Jahrzehnten Beschäftigung mit Themen vom Meer.
Ein Schwerpunkt liegt vor der deutschen Küste. Wir starten mit der Insel der Kapitäne und schließen mit Deutschlands größter Insel. Ein Herzstück des Buches ist Helgoland, der Rote Felsen in der Nordsee. Wenn man die ganz große Karte betrachtet, dann hat dieses Buch einen Schwerpunkt auf den nordischen Meeren. Rau und wild, das mögen wir an der See eben besonders.
Wir sind auf Nantucket und auf Key West, auf Spitzbergen ganz im Norden und auf dem Wellenbrecher Fire Island vor New York City. Wir haben mit Schmugglern, mit Legenden, mit Piraten und mit anderen Touristen zu tun. Verliebt sind wir in Vlieland und Island.
Allen Lesern wünschen wir schöne Reisen mit unserem ersten „Kleinen Buch vom Meer“!
RAINER MARIA RILKE
DIE INSEL
DIE NÄCHSTE FLUT VERWISCHT DEN WEG IM WATT, UND ALLES WIRD AUF ALLEN SEITEN GLEICH; DIE KLEINE INSEL ABER DRAUSSEN HAT DIE AUGEN ZU; VERWIRREND KREIST DER DEICH
UM IHRE WOHNER, DIE IN EINEN SCHLAF GEBOREN WERDEN, DRIN SIE VIELE WELTEN VERWECHSELN, SCHWEIGEND; DENN SIE REDEN SELTEN, UND JEDER SATZ IST WIE EIN EPITAPH
FÜR ETWAS ANGESCHWEMMTES, UNBEKANNTES, DAS UNERKLÄRT ZU IHNEN KOMMT UND BLEIBT. UND SO IST ALLES, WAS IHR BLICK BESCHREIBT
VON KINDHEIT AN: NICHT AUF SIE ANGEWANDTES, ZU GROSSES, RÜCKSICHTSLOSES, HERGESANDTES, DAS IHRE EINSAMKEIT NOCH ÜBERTREIBT.
Alte Steine erzählen die Geschichten der Kapitäne. Der Wind hat sie schief gestellt, und das Wetter der Nordsee hat sie geschliffen. Einige sind von Moos bewachsen, manche völlig verwittert. Auf fast allen sieht man ein Kreuz, ein Herz und einen Anker, die drei Symbole der christlichen Seefahrt.
Glaube.
Liebe.
Hoffnung.
Föhr ist die Insel der Kapitäne.
Auf dem Friedhof des Dorfes Süderende, im Westen der Insel, neben dem Backsteinturm der Pfarrkirche „Sankt Laurentii“, sprechen die Steine zu den Besuchern. Zum Beispiel erzählen sie von Früd Faltings, geboren am 23. Dezember 1783, der 1811 Ingke Olufs zur Frau nahm, die ihm drei Kinder gebar. 23 Jahre lang führte er ein Schiff aus Kopenhagen und brachte seine Familie zu Wohlstand. So steht es in schwarzen Buchstaben auf weißem Grund.
Vom Segen, den die Seefahrt brachte, ist manches noch zu sehen in den Inseldörfern, deren Namen klingen, als würden sie allesamt aus einem Asterix-Heft stammen: Klein-Dunsum, Wrixum, Hedehusum. Weiße Kapitänshäuser unter Reet sind Belege eines gewissen Wohlstands, und manches Gartentor ist aus den Knochen eines Wales gebaut. Auf allen Inseln, deren Boden es beinahe unmöglich machte, etwas zu ernten, und auf denen es an Brennmaterial mangelte, wagten sich die Bewohner hinaus aufs Meer. Sie mussten hinaus, wenn sie überleben wollten.
Aber kaum irgendwo geschah das so konsequent wie auf Föhr, dessen Name sich herleitet vom friesischen Begriff „feer“, was „unfruchtbar“ bedeutet. 82 Quadratkilometer Strand und Dünen und Land auf 54° 43' Nord, 8° 30' Ost, wie in einem großen Schutzbecken zwischen Sylt, Amrum und den Halligen gelegen. Wer abends am Strand von Nieblum entlangspaziert, sieht weit über das Watt und in der Ferne die Lichter der Warften. Föhr: Das ist eine Insel trotziger Nordfriesen, die sich gegen die Dänen auflehnten und später wegen der Preußen in Scharen auswanderten. Bis ins Jahr 1864 war die Insel zweigeteilt, zumindest amtlich gesehen. Der Westen gehörte dem König Dänemarks. Der Osten dem Herzog von Schleswig. Die Trennung lief genau durch die Insel und mitten durch das Dorf Nieblum. Auf der Flagge Föhrs steht bis heute der Leitspruch: „Lewwer duad üs Slaav“. Lieber tot als Sklave.
Ein Aspekt zieht sich durch die Geschichte dieser Insel: die Seefahrt. „Noch zu meiner Zeit fuhren alle Männer im Westen der Insel zur See“, sagt Nickels Peter Hinrichsen, Jahrgang 1939, ein drahtiger Mann mit fein gestutztem Schnurrbart. In Seefahrerkreisen gilt Hinrichsen als eine Autorität. Unter seinem Kommando segelte die „Gorch Fock“, als sie noch der Stolz der Marine war, einst ganz nahe an den Hafen der Inselhauptstadt Wyk heran. Ein riskantes Manöver für ein Segelschiff im Wattenmeer – und eines, bei dem Triumph und Spott dicht im Schlick nebeneinanderlagen. Zwei Jahre lang hatte Hinrichsen mögliche Veränderungen des Wasserstands beobachtet, die Gezeiten geduldig studiert und analysiert, wann die Durchfahrt der engen Priele möglich war. „Auf Höhe ‚Rütergat‘ war die Fahrrinne nur bei voller Tide zu schaffen“, berichtet Hinrichsen. Mehr als 100 Segler, Fischkutter und Jachten begleiteten die Bark auf dem letzten Abschnitt. Eine Seemeile vor dem Hafen von Wyk gab Hinrichsen den Befehl, Anker fallen zu lassen, was Tausende Schaulustige an der Uferpromenade feierten.
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